INSTITUT FÜR SELBST-INTEGRIERENDE TRAUMA-AUFSTELLUNGEN (SITA) LANGLOTZ/KUTZELMANN
STRUKTUR-TRAINING ALS THERAPIE
EINFÜHRUNG: Kapitän auf dem eigenen Boot Um sein Leben autonom, d.h. nach eigenen Überzeugungen führen zu können, als Kapitän auf dem eigenen Boot, muss man sich bewusst sein, dass man selber Kapitän ist, das heisst dass man selber den Kurs bestimmt – und nicht jemand anderer . Und dass man ein eigenes Boot besitzt und dass man alleine auf diesem Boot zuständig ist, und sonst niemand. Und dass man auf fremden Booten nicht zuständig ist.
Die Vielzahl der Probleme unserer Klient*innen . . . Die Probleme unserer Klient*innen lassen sich darauf zurück führen, • dass sie sich nicht bewusst sind dass sie ein eigenes, unverlierbares und unzerstörbares SELBST besitzen. • dass sie sich mehr für fremde Probleme zuständig fühlen – statt für die eigenen. • dass sie sich mehr nach den Bedürfnissen und Ansichten anderer orientieren – als nach den eigenen. • dass sie sich in die Angelegenheiten anderer einmischen. • dass sie ihre gesunde Kraft nicht für sich einsetzen, sondern destruktiv gegen sich selber und gegen andere richten. • dass sie schmerzliche Ereignisse der Vergangenheit (Verlust, Erfahrung von seelischer und körperlicher Gewalt) nicht als etwas Vergangenes abspeichern können, sodass diese heute noch ihr Lebensgefühl und ihre Wahrnehmung bestimmen können.
. . . haben eine gemeinsame Ursache: Erst das Bewusstsein eines eigenen SELBST ermöglicht den Betroffenen die sichere Unterscheidung • zwischen Ich – und Du, • zwischen Eigenem – und Fremden, • zwischen eigener – und fremder Zuständigkeit, • zwischen dem Heute – und dem Vorgestern.
Ohne diese sichere Unterscheidung aber können sie keine Grenzen wahrnehmen und respektieren, zwischen Eigenem – und Fremden, zwischen Gegenwart – und Vergangenheit. Ohne Grenzen können keine unterschiedlichen Räume entstehen: Mein Boot – und dein Boot, Gegenwart – und Vergangenheit.
STRUKTUR Diese Elemente Bewusstsein eines SELBST, Unterscheidung, Grenzen und Räume ergeben zusammen das, was wir STRUKTUR nennen. Struktur ist unbewusst und unsichtbar. Aber wir brauchen sie, um unser Leben selbstbestimmt – autonom – leben zu können, als Kapitän auf dem eigenen Boot. Erst Struktur erlaubt es uns, unsere Kraft gerichtet einsetzen zu können, für uns – statt gegen uns oder gegen andere.
1. EIN SYSTEMISCHES* MODELL VON STRUKTUR
* Geprägt durch meine Ausbildung zum Arzt, orientiert sich mein Verständnis von Systemischer Selbstregulation im psychischen Bereich weniger an konstruktivistischen Theoremen sondern an Modellen von Selbstregulation, die sich z.B. bei der Beschreibung von physiologischen Herz-Kreislaufregulationen oder von hormonellen Regulationsmechanismen des Stoffwechsels bewährt haben.
1. 1. STRUKTUR setzt ein bestimmtes Bewusstsein voraus: ein eigenes SELBST zu besitzen. Das ermöglicht die folgende Fähigkeiten, • zu unterscheiden zwischen Eigenem – und Fremden, und • zu unterscheiden zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Das ist die Voraussetzung, um • eigene Grenzen wahrzunehmen und zu schützen, • fremde Grenzen wahrzunehmen und zu respektieren – ohne Kränkung. • Die Kraft (Aggression) gesund für sich einzusetzen (z.B. Wahrnehmen und Aufrechterhalten von Grenzen) – statt gegen sich und gegen andere.
1. 2. STRUKTUR entfaltet sich in vier Dimensionen: • 1. und 2. Dimension: Länge und Breite • 3. Dimension: die „höhere Ebene“ , Überlegenheit - oder Unterlegenheit. • 4. Dimension: die Achse Gegenwart – Vergangenheit.
1. 3. STRUKTUR schafft Grenzen: • zwischen Eigenem – und Fremden, • zwischen Gegenwart – und Vergangenheit
1. 4. STRUKTUR eröffnet Räume: • den eigenen Raum, hier und jetzt, • die Räume der anderen, • die Räume der Vergangenheit.
1. 5. STRUKTUR und SELBST-Verbindung (Autonomie) Die Wahrnehmung und das Aufrechterhalten eines eigenen Raumes ist Voraussetzung für Verbindung mit dem eigenen Potential: mit einer eigenständigen Wahrnehmung, mit den eigenen Bedürfnissen und Überzeugungen, mit Fantasie und Kreativität, kurz mit dem SELBST. Das ermöglicht Autonomie, SELBST- Bestimmung statt FREMD-Bestimmung. Das Bewusstsein für ein eigenes Selbst ist also zugleich die Voraussetzung für die Entwicklung von Struktur und das Ergebnis dieser Entwicklung.
1. 6. STRUKTUR einer Person kann entstehen, wenn sie schon als Kind die Erfahrung macht, • von ihren Bezugspersonen (Eltern) als einzigartig und liebenswert wahrgenommen zu werden, so wie sie ist, unabhängig von Leistung oder Gehorsam. (Selbstwert). Wenn sie dabei unterstützt wird, • die eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu schützen und • fremde Grenzen wahrzunehmen und zu respektieren.
1. 7. STRUKTUR und BELASTENDE ERFAHRUNGEN Belastende Erfahrungen wie Verletzungen, Vernachlässigung, Verlust gehören zum Leben dazu. Wenn die betroffene Person bereits ein Selbstwertgefühl und eine eigene Struktur entwickelt hat, dann kann sie diese Belastungen verarbeiten. Sie kann die Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremden überprüfen und das als Ich-fremd und vergangen abspeichern was vorbei ist und nicht zur eigenen Identität gehört. Dadurch wird ihr Selbstwert und ihre Struktur gestärkt.
1. 8. STRUKTUR und TRAUMA Ist die belastende Erfahrung jedoch zu schwerwiegend, bzw. das Selbstwertgefühl und die Struktur nicht ausreichend entwickelt, dann wird aus der belastenden Erfahrung ein TRAUMA. Es kann nicht als etwas Vergangenes und Ich-fremdes abgespeichert werden, sondern es wird fehlgespeichert als etwas, was hier und heute zur eigenen Identität gehört, und was daher auch durch bestimmte Auslöser wieder getriggert werden kann. Dadurch werden sowohl Struktur als auch Selbstverbindung und Selbstwert geschwächt.
1. 9. FRÜHES BEZIEHUNGSTRAUMA und STRUKTUR Wenn schon die ersten Beziehungen einer Person durch seelische Verletzungen (emotionales Verlassenwerden, Abwertung, Überforderung) bestimmt sind, dann kann diese Person kein Bewusstsein eines eigenen wahren Selbst (Selbstwertgefühl) und keine Struktur entwickeln. Um in diesem Umfeld überleben zu können, identifiziert sie sich eher mit den Überforderungen und entwickelt ein falsches Größen-Selbst mit Tendenz zu Perfektionismus und zu Kontrollzwang. So fühlt sie sich zwar den anderen – aber auch dem eigenen wahren Selbst – gegenüber überlegen (3. Struktur-Dimension). Aber das unvermeidbare Scheitern an den eigenen überhöhten Maßstäben verstärkt die Abwertung des eigenen wahren („unspektakulären“) Selbst. Diese Größenfantasien haben immerhin als illusionäres Selbst ein Überleben ermöglicht. Aber da sie gekoppelt sind an das Trauma-Introjekt und an die Introjekte der Bezugspersonen und deren Traumata, halten sie diese Ich-fremden Elemente im eigenen Raum präsent. Dieses Konglomerat an unverdaulichen Introjekten wirkt wie ein Stressor und blockiert unbewusst die Verbindung zum eigenen wahren Selbst, und verstärkt die bereits bestehende Selbst-Abwertung. Ein Ausweg aus dieser Falle erscheint unmöglich: das ist das Dilemma der narzisstischen Störung. Dazu mein Beitrag im Forum: BEZIEHUNGS-TRAUMA UND DAS NARZISSTISCHE DILEMMA
1. 10. STRUKTUR – RESILIENZ und VULNERABILITÄT Je besser die Struktur entwickelt ist, desto besser kann die betreffende Person Belastungen verarbeiten. Das heißt desto besser ist ihre RESILIENZ. Je mehr die Struktur jedoch geschwächt ist, z.B. durch ein Trauma, umso geringer ist die Resilienz, bzw. umso grösser ist die Vulnerabiltät, das heißt das Risiko, weitere Belastungen fehlzuspeichern. Das wirkt selbstverstärkend wie ein Teufelskreis. Struktur ist also die entscheidende Voraussetzung für ein Selbst-bestimmtes Leben und für Resilienz. ABER: Struktur ist unbewusst und sie ist unsichtbar! Daraus ergibt sich die entscheidende Frage:
2. WIE KANN STRUKTUR BEWUSST GEMACHT UND SICHTBAR GEMACHT WERDEN???
2. 1. STRUKTUR und Autonomie-DIAGRAMM Die Ausprägung oder der Mangel an STRUKTUR kann gemessen werden mit dem Autonomie-Fragebogen und dem daraus erstellten Diagramm. Das sechsstrahlige Diagramm misst die unterschiedlichen Aspekte von vorhandener Struktur (Autonomie, A-C) und fehlender Struktur (Symbiosemodus D-F). Es zeigt die • Ausprägung der Fähigkeit zur Abgrenzung (A) – und einer kompensatorischen Tendenz zur Überabgrenzung (D), • die Ausprägung der Selbstverbindung (B) – bzw. eine Tendenz zum Überschreiten fremder Grenzen (E) und schließlich die Fähigkeit zur Integration des aggressiven Potentials (C) – bzw. eine Tendenz, Aggression destruktiv gegen sich und andere zu richten (F).
2. 2. STRUKTUR und SYSTEMAUFSTELLUNG Die Ausprägung – oder das Fehlen – von Struktur kann durch das Aufstellungsbild überprüft werden. Stellt eine Person ihr Selbst und eine belastende Erfahrung auf, dann macht die Aufstellung sichtbar und bewusst, • ob die belastende Erfahrung abgespeichert werden konnte als etwas Vergangenes und Ich-fremdes (Struktur) oder • ob sie fehlgespeichert wurde als Trauma-Introjekt, das hier und heute zur Identität gehört, sodass die Selbstverbindung und die Struktur dadurch beeinträchtigt wurden.
Systemaufstellung ist daher ein hervorragendes diagnostisches Instrument, um • Struktur sichtbar zu machen, den Zusammenhang zwischen Trauma und Struktur zu untersuchen.
3. WIE KANN STRUKTUR GEZIELT TRAINIERT WERDEN?
3.1. STRUKTUR-Training durch Systemaufstellung. Systemaufstellungen sind nicht nur ein diagnostisches sondern auch ein hervorragendes therapeutisches Instrument: Sie erlauben Interventionen, um die Unterscheidung, die Wahrnehmung und das Aufrechterhalten von Grenzen zu üben. So wird Struktur gezielt gestärkt sodass auch fehlgespeicherte Introjekte als solche erkannt und entfernt werden können, dass SELBST-Verbindung wieder gelingt. Diese Vorgehensweise erscheint manchen vielleicht als „trocken“, aber sie löst heftige Emotionen aus. Alte Blockaden können gelöst werden und die dadurch mögliche Befreiung ist sofort emotional – und körperlich – spürbar: Die Augen strahlen, die Haltung richtet sich auf, die Stimme wird kraftvoller.
3.2. STRUKTUR- Training als Traumatherapie Diese Struktur-stärkenden Aufstellungen erweisen sich als eine sehr wirksame Traumatherapie. Durch die Fokussierung auf die Struktur erweisen sich das Trauma und die Trauma-Inhalte als irrelevant. Sie müssen nicht noch einmal „durchlebt“ werden, sondern können abgespeichert werden als etwas das überlebt wurde und das schon lange vorbei ist. Das ermöglicht eine „minimal invasive und schonende Traumatherapie“.
3. 3. STRUKTUR und REKONSOLIDIERUNG Das Gedächtnis behält bis ins hohe Alter die Fähigkeit der Rekonsolidierung, das heißt die Fähigkeit, fehlgespeicherte Traumata so zu löschen, dass sie hier und heute keine Wirkung mehr haben. (Ausführlich dargestellt und durch Zitate belegt bei Hensel, „Stressorbasierte Psychotherapie“). Allerdings erfordert dies einen genau beschreibbaren Lösungsprozess („Algorithmus“) welcher folgende Elemente beinhaltet: • (symbolische) Aktivierung des Traumas, • Aktivierung einer Ressource, • gleichzeitige („bifokale“) Wahrnehmung beider Elemente mit der • Möglichkeit der Unterscheidung zwischen beiden („Desidentifikation“), und der • Möglichkeit der Entscheidung für die Ressource und gegen das Trauma („Distraction“).
Diese Elemente einer Rekonsolidierung sind im Konzept eines systemischen Struktur-Trainings enthalten. (Hensel selbst erwähnt den Zusammenhang zur Struktur nicht) Oder umgekehrt formuliert: Das hier beschriebene Struktur-Training erfüllt nicht nur die Kriterien einer wirksamen Rekonsolidierung sondern geht mit seinem Lösungs-algorithmus noch darüber hinaus. Und es beschreibt diese Phänomene in dem umfassenderen, größeren Rahmen eines systemischen* Struktur-Konzeptes der menschlichen Psyche.
3. 4. Struktur-Training durch Online-Aufstellung mit Figuren Bedingt durch die Corona-Pandemie sind live-Aufstellungen einzeln oder in der Gruppe obsolet. So war ich gezwungen, auf Online-Aufstellungen mit Figuren umzustellen. Zu meiner großen Überraschung stellte sich heraus, dass diese Online-Aufstellungen mit Figuren sehr viel tiefere Lösungsprozesse ermöglichte!
Wie lässt sich das erklären? • Die „live-Aufstellungen“ in einer fremden Umgebung mit fremden Menschen belasten gerade traumatisierte und daher wenig abgegrenzte Klient*innen durch unbekannte und heftige äußere Reize, sodass sie sich nur schwer auf sich und ihren Prozess konzentrieren können. • Bei Online-Aufstellungen dagegen befinden sie sich in ihrer vertrauten Umgebung. Vielleicht haben sie sogar ihre Katze oder ihren Hund als Unterstützung in ihrer Nähe! • Auch die in einer Live-Sitzung – eventuell belastende – unvermeidbare körperliche Nähe zur Therapeut*in wird in der Online-Sitzung ersetzt durch eine Distanz, die von diesen Klient*innen als entlastend erlebt wird. Eine WB-Teilnehmerin bestätigte dies Phänomen durch folgende Beobachtung: ihr autistischer Sohn (hochsensibel, da keine Abgrenzung) hatte im Online-Unterricht wesentlich bessere Leistungen als im Live-Unterricht!
• Bei Aufstellungen mit Figuren stellen sie auch für ihr Ich (Fokus) eine Figur auf und bleiben so bei ihrem eigenen Prozess auf einer Beobachter-Ebene. • Die fehlenden Rückmeldungen der Stellvertreter werden dadurch ersetzt, dass sie die Gefühle der einzelnen Figuren selber spüren können, indem sie einen Finger auf die jeweilige Figur legen. • Aufstellungen mit Figuren reduzieren die Aufmerksamkeit auf den wesentlichen Aspekt: auf die Struktur und auf deren Veränderung.
3. 5. Online – Ausbildungsgruppen mit Figuren Diese Besonderheiten kommen auch bei einer Online-Ausbildung zum Tragen. • Das Online-Setting erlaubt, die Gruppe als Plenum zu erleben, oder Kleingruppen für Austausch und Übungen zu installieren. • Bei der Anliegen-Aufstellung einer Teilnehmer*in verschwinden alle anderen „hinter einem Vorhang“ und können den durch die Struktur-Arbeit bewirkten intensiven Lösungs-Prozess sehr nahe erleben – viel intensiver als bei einer Life-Ausbildung! • Sie verstehen jedes Wort, sehen jede emotionale Reaktion der Klient*in. • Sie gehen selber mit durch diesen Prozess – und können auch die dadurch bewirkte Erleichterung körperlich an sich selber erleben. • Durch die Aufstellung mit Figuren wird die Wahrnehmung fokussiert auf die Essenz: auf die Struktur-Aspekte.
So hat die Corona-Pandemie und das durch sie verursachte Kontaktverbot ganz entscheidend zur Weiterentwicklung dieses Konzeptes STRUKTURTRAINING ALS THERAPIE beigetragen!