Beobachtungen zu den Phänomenen Selbst, Kraft, Liebe und Struktur und ein neues Element im Lösungsalgorithmus der SSI (17.1.21)
AUFSTELLUNGEN MIT FIGUREN Bei einer Beziehungsklärung zu einem Partner durch Aufstellungen stellt die Klient*in Repräsentanten auf für sich (Ich) für ihr „wahres Selbst“, für den Partner und einen Würfel für dessen Schicksal. Durch die Aufstellung (vergleichbar einem „bildgebendes Verfahren“ wie z.B. der Ultraschall-Diagnostik) werden Aspekte der Struktur und der Dynamik deutlich – die bisher unsichtbar und unbewusst waren. Wenn die Klient*in im Aufstellungsbild näher beim Beziehungspartner und/ oder dessen Schicksal steht, als bei ihren Selbstanteile, dann wird deutlich, dass sie dem Partner bzw. dessen Schicksal (Probleme) mehr Aufmerksamkeit gibt, als ihrem Eigensten, ihrem Selbst. Das bedeutet, dass ihre Unterscheidungsfähigkeit zwischen „ICH“ und „NICHT-ICH“ eingeschränkt ist, also zwischen Eigenem und Fremden. Das verstehen wir als Einschränkung der Struktur.
Struktur – in unserem Zusammenhang – beinhaltet • das Bewusstsein eines eigenen Selbst, das seinen Wert in sich hat (intrinsisch), unabhängig von Leistung. Das bedeutet weiter • die Unterscheidung Ich versus Nicht-Ich, damit entstehen • Grenzen. Diese ermöglichen es, • unterschiedliche Räume zu erkennen, mit • unterschiedlichen Zuständigkeiten. Dazu gehört auch • der Raum des Vergangenen, in den alles das hineingehört, das vorbei ist. Diese Struktur kann vorgestellt werden als ein vierdimensionales Gebilde (1-3 die Dimensionen des Raumes, als 4. Dimension die Zeitachse).
Dynamik Neben der Struktur gibt es die beiden Lebenskräfte: die Liebe und die „Urkraft“ (konstruktive Aggression). Diese beiden Kräfte entstammen dem Selbst. Sie bedingen sich gegenseitig und prägen die Struktur – im Sinne von Autopoiese?
Dabei lassen sich folgende Gesetzmässigkeiten beobachten:
„Urkraft“ Darunter wird hier die Fähigkeit verstanden, das Ich-Fremde im eigenen Raum zu erkennen und wirksam aus dem eigenen Raum zu entfernen, und auf Distanz zu halten. Diese Kraft gehört zum Selbst. Sie entspringt dem Selbst. Sie ist eine entscheidende Voraussetzung für das Bewusstsein eines eigenen Raumes und damit auch für die Verbindung mit dem eigenen Selbst. Somit handelt es sich hier um einen selbstverstärkenden Prozess zu tun. Der die Selbst-Verbindung stabilisiert. Wird jedoch etwas Ich-Fremdes als „Introjekt“ im eigenen Raum festgehalten (eine verstorbene Person, ein Trauma), als gehöre es heute noch zur eigenen Identität, dann ist dadurch diese Urkraft blockiert. Das Introjekt löst Stress aus und kann daher als Stressor (Hensel) bezeichnet werden.
Wenn der gesunde Kanal für diese Kraft blockiert ist, dann sucht und findet diese Kraft andere Kanäle und wird dadurch destruktiv: • Die Kraft richtet sich nun gegen die Klient*in selber, • die Klient*in fühlt sich energielos, gelähmt, ohnmächtig, oder • sie reagiert mit Depression, Krankheit, Selbstverletzung, oder • die Kraft richtet sich destruktiv gegen andere: die Klient*in reagiert mit Hass und Gewalt.
Die Liebe Unter Liebe wird hier eine tiefe Wertschätzung für einen anderen Menschen (und für sich selbst!) verstanden. Diese Liebe ist bedingungslos, das heisst unabhängig von Leistung oder Nutzen des Gegenübers. Das zeigt schon: Diese Liebe hat ihre Quelle in unserem eigenen Wesenskern, unserem „wahren“ Selbst, und sie richtet sich auf den Wesenskern, auf das Selbst des Gegenübers. Das SELBST gehört „als Grundausstattung“ zu jedem Menschen, allerdings als Potential, als Ahnung oder als Sehnsucht. Es bedarf jedoch der Liebe eines anderen (z.B. eines Elternteils), um im Kind ein Bewusstsein und eine Wertschätzung für sein eigenes Selbst zu wecken. Auch die eigene Liebesfähigkeit wird dadurch „initiiert“. Dieses starke menschliche Bedürfnis, die Annahme und bedingungslose Wertschätzung von den eigenen Eltern zu erleben ist ein entscheidendes Motiv hinter den kindlichen Überlebensstrategien in einer destruktiven Umgebung..
Emotionales Verlassensein. . . Manche Eltern sind nämlich durch ein erlittenes Trauma von ihrem eigenen Selbst – und damit von ihrer Liebesfähigkeit – getrennt. Daher können sie dies Bedürfnis ihres Kindes nicht erfüllen. Und sie können in ihrem Kind nicht das Bewusstsein für das eigene wahre Selbst wecken. Überfordert, abgewertet und emotional im Stich gelassen entwickeln die Kinder bizarre Strategien, in der (illusionären) Hoffnung, dadurch die Eltern so zu verändern, dass sie doch noch deren Liebe spüren können – oder zumindest das Gefühl bekommen wichtig zu sein und wahrgenommen zu werden.
. . .und „falsches Selbst“ In dieser Mangelsituation machen Kinder „aus der Not eine Tugend“, sie verinnerlichen Selbst-Überforderung, Selbst-Abwertung und Vernachlässigung eigener Bedürfnisse. Sie machen die Probleme der Eltern zur Grundlage ihrer eigenen Identität. Sie versuchen, den Eltern Personen zu ersetzen, die ihnen real – oder emotional – gefehlt haben. Ja sie erspüren – mit „Tausend Antennen“ – die Traumata der Eltern und versuchen, den Eltern das Schwere abzunehmen. Die Traumata der Eltern werden geradezu zur Basis ihres Selbstbild. Die Klient*in verbiegt sich dabei selber, entwickeln ein „falsches Selbst“, entwickelt Grössenfantasien, im Irrglauben, für die Eltern wertvoll zu sein, wenn sie für deren Bedürfnisse da sind – und die eigenen Bedürfnisse zurück stellen. Und das hält sie dann irrtümlich für „Liebe“. Umsomehr, da ihre wahre Liebesfähigkeit noch blockiert ist.
Verlust der Struktur Damit verlieren sie jedoch die sichere Unterscheidung zwischen Ich und Nicht-Ich. Sie verlieren die Wahrnehmung für Grenzen, für Räume und Zuständigkeiten. Fremde Schicksale und Personen werden zum ich-fremden Introjekt und blockieren die Verbindung mit dem eigenen Selbst. Umsomehr, als das eigene Selbst – die eigene Selbstliebe – durch die fehlende Erfahrung der elterlichen Liebe nicht „geweckt“ wurde. Diese beiden Aspekte verstärken sich gegenseitig im Sinne einer Negativ-Spirale. So kommt es zu einer inneren Spaltung: einerseits das „falsche“ Selbst mit seinen illusionären Grössenfantasien, andrerseits die „wahren“ Selbstanteile, die von der Klient*in – und von ihrer Familie – nicht wahrgenommen oder geachtet wurden.. Anders gesagt: Das falsche Selbst blockiert ihre Verbindung zu ihrem wahren Selbst. Sie ist in sich gespalten. Sie hat die Liebe der Eltern nicht erlebt – ihr eigenes Selbst und ihr eigener „intrinsische“ Selbstwert konnte daher nicht „erweckt“ werden. Diese Spaltung kann von den Betroffenen nicht überwunden werden. Sie stecken in einer Falle, aus der sie selber nicht herausfinden.
Festhalten an alten Überlebensstrategien Obwohl sie selber – und die Welt – sich inzwischen geändert haben, halten sie an den alten Überlebensstrategien fest. Sie können die Eltern und deren Traumata innerlich nicht loslassen. Und sie suchen und finden Partner, für die ihre erlernten Strategien „passen“, da sie ähnlich traumatisiert sind wie die Eltern. Sie stellen wieder die eigenen Bedürfnisse zurück und fühlen sich für die anderen verantwortlich als würden sie dadurch wertvoll oder gar unentbehrlich. Und das halten sie – wie bereits erwähnt – irrtümlich für „Liebe“. So tragen sie – unbewusst – selber dazu bei, dass sich die traumatischen Erfahrungen der Kindheit wiederholen. Sie fühlen sich dadurch in ihrem negativen Selbstbild bestätigt. Und sie geben unbewusst ihr eigenes Symbiosemuster an ihre Kinder weiter. Struktur und Dynamik Das Bewusstsein für den Wert und die Würde des eigenen Selbst ist also Voraussetzung für die Bildung von Struktur. Die Urkraft, die aus dem Selbst stammt, ermöglicht es, eigene Grenzen wahrzunehmen und zu schützen und Fremdes als solches zu erkennen und aus dem eigenen Raum zu entfernen. Umgekehrt fördert Strukturbildung das Bewusstsein für das eigene Selbst, also Selbst-Bewusstsein und Autonomie, aber auch Selbstvertrauen und Liebesfähigkeit Dieser sich selbst verstärkende Prozess wirkt wie ein angeborenes Selbstheilungsprogramm.
Menschen die in dieser Weise sich selber achten, können auch die Würde des anderen achten – unabhängig davon, ob dieser etwas leistet oder für sie nützlich ist. Durch diese bedingungslose Achtung für den Anderen wecken sie auch bei ihm ein Bewusstsein für den eigenen „intrinsischen“ Wert, für die eigene Würde und für die Fähigkeit, Liebe anzunehmen – und Liebe zu geben.
Diese gegenseitige Achtung ermöglicht eine Ich-Du Begegnung auf Augenhöhe. Statt der symbiotischen gegenseitigen Abhängigkeit – durch Benutzen und Benutzt-werden – entsteht eine Bindung durch gegenseitige Anziehung. Dieser Beziehungs-Modus ist nicht nur die Voraussetzung für individuelles Glück und Erfolg. Es ist auch die Grundlage für eine „artgerechte“, für eine zukunftsfähige Gesellschaft. Lösungsstrategien Durch den bisher angewandten Algorithmus der SSI kann die Struktur (Abgrenzung und Gegenabgrenzung) gezielt trainiert werden und die blockierte „Urkraft“ wieder aktiviert werden. Dazu kommt jetzt eine neue Intervention:
Das Wecken der blockierten Liebesfähigkeit Um die blockierte Liebe wieder zu wecken gibt es zwei Prinzipien. Beide beruhen auf der Beobachtung: das Selbst ist die „Quelle“ der Liebe, welche im Anderen dessen Selbst und damit seine Fähigkeit weckt, Liebe annehmen zu können und Liebe zu geben.
1. Haltung der Therapeut*in und
2. Intervention „Imaginierte Verbindung zum wahren Selbst des Anderen.“
1. Haltung der Therapeut*in Die Therapeut*in weiss um das Selbst der Klient*in und achtet dieses Selbst. Indem sie die Klient*in auf deren – vielleicht noch nicht bewusstes – Selbst hinweist, weckt sie bei der Klient*in bereits eine Bereitschaft, mehr auf dieses Selbst zu achten
2. Intervention „Imaginierte Verbindung zum wahren Selbst des Anderen.“ Wird ein frühes Beziehungstrauma bearbeitet, dann stellt sich meistens heraus, dass sowohl die Klient*in als auch Mutter oder Vater nicht mit ihrem Selbst verbunden waren. Das heisst, der Vater (die Mutter) konnte die Klient*in nicht in ihrem Wesen erkennen und konnte ihr seine Liebe nicht zeigen. Daher konnte die Klient*in ihrerseits nicht die Erfahrung machen, ein Selbst zu besitzen, das (liebens-)wert ist auch ohne Leistung. Und sie kann ihrerseits anderen nicht ihre Liebe zeigen. Nachdem der Klient*in diese Zusammenhänge und der Unterschied zwischen dem traumatisierten Vater (Mutter) und dessen Wesenskern, seinem Selbst erklärt wurde, kann sie mittels einer einfachen Intervention diese Liebe imaginieren – die sie real nie erfahren konnte. Dazu nimmt sie das Symbol für Vaters Selbst an ihr Herz, und stellt sich die tiefe bedingungslose Liebe vor, mit der das Selbst des Vaters (sein Wesenskern) seine Tochter lieben würde. So erfährt sie auch, dass sie es wert ist, geliebt zu werden – einfach weil sie so ist wie sie ist. (Intrinsischer Selbstwert). Und der Teil von ihr, der das erfährt, ist ihr Selbst. Ihr Selbst und ihre Liebesfähigkeit werden sozusagen durch die Liebe des Vaters (der Mutter) „geweckt“. Nun kann sie auch ihre eigene Liebe zu diesem Vater (dieser Mutter) spüren. Diese tiefe gegenseitige Liebe zwischen Vater (Mutter) und Kind ist etwas Einzigartiges. Und das gehört zu ihrem angeborenen Potential dazu – auch wenn sie es in der Realität nie erleben konnten. Dies Potential kann sie verinnerlichen, abspeichern als etwas Ur-Eigenes. So ist diese Intervention geeignet, der Klient*in den Zugang zu ihren eigenen Selbst und zu ihrer blockierten Liebesfähigkeit zu eröffnen.
Nach dieser Intervention gelingt es der Klient*in besser, den realen Vater – und dessen Selbst – abzugrenzen um besser mit ihrem eigenen Selbst verbunden zu sein. Bisher hatte eine illusionäre Hoffnung, doch noch Vaters (Mutters) Liebe erleben zu können, die Kliet*in dazu motiviert, durch selbst-loses Für-die-anderen-Dasein doch noch deren Liebe und Anerkennung zu bekommen. Doch statt diese Liebe zu erleben, hat sie immer mehr die Verbindung zu ihrem eigenen Selbst verloren. Dieser sich selbstverstärkende Prozess im Sinne einer Negativ-Spirale wird offensichtlich durch diese Intervention unterbrochen!
Diese Intervention „Befreien der eigenen Liebesfähigkeit“ erweitert und vervollständigt die Interventionen unseres Algorithmus`, und trägt entscheidend zu einer tiefen und anhaltenden Wirkung bei. Diese Intervention ist wie ein Schlussstein, der das Gewölbe der SSI erst stabil macht.