ZUR THEORIE: PROJEKTIONEN UND SYMBIOSE FALLBEISPIEL VON 10% AUF 100%!!!
PROJEKTIONEN UND SYMBIOSE TRAUMATISIERTE MUTTER Kinder haben reale (Pflege, Fürsorge) und emotionale (Zuwendung, Liebe) Bedürfnisse gegenüber ihrer Mutter. Das Bedürfnis nach Liebe und Zuwendung ist eines der beiden Grundbedürfnisse – das andere ist das nach Selbstbestimmung (Autonomie).
Wenn eine Mutter – auf Grund eigener früher Traumatisierung - nicht autonom und selbstbestimmt ist, wenn sie selber sich bedürftig und hilflos fühlt, ist sie durch diese Bedürfnisse ihres Kindes überfordert, zieht sich emotional (Liebesentzug) oder real (Verwahrlosung) zurück oder wird böse: sie lehnt das Kind bzw. dessen Bedürfnisse ab. Für ein Kind ist das existenziell gefährlich, löst massive Verlassenheits- und Todes-Ängste aus. Wenn eine Mutter ihr Kind mit seinen kindlichen Bedürfnissen nicht wahrnehmen und annehmen kann, dann kann ein Kind bei dieser Mutter nicht Kind mit kindlichen Bedürfnissen sein. Eine Beziehung auf einer „Mutter-Kind-Achse“ ist dann nicht möglich.
ANPASSUNGS-STRATEGIE DES KINDES Um zu überleben, sucht ein Kind dann nach einer „alternativen“ Beziehung. Dabei nimmt es die - offenen oder verdeckten – Erwartungen der Mutter wahr. Und es lernt, diese Erwartungen immer präziser wahrzunehmen, „mit tausend Antennen“. Eine Mutter – die selber als Kind diese Fürsorge und Liebe von ihrer Mutter nicht erlebt hat – erwartet unbewusst von ihrem Kind das, was sie selber als Kind nicht bekommen hat. Vielleicht glaubt sie sogar, ein Recht dazu zu haben, wenn sie sich selber als Kind an die Erwartungen der eigenen Mutter anpassen musste. Das gibt dem Kind die Chance zu einer „alternativen“ Form von Beziehung: indem es Mutters Erwartungen spürt, diese Erwartungen annimmt, sich dafür zuständig fühlt, versucht es der Mutter das zu geben, was diese als Kind von ihrer Mutter nicht bekommen konnte. Es übernimmt für die Mutter zum Beispiel die Rolle von deren Mutter. So bekommt das Kind die - vielleicht illusionäre – Vorstellung, für die Mutter bedeutsam, wichtig oder gar unentbehrlich zu sein. Fürs Überleben reicht das zunächst. Diese Dynamik eines „Rollentausches“ zwischen Mutter und Kind ist sehr verbreitet und wird in der Familientherapie als „Parentisierung“ bezeichnet (von lat. „parentes“ die Eltern).
PROJEKTIONEN Die – unangemessenen – Erwartungen der Mutter an ihr Kind werden als „Projektion“ bezeichnet (lat. proicere ‚hinauswerfen, hinwerfen‘). Die Mutter „projiziert“ ihre Erwartungen auf ihr Kind – so wie man ein Dia auf die Leinwand projiziert. Und das Kind, in seiner emotionalen Verlassenheit, entwickelt eine besondere Sensibilität für solche Projektionen, nimmt sie an und „identifiziert“ sich damit. Projektionen betreffen nicht nur fehlende Eltern, sie können auch abgespaltene Selbstanteile (den eigenen Schatten nach Jung), abgelehnte Familienmitglieder, oder eine Sündenbockrolle beinhalten, oder mit einer Idealisierung verbunden sein. PROJEKTIONEN UND SYMBIOSE Wie man sieht wirken mehrere Aspekte an der Dynamik der Parentisierung mit: Das Bedürfnis des Kindes nach Bindung. Mutters Unfähigkeit, auf diese Bedürfnisse einzugehen, verbunden mit ihren Erwartungen an das Kind. Die Fähigkeit des Kindes, diese „Projektionen“ wahrzunehmen und sich mit ihnen zu identifizieren.
SYMBIOSE ALS ÜBERLEBENS-STRATEGIE Diese komplexe Dynamik, dies „Arrangement“ ermöglicht dem Kind das Überleben, gibt ihm das Gefühl, für die Mutter wichtig, ja vielleicht sogar unentbehrlich zu sein (wie eine „Prothese“). Diese Bindung ist symbiotisch, sie ist sozusagen der Ersatz für eine reale Mutter-Kind Beziehung, die infolge Mutters eigener Traumatisierung nicht möglich war. Aber das Kind zahlt dafür einen hohen Preis. DER PREIS DER SYMBIOSE Um zu überleben unterdrückt es seine eigenen kindlichen Bedürfnisse – um nicht Mutters Ablehnung auszulösen, so als seien sie gefährlich, richtet es seine Wahrnehmung einseitig auf die Mutter und deren Bedürfnisse, so als seien es seine eigenen, und es darf diese Zusammenhänge und seine Wut darüber nicht wahrnehmen, sonst fliegt ihm das ganze „Arrangement“ um die Ohren. Diese Beziehung zur Mutter ist symbiotisch, aber nicht im Sinne einer „gesunden“ Mutter-Kind-Symbiose, welche die Voraussetzung ist für eine eigene Autonomie-Entwicklung. Nein, diese Symbiose verhindert eine gesunde Autonomie-Entwicklung, sie ist daher destruktiv. Mit anderen Worten, ein derart „geprägtes“ - besser „verbogenes“ Kind hat massive Probleme mit seiner Wahrnehmung: es nimmt Mutters Bedürfnisse (Projektionen) besser wahr als die eigenen, die es gar nicht spüren darf, da sie gefährlich sind, bzw. es kann daher gar nicht zwischen Mutters Bedürfnissen und den eigenen unterscheiden. Abgrenzung: mit der fehlenden bzw. verbotenen Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremden verbunden ist die Unfähigkeit seinen eigenen Raum zu spüren und in Besitz zu nehmen durch Abgrenzung. Identität: es identifiziert sich mehr mit Mutters Bedürfnissen als den eigenen, übernimmt in Mutters Raum fremde Rollen, z.B. die von Mutters Mutter, die emotional nicht so präsent sein konnte. Aggressions-Hemmung: Es darf seine Wut darüber nicht spüren und schon gar nicht ausdrücken.
Diese Aspekte entsprechen dem fixierten, destruktiven Symbiosemuster, und dies Muster bestimmt sein weiteres Leben. Die symbiotische Beziehung zur Mutter wird zum „Modell“ für seine späteren Beziehungen, zu Geschwistern, zu einem Partner, zu den Kindern, sogar zur Arbeit (Workoholic, Burnout) Und es bestimmt unbewusst auch seine Partnerwahl!
SYMBIOTISCHE BEZIEHUNGEN ..... Wahrscheinlich wird dieser Klient einen Partner finden, dem seine Mutter emotional gefehlt hat. Der Partner hat entsprechende -“nonverbale“ - Projektionen ausgesendet – und unser Klient, durch eigene Erfahrungen dafür sensibilisiert – fühlt sich aufgefordert und in der Lage, diese Projektionen anzunehmen, diese Erwartungen zu erfüllen und – natürlich ebenfalls nonverbal – ihm seine Wünsche „von den Augen abzulesen“. Gelernt ist gelernt, und so wiederholt sich die symbiotische Beziehung. So wird das Symbiosemuster aufrecht erhalten und verstärkt. Bemerkenswert: der „nonverbale“ Aspekt von gegenseitigen Projektionen und Erspüren der fremden Projektionenen ist ein typisches Merkmal symbiotischer Beziehungen.
...UND „AUTONOME“ BEZIEHUNGEN „Erwachsene“ Beziehungen sind demgegenüber gekennzeichnet durch lebhafte, gerne auch emotional heftige Auseinandersetzungen, in denen immer wieder solche unausgesprochenen Projektionen geklärt werden können, sodass ein partnerschaftliches Gegenüber möglich wird, bei dem jeder sich so zeigen darf, wie er wirklich ist. Je mehr sich jeder zeigen kann, wie er wirklich ist, umso authentischer, umso anziehender wird er dadurch für den anderen. Diese „Bindung durch gegenseitige Anziehung“ gibt beiden die Freiheit, sich zu verändern und zu wachsen – und dadurch für den anderen anziehend zu bleiben. Ein deutlicher Kontrast zu der beklemmenden Enge einer symbiotischen Beziehung, die ihre – vermeintliche – Sicherheit in immer grösserer gegenseitigen Abhängigkeit sucht.
„Mehrfach-Identifizierungen“ Systemaufstellungen ermöglichen auf einer „symbolischen“ Ebene, solche Projektionen zu überprüfen und gegebenenfalls zu lösen. Dabei wird deutlich, dass ein Klient für eine traumatisierte Mutter nicht nur eine Person, einen fehlenden Elternteil „ersetzen“ zu müssen glaubte, sondern häufig zusätzlich noch ein früh gestorbenes Geschwister oder den – emotional oder real – nicht präsenten Ehepartner. Bei genauer Überprüfung vielleicht sogar Mutters „Selbst“ - mit dem sie nicht immer verbunden sein konnte. Solche „Mehrfach-Identifizierungen“ - Ausdruck von „Mehrfach-Projektionen“ - sind ausgesprochen häufig – aber nur, wenn man nach ihnen schaut! Fast immer sind sie verbunden mit einer Identifizierung auch mit der Mutter: das Kind kann sich gut in die Mutter versetzen, kennt sich bei ihr sehr gut aus – vielleicht besser als die Mutter selber? Es fühlt sich im Raum, „auf dem Boot“ der Mutter zuhause, zuständig, so als wäre es da „Bordmechaniker“, Lotse oder sogar der bessere „Kapitän“! Die Folgen sind meist sehr leidvoll für alle Beteiligten. Die Lösung nicht einfach. Da kann es für die Distanzierung zu diesem Muster hilfreich sein, über die komischen Aspekte dieses Arrangements, über sich selbst zu schmunzeln.
Diner for one Mehrfach-Identifizierungen sind sehr verbreitet. Deshalb ist vielleicht auch der bekannte Sketch, „Diner for one“ so beliebt, der an jedem Silvester im Fernsehen gesendet wird. Der Butler deckt für den Geburtstag von Lady Sophie vier zusätzliche Gedecke – einschliesslich Weinglas – für deren frühere Liebhaber, und prostet ihr aus jeder dieser Positionen, mit denen er sich dabei identifiziert, herzhaft zu. Die Folge dieser Art von „Mehrfach-Identifikation“ – und zusätzlich Alkohol! - zeigt sich deutlich: Er wird zunehmend unsicherer auf den Beinen, stolpert konsequent über die am Boden liegende Eisbär-Trophäe – hat er vielleicht seiner Lady auch sein „Krafttier“ geopfert, seine Fähigkeit, sich abzugrenzen und ganz er selber zu sein? Am Schluss begleitet er sie die Treppe hinauf in ihr Gemach und zwinkert dem Zuschauer zu: „I will do my best!“
Verwirrung durch Mehrfachidentifizierung Eine jede dieser Identifizierungen ist für sich bereits verwirrend, da sie dem Betroffenen den Zugang zu seiner eigentlichen Identität erschwert. Extrem verwirrend, ja potentiell verrückt-machend wirken sich aber Mehrfachidentifizierungen aus, wenn der Klient gleichzeitig mit zwei Personen identifiziert ist, die miteinander unversöhnlich verstritten sind. Das soll durch folgende Rückmeldung verdeutlicht werden (Die Autorin ist selber Therapeutin und sehr sensibel!):
FALLBEISPIEL VON 10% AUF 100%!!! Ich habe nach der Aufstellung ein Wunder erlebt! Wenn ich es jetzt beschreibe, schiessen mir wieder in tiefer Berührung Tränen in die Augen – mein Leben hat sich so wunderbar gewandelt! Vom Gefühl her war ich bisher nur 10 % Olivia und habe deshalb vollstes Verständnis, dass vieles, was ich auf die Beine gestellt habe so anstrengend und mühsam war. Zu 45 % war ich ausgefüllt mit Papas ungelebten Träumen und Sehnsüchten und zu 45 % mit Mamas Verachtung dieser Träume („das ist doch nicht nötig!!“) und ihren gleichzeitigen Schuldgefühlen („Ich war zu ängstlich und deshalb hat Euer Vater sich mir zuliebe viel zurückgehalten.“) Und ich habe mich da – natürlich ohne es zu wissen – als liebendes jüngstes Kind, sozusagen als die letzte Hoffnung, dass doch noch alles gut wird, ein-gemischt und von beiden das Schwere genommen, um sie nicht allein in ihrem Leid zu lassen!
Ich verstehe mich jetzt soo gut. Ich habe mich so oft für meine Ambivalenzen gehasst und verurteilt, mich als kindisch, unerwachsen und entscheidungsunfähig beschimpft. Jetzt weiß ich wo es her kam: Einmal durch Mamas Brille auf mich schauen und bewerten und dann durch Papas Brille schauen und bewerten, und da wo ich mal schnell zwischendurch meine 10 % gelebt hab‘ und zum Erfolg gekommen bin, hatte ich entsetzliche Schuldgefühle es gut zu haben und/oder erfolgreich zu sein! Ich hatte entsetzliche Angst verrückt zu werden. Nach der Abgrenzungsarbeit zu meiner Mutter wurde es etwas schwächer und seltener, aber weg war es nicht. Jetzt verstehe ich warum: Die ungesunde Verbindung zur Mutter war nur ein Teil des Nährbodens für diese Ängste. Diese Ängste habe ich einmal auf einen Zettel geschrieben – nicht ins Tagebuch, weil ich so ein Gefühl hatte: Dann gehören sie auf immer zu mir. Aber eines Tages waren sie so stark, dass ich es mal gern aufgeschrieben sehen wollte, was mir alles Angst macht: Ich habe Angst ungehorsam zu sein. Ich habe Angst bestraft zu werden (auch vom Schicksal, von Gott). Ich habe Angst schuldig zu werden, weil ich zu viel arbeite. Ich habe Angst schuldig zu werden, weil ich zu wenig arbeite. Ich habe Angst schuldig zu werden, weil ich mir zu viele schöne Erlebnisse besorge. Ich habe Angst schuldig zu werden, weil ich zu viel esse. Ich habe Angst schuldig zu werden, weil ich zu wenig esse. Ich habe Angst schuldig zu werden, weil ich jemand etwas zu übertrieben deutlich erkläre und ihn/sie damit nerve oder zwischen den Zeilen für dumm hinstelle oder mich zu wichtig mache. Ich habe Angst schuldig zu werden, weil ich jemand etwas zu kurz und oberflächlich erkläre und er/sie mich missversteht und es entstehen ungute Folgen. Ich habe Angst vor Aggression anderer mir gegenüber. Ich habe Angst zu viel Geld auszugeben. Ich habe Angst für falsche Dinge Geld auszugeben. Ich fühle mich schuldig, wenn ich joggen gehe. Ich fühle mich schuldig, wenn ich nicht joggen gehe. Ich habe Angst, dass mich jemand beim Atmen mit einer Mitteilung oder einer Tätigkeit so unterbricht, dass ich keine Luft bekomme.
Nach der Aufstellung mit meinem Vater weiss ich: ICH BIN NORMAL ! Ich war so so so oft körperlich müde, am besten ging es mir, wenn ich täglich 10 oder 11 Stunden Schlaf hatte. Das hatte mich zwar immer sehr gestört, dass ich soviel Schlaf brauchte, aber wenn ich mal 2, 3 Tage nur 8 oder gar 7 Stunden hatte, fühlte ich mich halbtot. Aber ich bin irgendwie schon auch sehr stolz, dass ich es trotz all‘ dieser Einschränkungen so weit gebracht hab‘.
Jetzt bin ich so dankbar, DASS ES VORBEI IST ! Ja, ich war direkt nach der Aufstellung sehr, sehr erschöpft und blieb es auch drei Tage, zwischendrin kamen jeweils für 2 Stunden 3 oder 4 schlimme Angstschübe verrückt zu werden. Und dann am vierten Tag nach der Aufstellung kamen diese klaren wunderbaren Erkenntnisse morgens im Bett, im Halbschlaf, von denen ich oben im Brief berichte. Ich bin frei ! Ich bin ICH ! Es ist so so so wunderbar! Ich bin nicht euphorisch, ich würde sagen: Kein bisschen. Ich sehe meine Fehler, meine Schwächen, wie sich andere über mich gegebenenfalls auch ärgern. Aber sie haben wieder das rechte Maß! Ich esse lustvoll, ich habe keine Verdauungsprobleme mehr, ÜBERHAUPT kein Angst! Ich komme gerade vom Joggen und es war nur der pure Genuss. Ich sehe wie die Kinder (drei erwachsene Töchter) Dinge machen, die mir nicht gefallen. Ich bin nicht traurig, ich bin nicht wütend, ich habe keine Versagensgefühle, ich denke einfach: Meins wärs nicht.
Ich erlebe meinen Ehemann so wohltuend gleichberechtigt und erwachsen neben mir und ihn wie mich unabhängig voneinander !
Es ist groß, groß, groß ……….. !!! Und nach zwei Jahren: Es war jetzt für mich auch wunderschön nach langer Zeit meine Rückmeldung nochmal zu lesen und absolut klar zu spüren, dass das alles noch 100 % stimmt UND LEBT! Ich würde sagen: Da ist nichts oder vorsichtshalber sage ich mal "fast nichts" in alte „Denk- und Fühlkreisläufe“ gerutscht. Und es ist auch völlig zutreffend, dass ich die meisten Situationen der Distanz und der Eigenständigkeit mit meinem Mann SEHR befreiend und leicht empfinde und das hat uns natürlich in einigen Punkten sehr nahe gebracht. Allerdings erlebe ich meinem Mann nach wie vor in Phasen, in denen er sich weit zurückgezogen, ängstlich und nahezu aussagenlos verhält und diese Phasen sind für mich dann schon stundenweise schwer, aber auch längst nicht mehr so schwer wie vor meiner Arbeit. Vor meiner Arbeit habe ich die Rückzüge als Bestrafung durch ihn an mich gewertet und heute weiß ich und fühle wohltuend getrennt aber deutlich: Es ist sein Paket, das eine gewisse Auswirkung auf mich hat, weil ich seine Frau bin, aber mehr nicht. Das ist nicht sehr schön, aber viel besser auszuhalten.
Kommentar Dieser Bericht spricht für sich. Die Klientin war mit beiden Eltern identifiziert, die extreme Konflikte untereinander hatten. Sie wollte Frieden zwischen den Eltern stiften, so als müsse sie diesen Konflikt in sich austragen und dadurch „heilen“? Da war kaum Platz für sie selbst, sie stellte ihren Raum den Erwartungen (Projektionen) der Eltern zu Verfügung. Das hat sie innerlich zerrissen, und verwirrt, das war der Grund dafür, dass sie Ängste hatte, verrückt zu werden. Durch die Abgrenzungsarbeit, konkret durch zwei Aufstellungen mit Mutter und Vater konnte sie die Rollen (Projektionen) die sie für die Eltern unbewusst übernommen hatte, wahrnehmen und den Eltern bewusst zurück geben – auch wenn es sich für sie extrem gefährlich und verboten anfühlte. Danach konnte sie ihren Raum in Besitz nehmen, konnte sie endlich mit sich selber identisch sein. Ihre jahrzehntelangen Ängste, insbesondere die Angst verrückt zu werden hing mit dieser Mehrfachidentifikation zusammen. Deren Lösung wirkte sich für sie daher extrem befreiend und erleichternd aus! Und sie konnte die „gesunde Distanz“ zu ihrem Mann - die sie vielleicht früher als mangelnde Nähe missverstanden hatte? - als wohltuend erleben! Das ermöglichte ihr, seine Themen als zu ihm gehörig wahrzunehmen und bei ihm zu lassen – statt sie unabgegrenzt als Reaktionen auf ihr Verhalten zu deuten, für die sie sich dann vielleicht zuständig fühlen muss. Immer wieder gilt die Erfahrung: wenn es gelingt, in einer Beziehung diese „gesunde Distanz“ herzustellen, dann wächst nicht nur unsere eigene Autonomie! Es wächst auch der Respekt für den anderen, aber auch für sich selber. Und dieser Respekt ist die Grundlage für das, was wir uns alle so wünschen: die gegenseitige Liebe, die erst aus dieser Achtung erwachsen kann.
Hallo Ero, das Fallbeispiel spricht mir sehr aus dem Herzen. Ich war am Freitag beim Psychologen, da ich immer wiederkehrende depressive Phasen in meinem Leben habe und Probleme damit habe, eine Partnerschaft zu finden, obwohl ich es mir sehnlichst wünsche. Seine Diagnose war ebenfalls Parentisierung und zwar mit meiner Mutter. Sie hat als ich ein Kind war Depressionen gehabt und war auch in therapeutischer Behandlung nachdem sie fast einen Suizidversuch unternommen hätte. Ich selbst habe schon mehrere Aufstellungen gemacht. Meinen ungeborenen Zwilling habe ich dabei wiedergefunden und meine Beziehung zu meinem Vater aufgearbeitet. Diese war durch die Trennung meiner Eltern sehr schwierig geworden und ich habe mich immer verlassen gefühlt und ihm dafür die Schuld gegeben. Seit dem Besuch nun beim Psychologen und seiner Schlussfolgerung, dass ich eine Psychotherapie machen sollte, bin ich ziemlich geschockt gewesen, aber auch zum ersten Mal richtig verstanden. Da ich im Ausland lebe und momentan eigentlich eine Rückkehr nach Deutschland plane, erwäge ich nun, dies zu verschieben und die Therapie hier zu beginnen. Ich weiß, dass ein Umzug und Jobwechsel mich viel Kraft kosten würde und ich würde nicht gleichzeitig noch eine Therapie beginnen können. Dies habe ich meinem Vater erzählt und er sagte, dass ich das nicht so strikt sehen solle und man durchaus erst mal anfangen könne und dann die Therapie wechseln. Er hätte das schließlich auch einmal gemacht. Ich merke, dass es mir schwer fällt mich davon abzugrenzen. Eigentlich hatte ich schon öfter den Eindruck, dass ich vieles in meinem Leben gemacht habe, weil meinen Vater das stolz machen würde. Ich bin Ingenieur – das ist Tradition in unserer Familie, allerdings von den Männern. Auch meine diversen Auslandsaufenthalte waren ursprünglich nicht meine Idee gewesen. Ich fühle mich zerrissen zwischen zwei Welten. Was ich selbst will, weiß ich eigentlich nicht wirklich. In dem Fallbeispiel kommt mir sehr bekannt vor, dass man weder das eine, noch das andere darf. Nicht zu viele Überstunden, aber auch nicht zu wenig arbeiten. Nicht alles für eine Beziehung investieren, aber keine Beziehung zu haben ist auch nicht akzeptabel. Zu viel Karriere machen und Freunde und Familie vernachlässigen geht nicht, aber keine Karriere zu machen ist auch nicht OK. Energie ist für mich selbst auch keine übrig. Immer wieder frage ich mich, was ich eigentlich will, aber ich weiß es nicht. Ich hoffe, in der Therapie eine Antwort zu finden und werde auch sicher, das Thema von meinen beiden Eltern noch einmal aufstellen. Viele Grüße
hallo lieber namenloser! ja das klingt wie eine parallele. und sicher gibt es therapien die bei der lösung behilflich sind. durch systemische selbstintegration könnte vielleicht eine lösung schneller gelingen, durch 2-4 aufstellungen, davon eine in der gruppe. man könnte das auch zeitlich raffen: eine doppelstunde und nach einigen wochen eine dritte stunde und ein bis zwei tage bei einem seminar. sie könnten schon einmal vorarbeiten mit hilfe des "do it yourself" formates (homepage unter selbsttherapie). viel glück ero