Die Fähigkeit, sich im Kontakt zum Gegenüber von diesem innerlich abzugrenzen, das heisst, gleichzeitig sich selber und den anderen zu spüren ist unterschiedlich ausgeprägt. Sie gehört zu unserer "Grundausstattung" dazu, ist für die Autonomie-Entwicklung zentral bedeutsam. Diese Fähigkeit - wie auch die Autonomie-Entwicklung - kann blockiert werden durch frühe traumatische Erfahrungen: Verlust einer Bezugsperson, Erfahrung von Gewalt. Im Autonomie-Fragebogen wird diese Fähigkeit unter A abgefragt. Daraus kann ein Punktwert errechnet werden. Eine andere Möglichkeit, die Abgrenzung quantitativ zu messen, besteht in folgendem Experiment: Der Probant steht in möglichst großem Abstand einer anderen Person gegenüber. Er schliesst zunächst die Augen, versucht, sich selber zu spüren, d.h. die Fußsohlen zu spüren, die Atmung zu spüren. Dann öffnet er die Augen und geht langsam, Schritt für Schritt, auf sein Gegenüber zu, bis er sich selber nicht mehr spüren kann. Dieser Abstand, bei dem er mehr das Gegenüber, als sich selber wahrnimmt, korreliert mit seiner Abgrenzungsfähigkeit. Je geringer der Abstand, umso größer seine (innere) Abgrenzungsfähigkeit. In der letzten Ausbildungsgruppe habe ich das getestet und die erhobenen Werte mit der Punktzahl im Abgrenzungsfragebogen in einem Koordinatensystem in Bezug gesetzt. Es entstand leider nicht eine Linie, sondern ein breiter Punkteschwarm, der nur andeutungsweise die zu vermutende Linie umhüllte. (Als Arzt bin ich naturwissenschaftlich ausgerichtet und habe Freude am Beobachten, Experimentieren und Messen.) Dies Experiment kann jeder Therapeut mit seinem Klienten - oder selber mit einem Partner - ausführen. Die Erfahrung ist sehr eindrücklich. Ich erinnere eine - massiv traumatisierte - Klientin, die bei bereits 9m Abstand zu mir sich selber nicht mehr spürte! Sie war erwerbsunfähig. Bei einem Versuch, als Verkäuferin in einer Bäckerei etwas zu zu verdienen, "erfasste" sie sofort die ganze Problematik des Betriebes, so als wäre es ihre Aufgabe, das zu lösen, und sagte erleichtert wieder ab! Nähe und Augenkontakt Es wäre zu untersuchen, ob dies Phänomen auch mit geschlossenen Augen auftritt. Mir selbst gelingt es mit geschlossenen Augen viel besser, bei mir zu bleiben - das haben schon einige beim Aufstellen bemerkt. Merkwürdigerweise kann ich mich auch im Dunklen besser in einem - mir bekannten - Raum orientieren, wenn ich die Augen schliesse!
Ich kenne eine ähnliche. A aktiv, B passiv - beide schweigen während der Übung. B steht fix und passiv. A und B schauen sich offen-unverbindlich-frei an. A geht langsam achtsam von weitem auf B zu. A hält dabei eine Hand auf dem Bauch (sich selbst fühlen) und bemerkt die eigene Atmung. Während der Näherung an B, werden Zonen der Überschreitung der äußeren Räume gespürt, dass man schon fühlbare Nähe-Zonen überschreitet. A kann stehen bleiben, vor und zurück gehen. Dann fühlen, wo es unerträglich nah ist (was sehr individuell ist), und dort stehen bleiben. Der Augenkontakt ändert sich, bei zunehmender Nähe. Manche brauchen auch eine große Nähe, um sich wohl und sicher zu fühlen, manche brauchen den gesunden Abstand. Dann die Übung umgekehrt machen: A passiv, B aktiv. Dann kurz austauschen nur praktische Gefühle, keine Wertungen oder Erklärungen.