II. Online Aufstellungen mit Symbolen (farbigen Holzklötzchen)
II.1. Covid-Pandemie und die Entwicklung der Online-Aufstellungen! Durch Covid waren Präsenz-Aufstellungen unmöglich geworden. Früher untersuchten wir belastende Beziehungen durch Aufstellungen in Präsenz, einzeln oder in Gruppen. Als Repräsentanten für Familienmitglieder und Selbst-Anteile verwendeten wir Teilnehmer, für ein Trauma nahmen wir einen Hocker, und Steine dienten als Symbol für ein übernommenes schweres Schicksal. In Einzelsitzungen vertraten Stühle die Personen und farbige Kissen die bisher abgespaltene Selbst-Anteile.
Bei Online-Aufstellungen (über Skype oder Zoom) erfolgen die Sitzungen einzeln – für die Betroffenen bedeutet das weniger Aufwand und weniger emotionale Belastung. Die farbigen Klötzchen aus Holz in unterschiedlichen Formen, die als Spielzeug für Kleinkinder überall erhältlich sind, haben sich hervorragend bewährt, da sie als Symbole für alle Elemente des Trauma-Geschehens geeignet sind. Sie bieten den Vorteil, den Klienten nicht zu irritieren durch eigene Emotionen, wie Personen als Stellvertreter in Präsenz-Aufstellungen. Sie eignen sich aber genauso wie diese als Projektionsfläche für Übertragungen des Klienten.
Die Umstellung auf Online-Aufstellungen mit Symbolen war verbunden mit einer Differenzierung der Aufstellungsmethode. Das ermöglichte unerwartete Einblicke in die Dynamiken früher Beziehungs-Traumen, sodass neue und wirksame Lösungsstrategien entstanden, welche das Konzept erweiterten.
II.2. Erweiterung des Konzeptes: Das SELBST und seine Differenzierung Das SELBST gehört zur Grundausstattung eines jeden Menschen. Unser Leben haben wir von unseren Eltern. Aber ist es nicht die Erde, die das Leben und damit auch uns hervorgebracht hat, die uns trägt und nährt – bedingungslos? Wenn wir uns dessen bewusst sind, auf diese Weise Teil zu sein eines größeren, schöpferischen Ganzen, dann gibt uns das einen Wert, eine Würde, die unverlierbar und unzerstörbar ist. Das Selbst ist zunächst angelegt als Potential. Wenn Eltern einem Kind ihre bedingungslose Liebe schenken, wenn es erlebt, dass es wert ist, geliebt zu werden – unabhängig von Leistung, dann wird das SELBST „geweckt. Dann kann es wirksam werden und dem Erwachsenen später Orientierung geben. Traumatisierte Eltern sind aufgrund ihres Traumas nicht „bei sich selbst“ und können daher ihrem Kind diese bedingungslose Liebe nicht geben. Im Gegenteil: sie neigen dazu, einzelne Aspekte des SELBST ihres Kindes zu ignorieren oder abzulehnen. Diese Ablehnung kann den kindlich-vitalen Teil des Kindes betreffen: seine Lebendigkeit und seine Bedürfnisse, wahrgenommen und geliebt zu werden. Oder den „erwachsenen“ Teil des Kindes: seine eigene Wahrnehmung und beginnende Fähigkeit, zu eigenem Urteil. Das kann dazu führen, dass das Kind selber diese jeweiligen Aspekte unterdrückt, bzw. abspaltet. Dem entsprechend unterscheiden wir ein Erwachsenes SELBST (ES) und ein kindlich-vitales SELBST (kiS). Bereits Winnicott beobachtete: Wenn das Kind erlebt, dass sein wahres Selbst abgelehnt wird, entwickelt es ein „falsches Selbst“ – orientiert an den Erwartungen der Eltern. Durch die Differenzierung in ES und kiS und deren Symbolisierung durch Klötzchen wurde deutlich, dass es sich bei dem falschen Selbst genauer um ein Überlebensprogramm handelt, um eine Kombination unbewusster, reflexhafter und stereotype Anpassungs-Strategien an die Eltern. Dieses Überlebensprogramm des Kindes kann in der Aufstellung durch Symbole rekonstruiert werden.
So symbolisieren wir Anteile des Kindes • den Fokus (das „Alltags-Ich“) durch einen roten Quader, • die eventuell abgespaltenen Selbst-Anteile: „wahres Selbst“ durch einen gelben, das kindlich-vitale Selbst durch einen grünen Quader, • eigene frühe belastende Erfahrung (Trauma) durch einen roten Würfel.
Dazu kommen weitere Symbole für die Anteile der Eltern: • für die beteiligten Bezugspersonen: blaue Quader, und • für deren Schicksale (deren Traumen): blaue Würfel. • Für das „wahre Selbst“ der Eltern ein schmaler gelber Quader.
II.3. Erweiterung des Aufstellungs-Settings um eine „dritte Dimension“ Mit Hilfe dieser Symbole konnten auch die Anpassungs-Strategien symbolisiert werden. Die Symbole können nicht nur zweidimensional, auf einer Ebene neben einander angeordnet werden. Sie können auch über einander gelegt werden, sodass ein „unten“ und ein „oben“ symbolisch dargestellt werden kann. Die Unterdrückung der vitalen Gefühle und Bedürfnisse durch eine Belastungserfahrung wird symbolisiert durch den liegenden grünen Quader des kiS, dem die Würfel für die eigenen Verletzungen (rot) und für ein Traum der Bezugsperson (blau) „aufgebürdet“ werden. Wenn das Ich (der „Fokus“) des Kindes die eigenen Gefühle verdrängt, und auf eine „höhere Ebene“ geht (Vernunft-Ebene, Parallelwelten), dann wird das Symbol für das Ich auf die beiden Würfel und das darunter liegende kiS gestellt. Der Klient kann die Bedeutung dieser Anordnung nachvollziehen – die Symbole und ihre Anordnung erscheinen als eine „averbale Sprache“! – und er erkennt seine Tendenz, sich für das eigene Trauma und für das der Bezugsperson zuständig zu fühlen, und gleichzeitig seine eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu unterdrücken. Die Position der „höheren Ebene“ kann unterschiedliche Tendenzen beinhalten: • die eigenen „Wahrnehmungsantennen“ nach aussen zu orientieren – statt nach innen. • Kontrolle und Perfektionismus. Damit ist verbunden • Selbst-Überforderung. Die unvermeidbare Erkenntnis dieser Illusion erzeugt • Selbst-Abwertung und Schuldgefühlen führt, sodass • ein brüchiges Selbstwertgefühl entsteht.
II.4. Online-Aufstellungen von bekannten Traumen Das Aufstellungsettings macht dem Klient bisher unbewussten Dynamiken sichtbar (diagnostische Funktion). Er erkennt, dass er das Trauma von damals als Introjektion in seinem inneren Raum so gespeichert hat, dass es heute noch seine Verbindung zum Selbst blockiert. Diese Erkenntnis weckt den Impuls, das Introjekt zu entfernen, um die Mitte des eigenen Raumes wieder frei zu machen für sein Selbst. Dabei lernt er sein bisher unbewusstes „Abgrenzungsverbot“ kennen. Wenn er es wagt, trotz innerer Verbote das Trauma-Introjekt zu entfernen und abzugrenzen, dann wird er „belohnt“ durch die bisher unbekannte Erfahrung von Freiheit durch Selbst-Verbindung. Das Trauma-Introjekt erweist sich als reversibel! Das Aufstellungssetting ermöglicht ihm ein „Probehandeln“. So kann er seine Autonomie durch gezielte Interventionen trainieren (therapeutische Funktion). Heftige Traumen wie Trennung oder Gewalterfahrung sind dem Klienten meist bekannt und können mit dieser Methode behandelt werden. Spürt der Klient nach der Bearbeitung eines bekannten Trauma´s keine Erleichterung, ist es möglich, eine oder mehrere weitere bekannte Traumen zu klären. Nicht immer löst sich dadurch sein Problem.
Daher entwickelten wir ein neues Format:
II.3. Das Format „blockierendes Element“ Ausgehend von unserer Erfahrung, dass ein Trauma-Introjekt die Selbstverbindung blockiert, sodass dadurch noch heute Probleme entstehen, nahmen wir an 1. Wenn der Klient mit seinem Selbst verbunden ist, kann es gar kein ernstes Problem geben. 2. Hat er jetzt ein ernstes Problem, kann das so verstanden werden, dass durch die aktuelle Situation ein ganz bestimmtes altes Trauma getriggert wird, das seine Selbst-Verbindung auf eine Weise blockiert, dass dieses Problem entstehen kann. 3. Gelingt es durch die Aufstellung, dieses blockierende Element zu erkennen und zu benennen, kann es anschließend auf die bewährte Art so bearbeitet werden, dass es nicht mehr getriggert wird: das Problem verschwindet Die Vorgehensweise ist einfach; • der Klient stellt mit Klötzchen sich und seine Selbstanteile auf und dazu einen roten Würfel für das, was seine Selbst-Verbindung gerade blockiert. Legt er jetzt einen Finger auf seinen „Fokus“, kann er spüren, „wie es ihm in dieser Konstellation geht“. • Er entfernt das „blockierende Element“ (BE) aus seinem Raum, grenzt es durch das Symbol einer Grenze ab, und positioniert das BE jenseits dieser Grenze. Legt er jetzt erneut einen Finger auf den „Fokus“, spürt er die Veränderung: meist eine Erleichterung. Gelegentlich aber auch Unsicherheit. Hatte er sich irrtümlich nach diesem Element orientiert? • Als nächstes versucht er mit einem Finger auf dem Würfel (BE) nachzuspüren: spürt er ein Körpergefühl (Schwere, Enge, Druck) oder ein anderes Gefühl? Taucht ein Bild, ein Glaubenssatz, oder eine Person auf? • Meist kommt dann ein eigenes, oder ein übernommenes fremdes Trauma ins Bewusstsein. Erstaunlicherweise ist es so fast immer möglich, das spezifische Trauma zu erkennen und zu benennen, welches für die aktuelle Problematik verantwortlich ist, und es in der gleichen Sitzung zu bearbeiten.
Dieses Format erwies sich als unerwartet hilfreich, da dadurch Traumen ins Bewusstsein geholt wurden, die dem Klienten gar nicht bewusst waren – oder die er nicht mit dem Problem in Verbindung gebracht hätte: zum Beispiel Geburtstraumen oder vorgeburtliche Traumen (Abtreibungsversuch oder Zwillingsverlust). Erstaunlich häufig werden durch dies Format die frühen Beziehungs-Traumen bewusst, zu einem Elternteil, oder – noch komplexer und verwirrender – zu beiden Eltern. Anscheinend werden diese frühen Traumen meist „vergessen“, vielleicht um die Illusion einer „glücklichen Kindheit“ aufrecht zu erhalten? Oder weil sie so verbreitet sind, dass sie für „normal“ gehalten werden? Bisweilen können auch Traumen einer geliebten Bezugsperson, z.B. einer Großmutter, übernommen und so verinnerlicht werden, dass sie die Selbst-Verbindung blockieren, sodass dadurch das Problem entsteht.
Verblüffend war immer wieder, wie die Symptomatik des Klienten, oder die Besonderheiten der aktuellen Situation den Aspekten des damaligen Traumas entsprachen. Wir verstehen das als eine indirekte Bestätigung dafür, dass dieses Trauma tatsächlich für das aktuelle Problem relevant war. Dazu kommt weiter, dass der Lösungsprozess häufig sehr emotional war. Die Wucht der bisher unterdrückten und nun befreiten Gefühle von Schmerz, Verzweiflung Scham, aber auch Wut und Hass war für den Klienten oft überraschend und für ihn – wie auch für uns – sehr bewegend. Dem Klienten ging es nach der Aufstellung meist deutlich besser. Auch im Autonomie-Diagramm zeigte sich eine Veränderung durch die Bearbeitung dieses Traumas. Aufstellungsbeispiel bei YT: Verena, Opa´s Trauma https://youtu.be/i_yrMEYwhYI
III Frühe Beziehungs-Traumen in Online-Aufstellungen
III.1. Psychische Probleme und frühkindliche Traumen Es gibt mehrere Untersuchungen, die nachweisen, dass bei bestimmten psychischen Störungen in der Anamnese statistisch gehäuft frühkindliche Traumen (Gewalt- und Missbrauchs-Erfahrungen) nachzuweisen sind. Für eine ätiologische (an den Ursachen) orientierte Psychotherapie sind diese Daten sehr wertvoll. Denn lange Zeit waren diese Zusammenhänge nicht bewusst, sodass Therapie sich nur an Symptomen bzw. an Diagnosen orientierte. Einmalige und sehr heftige Traumen, wie Trennung oder Erfahrung von Gewalt und sexuellem Missbrauch werden meist erinnert und können nach dem Format „bekanntes Trauma“ bearbeitet werden.
III.2. Subtilere Formen von Beziehungs-Störungen Weit verbreitet ist jedoch eine Belastung des Kindes durch Beziehungen die bestimmt sind von emotionaler Vernachlässigung, Abwertung, Überforderung und emotionalem Missbrauch auf seelischer Ebene. Bisweilen waren diese Belastungen zusätzlich verbunden mit Gewalt-Erfahrung. In der Regel waren die Bezugspersonen selber belastet durch familiäre Traumata („Kriegs-Kinder und -Enkel“). Als weitere Belastung kommt dazu ein immer noch verbreiteter autoritärer Erziehungsstil zu Gehorsam und Leistung. Aber auch ein „antiautoritärer“ Erziehungsstil kann Kinder dadurch überfordern, dass Eltern es nicht wagen, liebevoll klare Grenzen zu setzen, sondern glauben, ihnen alle Entscheidungen überlassen zu müssen. Diese Aspekte finden wir meist kombiniert. Ihre Auswirkungen (Traumafolgestörungen) sind weitgehend identisch, bzw. summieren sich.
Anfangs waren wir davon überrascht, wie häufig diese frühen „Beziehungstraumen“ sind. Die ursächliche Rolle dieser frühen Verletzungen für massive Probleme des Erwachsenen hat sich uns immer wieder bestätigt. Uns scheint, dass sie die Ursache fast aller Selbstwert- und Beziehungs-Probleme der Klienten sind. Auch vielen Klienten ist dieser Zusammenhang zwischen einem akuten Problem (z.B. Angst, Depression, Sucht oder Beziehungskonflikt) und den frühen Beziehungs-Traumata unbekannt. Daher neigen sie dazu, sich selber für die eigenen Probleme verantwortlich oder sogar schuldig zu fühlen. Dadurch wird ihre meist schon vorhandene Selbst-Abwertung noch verstärkt.
Daher erscheint es uns erforderlich, unsere Beobachtungen und Überlegungen zu den frühen Beziehungsstörungen so verständlich darzustellen, dass sie auch von den Betroffenen nachvollzogen werden können.
III.3. Angeborenes Potential – und kindliche Anpassungs-Strategien
Wie oben (II.2) ausgeführt: Das SELBST ist zunächst angelegt als Potential. Wenn Eltern einem Kind ihre bedingungslose Liebe schenken, dann erlebt das Kind, dass es wert ist, geliebt zu werden – unabhängig von Leistung. Wenn das SELBST eines Kindes derart „geweckt“ wird, dann kann es wirksam werden. Und dem Erwachsenen als Orientierung dienen: Selbst-Bestimmung (Autonomie) statt Fremdbestimmung.
In der Realität von heute sind Eltern selber oft belastet durch den Leistungsdruck unserer Gesellschaft, und zusätzlich durch eigene frühe traumatische Beziehungserfahrungen, so sehr, dass sie ihren Kindern nicht immer diese bedingungslose Liebe geben können – trotz bester Absichten. Dann erlebt ein Kind schon sehr früh, dass seine „spontanen Gesten“, seine authentischen Lebens-Äußerungen nicht empathisch wahrgenommen und erwidert werden. Das kann beim Kind Schmerz, Verzweiflung, aber auch Ärger und Wut auslösen. Auch diese „negativen“ Gefühle müssen vom Kind unterdrückt werden, da sie von den Bezugspersonen nicht verständnisvoll wahrgenommen, sondern ignoriert oder abgelehnt werden.
Machtgefälle und Anpassungs-Reflex Zwischen Eltern und Kind besteht ein extremes Machtgefälle. Ein Kind ist zunächst schwach und ohnmächtig. Angewiesen auf die körperliche Fürsorge und seelische Zuwendung der Eltern – lernt es schon früh, diese offensichtlich unerwünschten Lebensäußerungen zu unterdrücken – so als wären sie „falsch“. Stattdessen entwickelt es „Antennen“, um die Erwartungen und Bedürfnisse der Bezugspersonen wahrzunehmen und sich nach diesen zu orientieren. Dazu gehört zum Beispiel Gehorsam und die Bereitschaft, für andere nützlich zu sein. Wenn es auf diese Weise Anerkennung und Zuwendung von den Bezugspersonen bekommt, dann lernt es, sich mit diesen erfolgreichen Strategien zu identifizieren, um sich „richtig“ und wertvoll zu fühlen (extrinsischer Selbstwert). Dies Phänomen hatte bereits Winnikott beobachtet, und als „falsches Selbst“ bezeichnet – im Unterschied zu dem wahre authentischen Selbst, mit seinen „spontanen Gesten“. Offensichtlich handelt es sich bei dieser Anpassung an eine „unfreundliche“ Realität um angeborene unbewusste Strategien des Kindes. Da sie unbewusst erfolgen,und zudem stereotyp und unflexibel sind, können sie als reflexartige entstandene Anpassungs-Programme verstanden werden.
Die Bereitschaft eines Kindes, sich derart anzupassen ist sehr unterschiedlich. Manche sind sehr „sensibel“ – vielleicht bereits durch vorgeburtliche Belastungen geprägt? – andere sind „bockig“, und gelten dann als schwierig. Dann erleben sie bisweilen noch mehr Strenge, bisweilen auch seelische und körperliche Gewalt.
Kindliche Überanpassung – und Anpassungsstörungen des Erwachsenen Zusammenfassend können diese Anpassungs-Strategien beschrieben werden, als Tendenzen, • die eigene Lebendigkeit zu unterdrücken, um sich vor Verletzungen zu schützen, oder die Bezugspersonen zu schonen, oder um für andere wertvoll zu sein, und • und sich nach den Bedürfnissen und Erwartungen anderer zu orientieren, um sich als zugehörig oder sogar als wertvoll für die anderen fühlen zu können. Dies Anpassungsprogramm ist erstaunlich stereotyp und starr. Es ist für das Überleben des Kleinkindes existenziell notwendig. Man nimmt an, dass es daher gespeichert wird in einem Abschnitt des limbischen Systems, den Mandelkernen (Amygdala). Dieser entwicklungsgeschichtlich frühe Anteil des Gehirns steuert auch das instinktive Verhalten und ist dem Bewusstsein nicht zugänglich. Daher der Satz: „Die Amygdala vergisst nichts!“ Das ist der Grund, warum diese starren und stereotypen Überlebensstrategien des Kindes auch das Selbstbild und das Verhalten des Erwachsenen bestimmen, ohne dass ihm dieser Zusammenhang bewusst ist. Er bleibt verhaftet in der emotionalen Realität des hilflosen, abhängigen Kindes, und kann sich nicht auf die veränderte Realität des Erwachsenen einstellen. Diese fixierte Anpassung an die kindliche Realität verhindert eine angemessene Anpassung an die aktuelle Realität. Daher die Diagnose „Anpassungsstörungen“ („maladaptives Verhalten“).
Symbiosemuster Durch diesen fixierten Anpassungsreflex des Kindes neigt auch der Erwachsene zu vorauseilendem Gehorsam und Leistung. Er hat die Einstellung, dass die Ansichten und Bedürfnisse Anderer wichtiger sind, als die eigenen. Statt einer Orientierung am eigenen Selbst, orientiert er sich nach Anderen, nach den „Autoritäten“. Statt einer klaren Wahrnehmung für eigene und fremde Grenzen, nun Verwirrung hinsichtlich eigenem – und fremdem – Raum. Die fehlende Unterscheidung zwischen eigenem – und fremden – Zuständigkeitsbereich hat zur Folge, dass die Betroffenen sich benutzen lassen, für fremde Interessen. Ja sie bieten sich selber dazu an, benutzt zu werden, um sich dadurch wertvoller zu fühlen. Ohne Achtung für sich und für das Gegenüber, ohne Respekt für eigene und fremde Grenzen ist aber eine Ich-Du-Beziehung auf Augenhöhe gar nicht möglich. Stattdessen kennen die Betroffenen nur symbiotische Beziehungen. Bindung entsteht nicht durch gegenseitige Wertschätzung (wahre Liebe) sondern durch Anpassung und Abhängigkeit: sich benutzen lassen und/oder andere zu benutzen. Daher erscheint das Symbiosemuster als Traumafolge, als Kompensation bei einer verhinderten Autonomie-Entwicklung.