Das Problem Die Statistiken zeigen: inzwischen leiden 15 % der Kinder und 20 % der Jugendlichen unter Ängsten, Depressionen, Abhängigkeiten von Drogen oder Social Media – oder entwickeln destruktive Aggressionen, sei es gegen sich selbst oder gegen andere: Mobbing und Amokläufe. Ein entscheidender ursächlicher Aspekt Die Ursache sehe ich als Traumatherapeut in einer unzureichenden frühen Selbstwert-Entwicklung durch • den Leistungsdruck unserer Gesellschaft, kombiniert mit • familiären Traumata, bedingt unter anderem durch zwei Kriege. • Der Krieg in der Ukraine triggert diese alten Kriegstrauma. • Die Corona-Pandemie mit ihren Kontakteinschränkungen kam als weitere Belastung dazu.
Alle diese Faktoren, einzeln oder meistens kombiniert können bewirken, dass ein Kind in seinen ersten prägenden Beziehungen nicht die Erfahrung machen konnte
DASS ES DAS RECHT HAT AUF EINE EIGENE LEBENSPERSPEKTIVE-DIE ANDERS SEIN DARF ALS DIE SEINER ELTERN! Und dass es sich daher gesund von seinen Eltern abgrenzen darf! Da es wertvoll ist, da es liebenswert ist, so wie es ist.
Statt eines gesunden Selbstbewusstseins entwickelt es Anpassungs-Strategien, um die emotionale und physische Zuwendung der Bezugspersonen zu bekommen, auf die es existenziell angewiesen ist. Daher neigt es dazu, alles spontane, vitale, kreative zu unterdrücken, was die bereits belasteten Eltern zusätzlich überfordern würde. Gleichzeitig entwickelt es eine „spezialisierte Wahrnehmung“ für die Bedürfnisse, Gefühle und Ansichten seiner Bezugspersonen, um sich mehr danach zu orientieren, als nach den eigenen Bedürfnissen: sie neigen zu Perfektionismus, zu Selbst-Überforderung und sind gefährdet durch Ängste, durch Jugendlichen-Burnout, oder Depression.
Andere verweigern sich, flüchten sich in Parallelwelten oder betäuben ihren Schmerz durch Drogen, oder suchen Ersatz in Computerspielen, Social Media.
Das unbewusste Abgrenzungsverbot Durch Systemaufstellungen mit Symbolen wird eine gemeinsame Dynamik hinter diesen Symptomen deutlich: Wenn ein Kind nicht erlebt, dass seine Eltern ihm das Recht auf eine eigene Lebensperspektive zugestehen, die anders sein kann als die der Eltern, dann kann daraus ein unbewusstes Abgrenzungsverbot entstehen. Ohne Selbstwertgefühl haben die Betroffenen nicht das Bewusstsein, sich gesund gegenüber Anderen abgrenzen zu dürfen. Sie konnten nicht lernen, ihre eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu schützen! Sie konnten aber auch nicht lernen, fremde Grenzen wahrzunehmen und zu respektieren. Sie neigen dazu, sich in fremden Räumen zuständig zu fühlen – und lassen sich benutzen. Sie überlassen ihren inneren Raum fremden Personen und übernehmen deren Überzeugungen. Daher haben sie keinen inneren geschützten Raum, indem sie sich selber spüren können, als gut und richtig, so wie sie von Natur aus sind.
DAHER KANN EIN GEZIELTES ABGRENZUNGS-TRAINING DIESE UNBEWUSSTEN VERBOTE AUFLÖSEN- UND SO DIE RESILIENZ STEIGERN!
Ablauf des Resilienztrainings Folgende Vorgehensweise hat sich bewährt. 1. Das Problem Ein Schüler nennt ein aktuelles Problem, das ihn belastet: ein schwieriger Lehrer, ein unangenehmes Schulfach, oder ein unfreundlicher Mitschüler.
2. Das Aufstellungsbild Dann bestimmt er je einen Stellvertreter für das „Problem“ und für sein „Selbstwertgefühl“ (sozusagen für sein „Selbst“) und stellt diese Element so in Beziehung zu sich selber auf, wie es seinem (Körper-) Gefühl entspricht.
3. Gibt es eine Grenze? Meist steht ihm das Problem näher, als sein eigenes Selbst. Dadurch kann er selber erkennen, dass ihm bisher die Distanz (Abgrenzung) zu diesem Problem gefehlt hat. Und er versteht, warum das Problem ihm Sorgen und Angst gemacht hat.
4. Das Problem auf eine gesunde Distanz bringen Jetzt kann er das Problem in eine gesunde Distanz zu sich bringen und ein Symbol für eine Grenze zwischen sich und das Problem stellen, sodass sein eigener Raum sichtbar wird, in dem er sicher mit seinem Selbst verbunden sein kann. Er spürt sofort, wie er sich dadurch leichter und freier fühlt. Er erkennt, dass dieser eigene Raum und die Verbindung mit seinem Selbst für sein Wohlbefinden entscheidend ist. Jetzt kann er auch entspannt und angstfreier auf sein Problem blicken – das ja immer noch da ist, aber ihm nicht mehr bedrängt. Jetzt kann er selber erkennen, dass er ein RECHT darauf hat, seinen eigenen Raum IN BESITZ zu nehmen. DAS STÄRKT SOFORT SEIN SELBSTWERTGEFÜHL!
5. Das Problem aktiv abgrenzen Als nächstes versucht sein Problem, seine Grenze zu überschreiten und ihm wieder „zu bedrängen“. Das kennt er, das war seine bisherige Situation. Im Bewusstsein, dass er das RECHT dazu hat, seinen Raum zu schützen und das Problem auf Distanz zu halten, kann er nun das Problem entschieden aus seinem Raum entfernen. Das kann sich zunächst wie VERBOTEN anfühlen: sein erlerntes Abgrenzungsverbot. Wenn er sich jetzt entscheidet, dies „Verbot zu ignorieren, dann kann er das Problem entschieden aus seinem Raum schieben. Ist das VERBOT sehr stark, dann ist es hilfreich, diesen Schritt mehrmals zu wiederholen. Und bei jeder Wiederholung spürt er, wie befreiend das ist, seine Kraft konstruktiv FÜR SICH einzusetzen.
6. „Gegenprobe“ Als nächstes verlässt er seinen Raum, überschreitet die Grenze und stellt sich neben das Problem, in dessen Raum! Wie fühlt es sich an, sich so mit diesem Problem zu „identifizieren“? Ist ihm dieses Gefühl vielleicht sogar vertraut? So als gehöre es zu seiner Identität? Wenn das so ist, erfolgt jetzt die
7. Gegenabgrenzung Jetzt versucht der Schüler – aus „alter Gewohnheit“ – wieder in den Raum seines Problems zu gehen, und erlebt jetzt, wie er an der Grenze gestoppt wird. Entweder stoppt ihn das „Problem“- wenn es eine Person ist, die ihre eigene Grenze ihm gegenüber stoppen darf! Oder der Stellvertreter seines eigenen Selbst stoppt ihn kraftvoll. Wenn jemand glaubte die Pflicht, oder das Recht zu haben, in fremden Räumen sich „zuhause“ zu fühlen, dann kann sich diese Abgrenzung sehr verletzend oder kränkend anfühlen. Ums wichtiger ist dann diese Erfahrung: wenn ich selber das Recht habe, mein eigenes Territorium gegenüber anderen zu schützen – wie ein „Tiger“ – dann hat auch das Gegenüber das gleiche Recht. So ist das, nicht nur zwischen Tigern!
8. Recht auf eine eigene Lebensperspektive Wenn ein Schüler massive Widerstände beim Resilienztraining hat, z.B. wenn er sich irrtümlich mit seinem Problem identifiziert, dann kann das bedeuten, dass er unbewusst die „Lebensperspektive“ eines Elternteils übernimmt, welches ähnlich identifiziert ist z.B. mit seinem Beruf. Diese „illusionäre Loyalitätsfalle“ lässt sich erstaunlich leicht lösen, wenn er die übernommene Lebensperspektive symbolisiert-z.B. durch ein blaues Dreieck („fremder Hut“). Dann legt er diesen „frendeb“ Hut auf sein Selbst - und spürt, ob ihm das Gefühl bekannt ist, diese fremde Lebensperspektive (eines Elternteils oder eines Lehrers?) zu übernehmen-als sei es die Eigene. Wenn ihm das bekannt vorkommt, dann kann er ein Symbol wählen für seine „eigene Lebensperspektive“- z.B. ein rotes Dreieck („eigener Hut“) - und spüren, was sich beim Resilienztraining ändert, wenn sein „Selbst“ seinen eigenen „Hut“ hat, die eigene Lebensperspektive!
SUMMA Dies Resilienz-Training ist sehr verdichtet - wie ein Rollenspiel. Es kann mit Symbolen in einer Einzelsitzung durchgeführt werden.
Dieses Resilienztraining ist einfach. Es ist keine Therapie, und es kann Therapie nicht ersetzen. Daher erfordert es keine therapeutische Ausbildung. Informierte Lehrer und Eltern können es durchführen- und stärken dadurch sogar ihre eigene Resilienz! Es ist eher eine Form von Psychoedukation und es kann als sehr effiziente Prophylaxe gegen psychische Störungen verstanden werden.
FALLBEISPIEL (aus einem Autonomie-Training an einer Realschule 2012, damals mit Teilnehmern als Stellvertretern)
Anliegen Dieter (12 Jahre alter Schüler) Dieter hat Probleme mit Mathe. Obwohl ihm Mathe liegt, hat er oft einen Widerwillen gegen Mathe. Frei (mit sich Selbst verbunden) fühlt er sich, wenn er Basketball spielt.
Aufstellungsbild: D stellt Mitschüler als Repräsentanten auf D. steht rechts neben Mathe. Beide schauen auf das weit entfernte S (Basketball). S (Basketball) schaut zurück.
Aufstellungsprozess Tr: Das Problem ist zu dicht bei dir, es fehlt der gesunde Abstand, dann geht das Lernen nicht gut. Tr. legt einen Schal zwischen D und M als Symbol für Grenze. D geht’s gleich besser. Tr. lässt D testen, wie es ihm am Platz von M geht. Da geht’s im gar nicht gut, nur Druck. Das kennt er. Tr. Das ist auch nicht dein Platz! Das bist du ja gar nicht, du kannst da aussteigen! D steigt aus und spricht die Sätze nach: Du bist du und ich bin D, ich bin vollständig auch ohne dich. Tr. Der Druck, das Schwere, das nicht zu dir gehört, kannst du bei Mathe lassen!... D gibt das symbolisiert durch einen Rucksack an M. D: Fühle mich freier. Tr. Jetzt schau mal, ob du nicht mehr Verbindung mit deinem „freien Selbst“ ( Basketball) haben möchtest? Oder ist es gefährlich für dich? D geht zu S: Ja das ist schon gefährlich! Vielleicht mach ich dann nur noch Basketball und gar nicht mehr Mathe! Tr: Das ist ein Irrtum, im Gegenteil, wenn du Spass mit Basketball hast und dich dann der Mathematik zuwendest, dann ist Mathe nicht mehr so übermächtig. D verbindet sich mit S (Basketballspielen). Mit S an seiner Seite wendet er sich Mathe zu. D: „Jetzt geht es mir mit M gut!“ Tr: Du brauchst Mathe gegenüber Abstand, eine unsichtbare Grenze, damit du deinen eigenen Raum hast, in dem du mit dir selber verbunden sein kannst, dem was zu dir gehört. Das ist der D -Raum, und wenn da D drauf steht, sollte auch nur D drin sein – und nicht Mathe! Kannst du Mathe auf gesunden Abstand halten? Mathe ist ja wichtig, es ist nicht böse oder wertlos, aber es ist effektiv nicht D! D versucht Mathe auf gesunde Distanz zu halten, erst zaghaft – so als wäre es verboten – dann immer entschiedener.
Am Schluss steht er Mathe strahlend gegenüber, sein Selbst an seiner Seite.
Autonomie-Diagramm zeigt Zunahme der Werte für Abgrenzung und Integration aggressiver Impulse.
Kommentar Lz: Aufstellungsbild und -Verlauf sind typisch für eine Dynamik, wie man sie ähnlich auch bei Burnout findet: D hat wenig Distanz zu Mathe, weil er selbst es zu wichtig nimmt, oder weil andere es ihm „nahe legen“! DIE ÜBERGESTÜLPTE LEBENSPERSPEKTIVE SENER ELTERN UND LEHRER? Infolge fehlender Distanz nimmt „die Arbeit“ soviel von seinem inneren Raum ein, dass für das „freie Selbst“ - für die eigensten Bedürfnisse, für das, was ihm Freude macht, kein Platz mehr ist. Das hat typische Folgen. • Diese „Überidentifizierung“ mit der Arbeit schlägt um in eine „Überabgrenzung“: der Betroffene verliert die Freude an der Arbeit, entwickelt Widerwillen, Abneigung gegen die Arbeit. • Fatal: jetzt kann er sich auch nicht mehr unbeschwert dem zuwenden, was ihm Freude macht, so als sei das dann auch nicht mehr erlaubt!(„Erst das Vergnügen, dann das Spiel!“ • Noch Fataler: Das verstärkt seinen Widerwillen gegen Mathe, so als sei Mathe daran schuld, dass er weniger Lust an Basketball hat!
Diese verzwickte Dynamik führt dazu, dass der Betroffene sowohl die Arbeit, als auch das, was ihm Freude macht, verpasst! Statt zu arbeiten oder seinem Hobby nachzugehen, vertrödelt er die Zeit, ist gefährdet durch Sucht: PC-Spiele, Drogen etc.
Durch das Training konnte D mehr Distanz zu Mathe bekommen. Dadurch gelang es ihm wieder, mit dem Selbstanteil Verbindung zu bekommen, der Freude erleben darf. So gestärkt, kann er sich mit einer anderen Distanz der Mathematik zuwenden. Das zeigt sich auch eindrucksvoll im Autonomie-Diagramm: nach dem Training sind die Aspekte A (Abgrenzung), B (Verbindung mit dem Eigenen), C (Integration der „gesunden Aggression“) verbessert, F ( „zerstörerische Aggression“) ist vermindert. Das Autonomie-Profil ist grösser und runder geworden.
Abschließendes Feedback der SchülerInnen Wir haben ca. 2012 mit zwei Realschulklassen gearbeitet, 12-14-jährigen SchülerInnen. Die Klasse wurde aufgeteilt in Gruppen von 4-6 SchülerInnen. Das waren typische Rückmeldungen:
• „Man kann so ziemlich alles lösen mit dieser Methode.“
• „Man kann sich gut abschirmen.“
• „Alle waren sehr nett. Die Methode mit dem Aufstellen ist sehr schön, weil man sich besser in den anderen hineinversetzen kann.“
• „Die Lehrkräfte sollten auch dieses Training machen.“
• „Das Training ist empfehlenswert, wie man schlechte Gedanken los wird und Probleme mit Abstand sehen kann.“
• „Die Methode ist nützlich, weil man die Lage des anderen auch viel besser sieht und seine Probleme versteht.“
• „Man spürt, wie mit der Grenze die Kraft in einem aufsteigt und dass man den anderen respektiert.“
• „Die Größe der Gruppe ist sehr gut. Es ist doof, dass die Lehrer rein und raus sind.“ (Unruhe)
• „Die Lehrer sollten draußen bleiben. Die ganze Sache soll lehrerfrei bleiben.“
• „Die ganze Klasse wäre nicht gut gewesen. Je größer die Gruppe, desto lauter ist es.“
• „Es ist besser, wenn die Gruppe kleiner ist, weil jeder mehr Zeit hat für seine Probleme.“
Anmerkung 16.8.25: Damals arbeitete ich mit Ausbildungsteilnehmern, die sich als "Trainer" an dieser Studie beteiligten. Das ist mir heute nicht mehr möglich. Daher plane ich einen Thementag "Resilienz durch Abgrenzungstraining" für Interessierte, am 13.9.25 für Eltern, Lehrer, aber auch andere, die diese Methode in ihrem Bekanntenkreis anwenden möchten.