Eine Kollegin fragt mich - und meine Antwort dazu in kursiv: Ich habe noch eine sehr zentrale Frage, die sich mir beim Protokollieren immer wieder aufdrängt. Du weißt, dass ich in der Flüchtlingshilfe tätig bin und engen Kontakt zu einer syrischen Familie habe. Hier erlebe ich es so, dass jeder einzelne in der Familie sich nur vollständig fühlt, wenn er / sie sich als ein Teil des Familiensystems empfindet. Das heißt, Entscheidungen etc. trifft nicht das Individuum, sondern die Familie. Das Individuum unterstellt sich wie selbstverständlich dem Willen der Familie. Und ich habe dabei überhaupt nicht den Eindruck, dass sie sich dadurch abhängig fühlen. Und dass sie ambivalente Gefühle dabei haben. Sie sind stolz darauf, Teil der Familie zu sein und sie unterstellen ihren eigenen Willen in jedem Fall dem Familienwillen und das ist völlig normal für sie und freiwillig. So und nur so fühlen sie sich wohl. Uns Westeuropäern ist solch ein Verhalten völlig fremd und im Sinne der Systemischen Selbstintegration gesprochen wäre das ausgesprochen symbiotisch. Das hast du sehr gut beschrieben. Das nenne ich eine kollektive Symbiose. Und das ist nicht immer Folge traumatischer Erfahrungen des Systems. Ich sehe das auch bei uns in "archaischen" Familien, besonders in bäuerlichen Familien. Da steht z.B. der Hof ganz im Zentrum, er ist die Grundlage des gemeinsamen Lebens und dem ordnet sich alles unter. Mehr dazu unter http://www.e-r-langlotz.de/systemische_f...=490&textrub=31 Nur, Ero: diese Menschen haben überhaupt - und ich betone -überhaupt- kein Problem damit, sich dem Familienwillen unterzuordnen. Da steht jeder für jeden ein. Das macht sie sogar stark im Familienverbund. Diese Familien sind so stark - und aus meiner Sicht auch gesund - das kann ich spüren. Wie - bitteschön - gehe ich in einem solchen Fall um? Vor allem dann, wenn es in diesem Zusammenhang um das Auflösen von traumatischen Erlebnisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht geht ? 1. Auch ich sehe, dass in manchen Gesellschaften kollektive Symbiose sehr verbreitet ist, z.B. in Griechenland oder Italien. Es scheint, dass in unserem zentraleuropäischem Bewusstsein die Möglichkeit zur Individuation mehr entwickelt ist, zumindest als Ideal - selbst wenn sie nur selten gelebt wird. 2. Wenn wir mit solchen Fragen konfrontiert sind, dann müssen wir experimentieren. Eventuell brauchen wir einen Repräsentanten für ein "kollektives Selbst", um zu sehen, ob und wie die Verbindung zu diesem kollektiven Selbst durch Trauma verändert ist. Und für die Lösung müssen wir spüren und experimentieren, ob und wie Abgrenzung gelingen kann. Nach meiner Vermutung gibt es in solchen Kollektiven das Phänomen einer kollektiven Abgrenzung gegenüber dem Fremden. Ich finde das Thema sehr spannend.
MEINE FRAGE AN ALLE KOLLEGEN: Wer war schon mit diesem Thema befasst sind und kann sich bei Diskussion und Forschung beteiligen? Was sind Eure Erfahrungen?