Unter dieser Bezeichnung hat der Münchner Psychotherapeut Franz Ruppert ein eigenes Konzept vorgelegt. Ein Trauma liege dann vor, wenn nach einem Erlebnis eine dauerhafte Spaltung in der Psyche eines Menschen zu beobachten ist. Dabei werden vier Arten von Traumata unterschieden: 1. Existenz-Trauma ensteht durch eine lebensbedrohliche Situation und erzeugt Todesangst bzw. Panikattacken. 2. Verlust-Trauma entsteht durch Verlust oder Trennung von einer Person, zu der eine sehr enge Bindung bestand. 3. Bindungs-Trauma/Symbiose-Trauma entsteht, wenn ein Mensch von dem Bindungs-System, in dem er lebt, zurück gewiesen oder abgelehnt wird. 4. Bindungssystem-Trauma entsteht, wenn es in einer Familie sexuelle oder körperliche Gewalt gibt. Es gibt ein eigenes Persönlichkeitsmodell, mit drei Persönlichkeitsanteilen: dem Überlebens-Anteil, dem traumatisierten Anteil und einem gesunden Anteil. Ruppert hat ein eigenes Aufstellungsformat entwickelt: „Aufstellen des Anliegens“. Nach einem explorierenden Vorgespräch formuliert der Klient sein Anliegen und stellt einen Stellvertreter für sein Anliegen auf. Während der Aufstellung sind die Stellvertreter frei, ihre Gefühle, Gedanken und Wahrnehmungen auszudrücken. Der Therapeut greift nicht ein und beschränkt sich auf Interpretationen oder das Einführen eines weiteren Stellvertreters.
Meist stellt sich spontan in der Aufstellung das Phänomen der „Abspaltung“ her – in Form einer fehlenden Verbindung zwischen Klient und dem Anliegen – und Aspekte dieser Dynamik werden deutlich. Das ist bisweilen sehr eindrücklich und berührend. Der Therapeut lässt das den Klienten wahrnehmen und spüren und hält sich selber ganz zurück. Er vertraut darauf, dass das genügt, um den Klienten aus seiner Spaltung zu befreien.
Kritischer Kommentar: Ruppert hat – wie andere auch - erkannt, dass das „klassische“ Familienstellen Traumata aufdeckt, aber nicht löst – und dadurch den Klienten erneut traumatisieren kann. Bei seinem verdienstvollen Bemühen, Systemaufstellungen in Richtung Traumatherapie weiter zu entwickeln ist er auf die zentralen Begriffe Symbiose und Autonomie gestossen.*) Es gibt weitere Parallelen zum Konzept der „systemischen Selbst-Integration“: Spaltung durch Trauma, die Begriffe Existenz- und Verlust-Trauma. Ruppert's Persönlichkeitsanteile haben Ähnlichkeit mit den Konstrukten „Ich“, dem „kindlichen“ und dem „erwachsenen“ Selbst - ohne jedoch mit ihnen identisch zu sein. Ein gravierende Unterschied zu Ruppert: ich sehe als grundlegende Dynamik des Symbiosemusters das erworbene Abgrenzungsverbot. Daher verstehe ich die von ihm so genannten „Symbiose-Traumata“ als Ausdruck einer Übernahme des Symbiosemusters von ihrerseits traumatisierten Eltern. Und weiter: aus diesem Verständnis kann ich als Therapeut dem Klienten sehr gezielte Interventionen anbieten, die es ihm ermöglichen, sich aus der „Falle“ der Symbiose zu befreien. Ruppert's betont Nicht-Direktives Vorgehen – vielleicht als Reaktion auf Hellingers autoritären Stil? - ist zwar „therapeutisch korrekt“, aber lässt er nicht damit den Klienten mit seiner Spaltung wieder allein? ------------------------------------------------------------------- *)Vergl. Franz Ruppert: Symbiose und Autonomie. Symbiosetrauma und Liebe jenseits von Verstrickungen. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2010.
Kernpunkt einer Traumatherapie (ob durch Aufstellung oder wie ich es mache durch EMDR und Somatic Experincing von Peter Levine) ist die Integration der Anteile, die noch immer am traumatischen Geschehen "festhalten", weil es für sie noch nicht vorbei ist. Ich setze dabei auf die Selbstheilungskräfte des Klienten. Meine Aufgabe als Therapeut sehe ich darin, ihn während einer Therapiesitzung immer wieder anzuhalten, aus dem Hier und Jezt das Trauma anzuschauen und es im Hier und Jetzt selbstregulativ zuende zu verarbeiten... Ein direktives Vorgehen ist oft unvermeidlich, damit eine Retraumatisierung oder ein nicht lösungsförderndes Vermeidungsverhalten vermieden wird.
Das "Festhalten" am Trauma ist ein wesentlicher Aspekt, der einer differenzierten Lösung bedarf. systemische Selbstintegration bietet hier die Abgrenzung auf der Zeitachse an: in der Realität gibt es kein zurück, due Uhre geht nur vorwarts. In der Realität gibt es nur das Hier und Jetzt. In der Fantasie können wir zurück zum Traum, oder in die Zukunft oder in Wunschwelten gehen. In der Realität nicht. In der Aufstellung erfährt der Klient symbolisch die Grenze zur Vergangenheit, er wird gestoppt mit den Worten: "Es gibt kein Zurück, was vorbei ist ist vorbei! Und es kommt auch nicht wieder!" Weiter: das Festhalten am Trauma ist bisweilen Ausdruck einer unbewussten Bewältigungsstrategie, so als könne man die Widerholung des Traumas dadurch verhindern, dass man es immer im Auge hat. Fatal: es ist nicht das Trauma, das den Klienten nicht loslässt, er selber ist es, der aus dieser unbewussten Strategie heraus das Trauma nicht loslässt. Das Bewusstmachen dieser Strategie kann das Muster lösen. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt: Mit dem Trauma - besonders den frühen - ist oft eine Abwertung des erwachsenen und/oder des kindlichen Selbstanteils verbunden, als Audruck einer Identifizierung mit der Perspektive des Täters/der Eltern. Das erschwert die Selbstintegration und fördert die Abspaltung. Das kann symbolisch dadurch gelöst werden, dass der Klient "die Brille" des Anderen ablegt, und sien Selbstanteil "mit seinen eigenen Augen" sieht. Dann erkennt er meist, dass es ganz ok ist und kann mit ihm eins werden.
Unverarbeitete Traumata oder das meist unbewusste Festhalten am Trauma bergen zudem die Gefahr einer Reinszenierung. Das heißt: Finde ich bewusst keine gute Auf - Lösung des Traumas, suche ich möglicherweise unbewusst nach ähnlichen traumatischen Wiederholungen, um dann die Gelegenheit zu nutzen, das alte Trauma endlich zu verarbeiten. Dieser Weg ist natürlich ein Irrweg und vergrößert das Leiden noch mehr. Ein Beispiel dafür ist eine Frau, die in ihrer Kindheit körperliche Gewalt erfahren musste und "tragischerweise" einen Mann heiratet, der sich in der Ehe als gewalttätiger Partner entpuppt. Gute und nachhaltig wirksame Auflösungen von traumatischen Erlebnissen können aber nur in einem sicheren Umfeld und möglichst in Begleitung eines kompetenten Therapeuten stattfinden.