Natalie, eine ca. 45jährige Frau, unverheiratet, keine Kinder, kommt zur Aufstellung wegen Misserfolg im Berufsleben, das sie auf ein Burnout vor 10 Jahren zurückführt. Sie beschreibt es so, dass sie immer beruflich sehr erfolgreich gewesen sei – dabei strahlt sie verdächtig. Dennoch passiere es ihr immer wieder, dass ein grosses Geschäft, kurz vor dem sicheren Abschluss, nicht zustande kommt. Sie vermutet das es mit ihrem Burnout vor 10 Jahren zu tun haben könnte. Damals musste sie akut in die Klinik und wäre fast gestorben. Sie hatte schon mehrfach Aufstellungen gemacht, hat ihre Herkunft und auch ihr Zwillingsthema schon angeschaut, was auch sehr zu ihrer positiven Entwicklung geführt hat. Sie hat eine Ausbildung in Systemaufstellung abgeschlossen. Und doch blieb dieses eine Thema noch ungelöst. Aktuell kam ein wirklich grosses Geschäft aus unerklärlich Umständen nicht zustande. Meine Vermutung: das damalige Burnout wirkt wie ein Trauma, mit dem sie immer noch identifiziert ist. Ich schlug ihr vor, das durch eine Aufstellung zu überprüfen. Spontan sagte ich ihr, sie solle auch jemand für den Erfolg aufstellen. Bei der Aufstellung stellte sie ihr Körperselbst dem Burnout gegenüber. Sie selbst stellte sich neben den Erfolg, strahlte und fühlte sich high, wie unter Drogen. Sie war mit diesem Geschäft identifiziert. Ihr kindliches Selbst war weit entfernt, spürte keine Verbindung. Ihr erwachsenes Selbst – das sich laut Definition „auch ohne Erfolg wertvoll fühlen kann“ stand zunächst auch im Abseits, dann fühlte es sich auch vom Erfolg angezogen und lehnte sich an den Repräsentanten des Erfolgs an so als gehöre es zum Erfolg und nicht zu Natalie! Hier wurde ihre Überzeugung deutlich, dass sie gar nichts wert war ohne den Erfolg, so als wäre er ein Teil von ihr, und ihr erwachsenes Selbst schien von dieser Verwirrung angesteckt zu sein, so als sei es nur vollständig mit dem Erfolg. In einem sehr schmerzhaften Lösungsprozess wurde ihr diese Verwirrung bewußt, schrittweise gelang es ihr, zu sich selber zu finden, ihren „eigenen Raum“ zu errichten, ihr „eigenes Boot“ zu etablieren, auf dem sie „Kapitän“ sein kann und ihr die Verbindung mit ihrem erwachsenen Selbst zu ermöglichen, dass sich lebendig und unschuldig fühlen kann, das es nicht braucht, gebraucht zu werden und vor allem nicht verkauft zu werden. Auch das Abgrenzungsritual gegenüber dem Erfolg fühlte sich zunächst verboten an, lieblos, wie Verrat gegenüber sich selbst. Nachdem die Lösung gelungen war, stellte sich heraus, dass ihr Burnout die grosse Chance war, ihr diese Verwirrung sichtbar und bewusst zu machen. Sie konnte sich nicht als Kind ihrer Eltern fühlen, konnte ihre Liebe nicht nehmen, nur wenn sie Leistung erbrachte, glaubte sie liebenswert zu sein und sich einen rechtmäßigen Platz in der Familie und im Leben verdient zu haben. Mit dieser Erkenntnis, konnte sie die Illusion loslassen, was sehr schmerzhaft für sie war, denn mir ihr hatte sie über 40 Jahre gelebt. Abschied ist immer sehr schmerzhaft und braucht auch Zeit.“
RÜCKMELDUNG DER KLIENTIN NACH 2 TAGEN Die Klientin, die selber ausgebildete Aufstellerin ist, schildert ihre Erfahrungen und Beobachtungen so eindrücklich, dass ich sie hier (fast) ungekürzt wiedergebe.
Hier kommt meine Rückmeldung von meiner Aufstellung am Samstag für Dich. Du kannst sie gern verwenden, aber bitte anonym, da ich jetzt sehr offen sein werde. Vorab: dass Du mich 4x nicht dran genommen hast, hatte erst beim 3. mal zu leichten Irritationen bei mir geführt, sprich zu einem kurzfristigen Gefühl von abgelehnt werden. Am Samstag morgen dann vor der Runde sag ich noch zu meinem Sitznachbarn, dass heute eine Bombe platzt, dass es meine sein würde war mir nicht klar. Ich bin so froh, dass Du die zündende Idee hattest neben dem Repräsentanten für das Burnout auch einen zweiten Repräsentanten für das Geld, den Erfolg, das Leistungsthema aufzustellen, so hat man sich den Umweg über das ausgeblendete Thema erspart. Auch wenn ich in meinen eigenen Aufstellungen vielleicht so wirke als hätte ich irgendetwas im Griff oder als würde ich irgend etwas begreifen, ich kann Dir versichern ich kapiere Null in meinen Aufstellungen und bin voll auf Dich angewiesen, dass Du weißt was Du tust. Bei mir sind so viele verschiedenen Bewusstseinsebenen gleichzeitig eingeschaltet, die mit der Wahrnehmung "was ist" in jedem Moment beschäftigt sind, dass ich in meiner eigenen Aufstellung komplett die Übersicht verliere. Ich nehme jede noch so kleine Bewegung, Satz, Gestik, Zeitablauf so intensiv wahr, dass ich oder besser mein Verstand überfordert ist. Dann kommen noch Bilder und Situationen aus der Vergangenheit hinzu, die mir auf einer Ebene Klarheit verschaffen, mir die Augen öffnen, dann die damit verbundenen damaligen Gefühle und fast gleichzeitig die Gefühle der Realisation im heute, was ich mir zugemutet habe, was ich für einen hohen Preis gezahlt habe, der Schmerz der Illusion, die vermeintlich mein damaliges Glück war. Ich stelle fest, dass es fast unmöglich ist, genau zu beschreiben was ich alles in der Aufstellung gleichzeitig wahrnehme. Eines war übergeordnet für mich deutlich: meine Lebensbombe war geplatzt. Etwas von dem ich innerlich wusste, dass da etwas gravierend seit Jugendzeit an falsch läuft, ich aber nicht selbst dran kam und ehrlich gesagt auch keiner der ganzen Therapeuten, die mir versucht haben zu helfen, als ich in die psychosomatische Reha kam, eingestuft als "schwerster Fall von Burnout-Patient". Außer Kreuze malen (Christus Kreuz) mit Sonnenstrahlen, die aus der Mitte des Kreuzes kamen, hat mir nichts geholfen (Medikamente hatte ich abgelehnt). Kurzer Einschub: Von klein auf habe ich schon Leistungssport betrieben und meine größte Freude war immer die BESTE zu sein, in allem und überall. Es fiel mir leider sehr leicht, wäre es schwerer gewesen oder hätte ich mal früher versagt, hätte sich dieser Dämon Leistungskomplex (lt. irgendwelcher Psychologen) nicht so aufbauen können. Es hat sich dann im Studium fortgesetzt, dann im Job, in der Karriere, immer alles schneller, besser, überdurchschnittlich, man nennt solche Leute High-Potentials Das klingt so schön, gibt auch so viel schöne Anerkennung und Applaus, viel Geld, Beförderungen,... wie sich die Droge anfühlt, hat ja der Stellvertreter in der Aufstellung eindrücklich zum Ausdruck gebracht... Nach der Aufstellung war ich körperlich so fertig, dass ich nur auf den Kissen lag und dachte ich hätte mindestens 2 Marathons hinter mir. Ich bekam auch Herzschmerzen. Am Abend war ich allein zu Hause und bekam Gefühle von Verlassen sein, ein unglaublich starkes Gefühl von Leere kam über mich. Ich aß einen ganzen Eisbecher, die Leere blieb. In der Nacht konnte ich dann fast gar nicht schlafen, meine Gedanken fuhren unkoordiniert Achterbahn. Am nächsten morgen Migräne und alles ausspucken, was ich abends noch gegessen hatte und noch mehr ausspucken, obwohl gar nichts mehr drin war. Den gesamten Tag verbrachte ich liegend, anfangs mit Migräne, dann mit Kopfschmerzen und mit viel Traurigkeit, es war wie ein Trennungsschmerz von einem Geliebten. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen, dass ich auch emotionalen Schmerz mit Arbeit und Leistung "kompensiert" habe, wie grotesk ist das? Es ist sehr schmerzhaft zu erkennen, dass ich in die Arbeit, die Leistung, den Erfolg geflüchtet bin, ganz so als sei dies mein Zuhause, meine Heimat, mein Ort, in dem ich mich wohl fühlte, ja es war leider so, es ist sehr sehr sehr traurig, dass es so etwas gibt. Es erinnerte mich an ein Bild, ein Schwan, der ein Plastikboot auf dem See als Mutter identifiziert hat und immer hinter dem Boot her schwimmt... Jetzt kam dann am Sonntag noch die Erkenntnis, dass mir da etwas unwiederbringlich durch die Aufstellung weggebrochen ist, einen Ort, an den ich nie wieder zurück kann. Ein großes Vakuum war spürbar und ich spürte, dass ich gar nicht wusste womit ich es nun füllen sollte. Wieder kamen enorme Schmerzen und Trauer. Ich beruhigte mich laufend dass ich schon richtig geführt würde, es käme schon gut, ich wollte vertrauen, auch wenn ich es in dem Moment noch nicht glauben konnte. Abends ging es langsam besser und ich dachte ich sei durchs Tal durch. Montag ging es weiter. Ich wusste nicht was ich tun sollte, ich war so traurig, perspektivlos, wusste nicht wie ich es hinkriegen sollte, wie sollte ich nun arbeiten, wie Geld verdienen. Ich hatte das Gefühl jetzt steht mir nicht mehr die alte Strategie zur Verfügung und eine neue ist überhaupt nicht in Sicht. Ich war gelinde gesagt verzweifelt und ging erst mal zum See, Wasser ist immer gut. Es wurde am See so schlimm, dass mir der Gedanken kam, dass wenn das hier auf der Erde ein solcher grässlicher Kampf bleiben wird um meine Existenz, dann lass ich es hier halt sein. Der Eiscafe, den ich trank half nicht. Dann legte ich mich in die Sonne und hörte ein paar Meditations-CDs, dadurch wurde ich schon ruhiger. Dann ging ich ins Wasser und hockte mich einfach hinein. Die Tränen hörten fast nicht auf zu fließen, irgendwann hatte es sich ausgeweint. Ich ging aus dem Wasser, telefonierte mit einem Kollegen, dem auch gerade zig Aufträge weggebrochen sind (deshalb ging ich zur Aufstellung) und wir kamen zu dem Ergebnis, dass es halt mal so ist, aber dass einen das wohl nicht aufhalten könne! Zuhause angekommen hatte ich nicht nur Energie ohne Ende, ich hatte auf gewisse Leute eine Granatenwut und habe sofort entsprechende Maßnahmen eingeleitet, vor denen ich mich schon seit geraumer Zeit gedrückt hatte, die aber notwendig waren. Ich war sehr produktiv und sehr mit mir zufrieden. Geschlafen habe ich in der Nacht dann gut und bin heute schon ganz erfrischt aufgestanden. Puh, geschafft, endlich ist der Spuk vorbei!
(Am nächsten Tag:) Übrigens, ein weiterer Nebeneffekt der Aufstellung ist interessanterweise auch, dass ich mich mehr als Frau und weiblicher fühle und die Frauen und ihre Kinder, besonders kleine Kinder anders wahrnehme. Ich fühle mich ihnen verbundener (eigentlich hatte ich immer das Gefühl nicht wirklich was mit Müttern und deren Kinder zu tun zu haben). Aufgeräumter fühle ich mich auch und tatkräftiger. (nach einer woche): Ich bin seit 3 Tagen nun total müde und schlafe ziemlich viel. Mir fällt auf, dass die Anspannung aus meinem Körper gewichen ist, war immer unter „Hochstrom“. Keinerlei finanzielle Existenzängste, obwohl ich die haben könnte, nach meinem Konto zu urteilen. Ich erledige, was zu erledigen ist, ohne großen Emotionen. Bin eher ungewöhnlich ruhig und gelassen, fast nüchtern. Habe insgesamt keine großen Emotionen, weder negative noch positive. Ich fühle mich wie in einer Regenerierungsphase, körperlich und geistig. Viel tun kann ich nicht, oder besser gesagt, mag ich nicht, bin eher auf Erholung gepolt. Schlafe viel. Hoffe das Kraft und Energie wieder kommen.
KOMMENTAR Hier wurde eine extreme Identifizierung mit dem Erfolg deutlich. Nicht nur sie war mit dem Erfolg identifiziert. Auch ihr erwachsenes Selbst – das sich eigentlich auch ohne Erfolg wertvoll fühlen kann – war mit dem Erfolg identifiziert, war offensichtlich verwirrt. (Eine derartige Verwirrung des Selbst könnte man als eine „Verwirrung höheren Grades“ bezeichnen. Sie lässt sich extrem schwer lösen) Dadurch fehlt eine gesunde Distanz zum Geschäft, die Klientin war nicht in ihrem eigenen Raum, konnte daher nicht mit sich selbst identisch sein. Indem sie ihr Selbst dem Gegenüber überlässt, wird sie manipulierbar und ist nicht fähig ihre eigenen Interessen zu vertreten. Das Burnout erscheint dann wie eine „rote Karte“ des Körpers, um den tödlichen Zusammenbruch zu verhindern.
Hypothese zur Dynamik: Sie konnte als Kind nicht die Liebe ihrer Eltern spüren. Wegen des verlorenen Zwillings hatte sie das Gefühl, keinen eigenen Platz zu haben. Sie glaubte, sich Anerkennung, das Recht, dazu zu gehören, erkaufen zu müssen durch optimale Leistung. Dafür war sie auch bereit, ihr Selbst zu „verkaufen“. Erst diese Erkenntnis erlaubte ihr, die Illusion loszulassen, was sehr schmerzhaft für sie war, denn mir ihr hatte sie über 40 Jahre ge(über-)lebt. Auch der Abschied von einer Illusion ist immer sehr schmerzhaft und braucht auch Zeit.
Die Klientin hatte einen hohen Leidensdruck, das machte die Lösung dieses Knotens, dieser sehr frühen und sehr verwirrenden Identifikation möglich. Und sie kannte mich seit über drei Jahren, hatte Vertrauen zu mir. Sie selbst schildert sehr anschaulich den auf die Lösung folgenden Prozess, der gekennzeichnet ist durch das Gefühl der Leere, der Konzeptlosigkeit, der Angst und Hilflosigkeit, der Verwirrung – nachdem sie die bisherige „falsche“ Orientierung verloren hat. Sie ging durch diese Phase – ohne begleitende Therapie! - und erlebte dann am dritten Tag eine Ruhe, eine Kraft, und eine „Granatenwut“ auf die Menschen, die ihre Verwirrung benutzt hatten - die sie bisher nicht spüren konnte. Und sie fühlte sich wieder orientiert und handlungsfähig.
Das Beispiel bestätigt die Grundannahme, dass das „erwachsene Selbst“ zur „Grundausstattung“ gehört. Dass es aber erst wirksam werden kann, wenn der eigene Raum befreit ist von Inhalten, die nicht zur eigenen Identität gehören (Erfolg). In diesem Fall dauerte die „heilsame Verwirrung“ nach der Aufstellung drei Tage, und dann kam - erstaunlicherweise sehr rasch - die neue Orientierung. Und: das bisher unterdrückte weibliche Körpergefühl stellte sich ein verbunden mit einem neuen Mitgefühl für Frauen mit Kindern.
vielen Dank für diesen mutigen und sehr anschaulichen Bericht. Allein beim Lesen wird man inspiriert! Diese Ansätze werde ich in Zukunft noch stärker bei der Arbeit berücksichtigen. VIELEN VIELEN DANK!! Tina
deine sehr offene Schilderung des Integrationsprozesses nach der Aufstellung hat mich sehr berührt.....ich bin überlebender Drilling und habe/hatte ähnliche Themen. Ich möchte dir gern etwas mit-teilen, falls du es nehmen magst:
das Vakuum, das entstanden ist, will gefüllt werden mit etwas Neuem....das spürst du ja selbst schon. Und du merkst auch , das es etwas mit dem "Frau sein" zu tun hat. Kann es sein, dass du jetzt offen bist für eine neue Sicht auf "Frau sein"? Dann möchte ich dir sagen, dass wir Frauen in unserer Ursprünglichkeit ja auch Raum sind, h e i l i g e r empfangender Raum. Leider wurde diese Art von Sein bisher in unserer Welt immer weniger wertgeschätzt, als das Tun, als die Aktivität. So haben wir uns von uns selbst entfernt.(Leider oft durch Traumatisierungen).
Bewusst rezeptiv sein, empfangend, das ist eine ganz andere Qualität des Seins , das ist die eigentliche Stärke von uns Frauen. Empfänglich für Inspiration, für spontane Eingebungen, für die leise Stimme des Höheren Selbst (oder wie du es nennen magst). Mehr sein als tun.....mehr hören und spüren..dazu braucht es Muße, Ruhe, Gelassenheit, inneren Frieden. Ich habe beim Lesen deiner Schilderung das Gefühl, dass sich dein Vakuum gerade auch mit dieser neuen Qualität des Frau seins füllt. Und eine tiefe Freude spüre ich über dein Erwachen, deine Heilung. Dein neues Sein wird ansteckend sein für die Frauen in deinem Umfeld......ihnen Mut machen und helfen, auch diesen Weg zu gehen.