Hanna, eine 55-jährige Pädagogin, geschieden, 2 Kinder, ist seit 10 Jahren in 2. Ehe mit Klaus verheiratet. Dessen Tochter Amelie aus erster Ehe kommt mit ihrem Leben nicht zurecht, hängt sich an ihren Vater, ruft häufig an. Ihr wird das zunehmend unangenehm und sie hat einen regelrechten Hass auf ihre „Stieftochter“ entwickelt, der nun auch die Beziehung zu ihrem Mann belastet.
Im Autonomiediagramm zeigt sich eine deutliche Minderung in A Abgrenzung und erhebliche Erhöhung der Symbioseaspekte E Dominanz und F Selbstdestruktion.
Beziehungsklärung zur Stieftochter Als ich ihr einen Stuhl als Repräsentanten für die Stieftochter gegenüber stelle gerät sie schon ausser sich. Es fühlt sich wie Trauma an und ich nehme den Stuhl wieder weg, Sie soll zunächst Stühle als Repräsentanten für ihre Selbstanteile aufstellen, so als stünde die Stieftochter bereits in 8 Meter Entfernung vor ihr. Beide Selbstanteile stehen weit entfernt. Ich sage ihr: so getrennt von dem was sie eigentlich sein könnten, bleibt nur der Teil von ihnen übrig, der funktioniert. Das reicht vielleicht fürs überleben, aber Leben sollte etwas anderes sein. Dem kann sie sofort zustimmen.
Annäherung an die eigenen Selbstanteile Ihre Kindheit war hart, beide Selbstanteile waren nicht erwünscht. Abhängig von der Zuwendung der Eltern „lernte“ sie, selber diese Anteile abzulehnen. Abgrenzung und eigener Raum waren ebenfalls nicht erwünscht. Also blieb ihr nur übrig, sich in fremden Räumen zu engagieren um so etwas wie eine Lebensberechtigung zu erwerben. Durch die Vermittlung des Therapeuten - „wie bei einer Mediation“ - gelang es ihr, sich ihren beiden Selbstanteilen zu nähern und schliesslich mit ihnen zu verschmelzen. Das fühlte sich neu und ungewohnt aber sehr gut an.
Beziehung zur Stieftochter Nun konnte sie gelassen auf ihre Stieftochter schauen. Die Überprüfung ergab, dass sie geglaubt hatte mehrere Rollen in deren Raum übernehmen zu müssen: die bessere Mutter, ihr Selbst und schliesslich auch die Rolle des Lotsen auf ihrem Boot. Sie konnte aus diesen Rollen „aussteigen“, sich mit ihren Selbstanteilen verbinden und ihren Raum symbolisch gegenüber der Stieftochter abgrenzen.
Kommentar Nach diesem Prozess – er dauerte 35 Minuten - war jeder Hass verschwunden, sie hatte sogar ein gewisses Mitgefühl mit ihrer Stieftochter. Dies ist ein eindrucksvolles Beispiel für die bekannte Dynamik, dass - bei fehlender Abgrenzung – die Überanpassung (Verschmelzung) mit dem Gegenüber in Überabgrenzung umschlagen kann, dass (symbiotische Pseudo-) „Liebe“ sich in Hass verwandelt. Und dass durch ein gelungenes Abgrenzungstraining der Hass aufgelöst werden kann.