ich habe ein paar Fragen, die sich aufgetan haben und die auch persönlich sind. Es fällt mir niemand anders ein, der sie beantworten kann, ich habe das schon versucht mit anderen zu besprechen.
Ero.: hallo nicole, dann sehen wir doch mal, weiter in deinem text.
N. Ich bin sehr traurig zur Zeit immer wieder, weil ich verstanden habe, oder ausgestiegen bin aus der Opferrolle, anfange meine Täteranteile anzunehmen, nicht mehr ungefragt helfen mag. Es verändert sich so viel in mir gerade und mein ganzes Umfeld passt nicht mehr zu mir. Das macht mir Angst. Meine Mitmenschen verstehen mich nicht mehr. Für mich ist es schwer, das getrennt sein mit ihnen zu ertragen. Die Trennung kommt zustande, da ich dabei bin mich zu verändern, zu behaupten, zu sagen, was ich will und brauche und angefangen habe, meine Gefühle zu zeigen und meine Wahrnehmungen mitzuteilen. E: liebe nicole, das klingt nach veränderung, das bedeutet immer auch abschied von vertrautem. Bisher hasst du dich wahrscheinlich zu sehr an die bedürfnisse und erwartungen der anderen angepasst, um dich mit ihnen verbunden zu fühlen. Jetzt spürst du, dass das nicht mehr für dich passt, dass das nicht mehr vereinbar ist mit deinem wesenskern. Je mehr du dich selber kennen lernst, deinen wesenskern, umso mehr entsteht eine distanz zu den menschen deiner umgebung. Distanz und abschied tut immer weh - obwohl erst der abschied vom alten und fremden das erkennen des eigenen möglich macht. also ist das "ein gesunder schmerz". Wenn du dadurchgehst – statt den schmerz zu vermeiden, - dann bleibst du nicht im alten stecken. Es öffnet sich die türe für das HIER UND JETZT.
N.: Es passiert immer wieder, dass ich dafür abgewertet werde. Es macht keinen Sinn mehr zu versuchen, den anderen zu erklären, was mit mir ist. Denn das verlangen sie von mir: "Was ist denn? "Was hast du denn?" "Was soll das denn?" "Das stimmt doch gar nicht." Wenn ich es aber anfange zu versuchen, zu erklären, passiert folgendes: Ich werde abgewertet. Das passiert, glaube ich, weil ich dabei den anderen den Spiegel vorhalte, das wollen sie aber nicht, sonst würden sie ja selbst diesen Weg gehen. Also werten sie mich ab. Und mein Versuch Nähe zu erzeugen, in Kontakt zu gehen oder zu bleiben, versagt. Ich will den anderen nicht mehr ihre Schatten aufzeigen, also habe ich aufgehört zu reden. E.:Vielleicht versuchst du, die alte nähe aufrecht zu erhalten, obwohl du dabei bist dich zu verändern. Du musst dich entscheiden: willst du es ihnen „recht machen“ – oder dir?
N.: Ich übe mich in Stille, loslassen, Mitgefühl, Einsicht, Konsequenz, Meditation, Achtsamkeit.
E.: Liebe nicole, da beschreibst du sehr prezise, was menschen erleben, wenn sie sich aus einem traumatisierten kollektiv lösen wollen. In einer traumatisierten familie z.b. - aber auch in manchen kreisen - fühlen sich menschen oft durch das leiden verbunden mit denen, die ähnlich leiden wie sie. Unbewusst übernehmen sie fremdes leid, oder teilen das leid, oder sie „kreieren“ eigenes leid. dann wird das leid zur "clubkarte": du darfst dazu gehören. manche, die sich in ihrer familie nie zuhause gefühlt haben, wünschen sich sehnlich, endlich irgendwo dazu zu gehören. Dann fühlen sie sich angezogen von menschen, die ähnliche probleme haben wie sie selber. dann bedeutet das loslassen des eigenen leides, der eigenen opferrolle so etwas wie verlust der "clubkarte“: nicht mehr dazu geören, einsam und verlassen zu sein. oder so als würde man die anderen mit ihrem leid alleine lassen: schuldgefühle, oder tendenzen, sich selber als egoistisch abzuwerten. wir nennen das eine kollektive symbiose. da ist das „aussteigen“ oft besonders schwer, weil man dann alle gegen sich hat.
umso wichtiger ist es dann, ein bis zwei freunde zu haben, die sich nicht durch leid mit dir verbunden fühlen, sondern die dich so mögen wie du bist. Und einen coach, der dich durch das labyrinth (spiegelkabinett) der symbiotischen verwirrung begleitet.
N.: Es macht mich schier wahnsinnig, dass andere einfach in ihrer materiellen Welt verharren bist du jesus, dass du glaubst, sie retten zu müssen? wenn sie mit dieser "droge" glauben glücklich zu werden, lasse es ihnen. und ich will mich nicht mehr angreifbar machen, indem ich immer und immer wieder den ersten Schritt mache, mich gefühlvoll zeige und anspreche und dafür als schwach und angreifbar in eine Schublade gesteckt habe. Jemand der Schwäche zeigt ist nicht schwach! Im Gegenteil- Es gehört so viel dazu, den Mut aufzubringen, zu sich zu stehen, sich zu blamieren, um dabei zu lernen, sich dabei zusehen zu lassen. Wer das nicht macht bleibt wirklich schwach! Genauso ist es. Schön wie prezise du das erkennst und wie gut du das beschreibst! und es macht nicht wirklich glücklich, immer wieder seine "perlen" vor die "säue" zu werfen😎
Zu dem Gefühl, der Trennung, dem Schmerz darüber, nicht mehr verbunden zu sein in der Tiefe, kommt der Schmerz nicht gesehen zu werden, der Schmerz nicht verstanden zu werden und abgewertet, und dann auch noch für das, was mir am wichtigsten ist, mein Weg, meine Erkenntnis, meine Träume, meine Gefühle, meine Offenheit und Verletzlichkeit. Das sind wirklich große Schmerzen.
E.: das nicht gesehen werden ist sehr verletzend, so als würde die eigene existenz einfach ignoriert. allerdings gibt es da bisweilen auch eine sehr bizarre dynamik: manche - z.b. die einen zwilling verloren haben - tragen eine "tarnkappe", um in dieser welt nicht gesehen zu werden. das hindert sie aber nicht daran, sich gleichzeitig heftig darüber zu beschweren!😎
N.: Es ist, als ob das Alte nicht mehr funktioniert. Es gibt kein Weg zurück. Etwas Neues gibt es aber noch nicht. Ich kann nichts sehen, frage mich, ob ich das schaffen kann.
E.: damit beschreibst du genau eine unvermeidbare phase der transformation: das alte gilt nicht mehr - das neue trägt noch nicht. das gilt es auszuhalten, und dabei nicht den mut zu verlieren. tröstlich kann da auch ein gedicht sein von hesse: stufen https://hhesse.de/gedichte/stufen/
N.: Ich werde abgewertet als Reaktion, als Antwort auf mein neues "Mich-zeigen", und bleibe allein und handlungsunfähig zurück. Wie soll ich mit dieser neuen Trennung jetzt umgehen? Wohin mit mir, damit? Ich weiß, ich muß in Kontakt bleiben, eben auf einer niederen Ebene.
Danke, dass ich dir das schreiben durfte. Es geht mir schon viel besser.
E.: genau DAS AUFSCHREIBEN HILFT, darüber reden. machmal hilft es schon, briefe zu schreiben, man muss sie dann gar nicht mehr abschicken. aber ich freue mich über deine zeilen, ich sehe daraus, dass du auf deinem eigenen weg bist. herzliche grüsse ero
..danke Ero für deine Zeilen. Das tut gut, hilft sich verbunden zu fühlen, hilft zu verstehen.