„Kombiniertes“ Beziehungs-Trauma in einer Selbst-integrierenden Stressor-Aufstellung.
Die sich zuspitzenden Krisen versetzen viele unter uns in Angst, Resignation und Verzweiflung. Alte Traumata – eigene und solche aus der Familie – werden getriggert. Viele geben dem Schrecklichen in der ganzen Welt ihre ganze Aufmerksamkeit und Energie – obwohl sie da gar nicht zuständig sind! Sie werden gelähmt durch Mitleid (-en!), Oft fehlt ihnen dann die Kraft, sich um ihr EIGENES zu kümmern: Beziehungen und Beruf. Da kann bewusste Abgrenzung und Besinnung auf die eigenen Ressourcen, auf den eigenen Wesenskern, auf die eigenen WURZELN hilfreich sein. Vielleicht ist das sogar der Sinn der aktuellen Krisen?? Dazu ist mir ein Bild gekommen, das ich mit euch teilen möchte. Mein Vetter Thomas – Biogärtner – zeigte uns kürzlich in seiner oberbayerischen Heimat, wie die Fichten unter der Trockenheit leiden und absterben, während die Weisstannen weiterhin grün und aufrecht stehen! Und er verriet uns den Grund dafür: Fichten sind FLACHWURZLER, sie erreichen nicht die tieferen wasserhaltigen Schichten. Die Weisstannen dagegen sind TIEFWURZLER! Sollten wir es nicht so machen wie die Weisstannen? Systemische Selbst-Integration Als Psychiater und Therapeut verwende ich seit 25 Jahren die Methode der System-Aufstellung. Bei allen Klient*innen fand ich eine fehlende oder eingeschränkte Abgrenzung und eine Tendenz zu symbiotischen Abhängigkeitsbeziehungen. Fremdbestimmung statt Autonomie! Seit der Corona-Epidemie arbeite ich nur noch online, mit Holzklötzchen als Symbolen. Es wurde immer deutlicher, dass das Symbiosemuster Folge von frühen Beziehungstraumen ist.
Die meisten Trauma-Konzepte gehen davon aus, dass ein im limbischen System gespeichertes Trauma nicht gelöscht werden kann, und Besserung nur durch Integration der damalige Erfahrungen möglich sei. Ein mühsamer Weg, der zudem die Gefahr einer erneuten Traumatisierung beinhaltet. Unser Konzept beruht auf der Erfahrung, dass es ein kraftvolles System der Selbstheilung gibt, welches durch belastende Erfahrungen blockiert, aber nicht zerstört werden kann. Durch ein gezieltes Wahrnehmungstraining der Klient*innen hisichtlich Differenzierung und Strukturierung kann diese Fähigkeit zur „Rekonsolidierung“ (siehe Hensel) so aktiviert werden, dass das Trauma von damals seine Wirkung verliert und auch nicht mehr getriggert werde kann. Dann ist wieder Selbstverbindung und Autonomie möglich.
Frühes Beziehungstrauma mit einer Bezugsperson Ein Kleinkind ist bedürftig und hilflos, abhängig von diesem Elternteil, welches meist selber traumatisiert ist. Dies Machtgefälle gehört zu der Realität des Kindes, auf die es sich einstellen muss, um zu überleben. Ein gesundes Selbstbild mit einem eigenen, „intrinsischen“ Selbstwert kann es zwar in diesem traumatisierenden Umfeld nicht entwickeln. Um dennoch zu überleben, entwickelt das Kleinkind bemerkenswerte Fähigkeiten, sein Selbstbild und sein Verhalten an diese traumatisierende Realität anzupassen. Wenn mit der Aufstellungsmethode ein frühes Beziehungstrauma mit einer Bezugsperson (meist Vater oder Mutter) bearbeitet wird, wird Folgendes deutlich: Die Klient*in hat schon früh ihre Wahrnehmung einseitig nach aussen fokussiert, • um sich besser nach den Überzeugungen und Erwartungen dieses Elternteils orientieren zu können, damit es von ihm Anerkennung statt Ablehnung erfahren kann. • Zugleich musste sie auch die Traumen dieses Elternteils erfassen, um diese nicht unbeabsichtigt zu „triggern“ – und dadurch heftige emotionale Ausbrüche von Wut oder auch Depression auszulösen.
So entwickelte sie ein Überlebens-Selbst, welches so widersprüchliche Aspekte enthält wie negativer Selbstwert und vorauseilende Selbst-Erniedrigung einerseits und Tendenzen zu magisch-grandioser Selbst-Überhöhung andrerseits. Obwohl Selbstbild und Verhalten in sich widersprüchlich sind („brüchiges Selbstwertgefühl“) und schon gar nicht mit ihrem eigenen Wesenskern mit ihrem „Selbst“ vereinbar (kongruent) sind, identifizieren sich die Betroffenen unbewusst mit dem Trauma und mit den damaligen Überlebensstrategien, so als sei das ihre eigentliche Identität.
In der Aufstellung zeigt sich regelmässig, dass das diese Element des damaligen Traumas im Gedächtnis auf eine Weise gespeichert wurden, dass die einzelnen Elemente nicht mehr unterschieden werden können. Dieses „Konglomerat“ wird im limbischen System gespeichert wird, einem entwicklungsgeschichtlich frühem Bereich des Gedächtnisses, das dem Bewusstsein nicht zugänglich ist. Daher bestimmt das Überlebensprogramm von damals auch später noch das Selbstbild und das Verhalten des Erwachsenen, ohne dass dieser das kontrollieren oder verändern kann. Es wird zu seinem „falschen Selbst“ (Winnikott), bzw. zum „Stressor“ (Hensel).
In den Aufstellungen sehen wir nicht selten, dass eine Klient*in sich nicht von Trauma und Überlebensstrategie distanzieren möchte, weil sie irrtümlich glaubt, dadurch eine wichtige Verbindung zu der Bezugsperson verlieren. Wir lernen daraus: In traumatisierten Familien entsteht nicht selten Verbindung zwischen den Mitgliedern, Generationen übergreifend, durch das Teilen des Leides. Sei es, dass fremdes Leid übernommen wird. Sei es dass das Leid einer Bezugsperson unbewusst nachgeahmt wird, um sich dadurch mit dieser Person verbunden zu fühlen.
Die Betroffenen können ihr Überlebensprogramm selber nicht ändern, oder loslassen. Daher erleben sie es wie Zwang – um so mehr da sie gleichzeitig eine Ahnung davon haben, dass es ihrem inneren Wesen nicht entspricht. Es ist inkompatibel mit ihrem Selbst. So wird dies „falsche“ Überlebens-Selbst zum „Stressor“. Dieser Stress kann zu Erschöpfung, zu psychischer Verwirrung führen und somatisch krank machen. Mehr noch: Dies Überlebens-Selbst und die damit verbundenen symbiotischen Beziehungsmuster bewirken, dass die Betroffenen sich von belasteten Partnern angezogen fühlen, die den früheren Bezugspersonen ähnlich sind. So stellen sie unbewusst die toxischen Beziehungen von damals wieder her, vielleicht in der Illusion, ihre Überlebensstrategien da erfolgreich anwenden zu können. Bzw. sich da besser auszukennen, als bei unbelasteten Partnern. Wie in einem Teufelskreis kreieren die Betroffenen auf diese Weise weitere Stressoren, sie erzeugen so eine „Stressorkaskade“ (Thomas Hensel). Eine Negativspirale die auf der individuellen Ebene nicht selten zu psychiatrischen Störungen führt: Depression, Sucht, Psychose. Wenn beide Eltern traumatisiert sind Meist sind beide Eltern traumatisiert. Entweder verbünden sie sich gemeinsam gegen das Kind, das nun alleine und in der schwächeren Position hilflos einer Koalition ausgeliefert ist. Das verstärkt Tendenzen zu Selbstabwertung und Unterdrückung eigener Bedürfnisse und Gefühlen, zur Unterdrückung einer gesunden Wut. Oder die Eltern versuchen, das Kind in ihre Konflikte mit hinein zu ziehen. So gerät das Kind in ein Spannungsfeld zwischen den Eltern. Das multipliziert noch das Verwirrungs-Potential. Die Wahrnehmung eines Kindes wird extrem gefordert, da es gleichzeitig beide Eltern mit ihren Bedürfnissen und Traumen im Blick haben muss. Das erklärt die häufig zu beobachtende Tendenz zu Kontrolle und die selbstüberfordernde Grössenfantasien, als wäre es für den Ausgleich zwischen beiden verantwortlich. (Magisch-grandiose Überlebensstrategien) Dazu erwirbt das Kind die Fähigkeit, rasch von einer Rolle in die andere schlüpfen zu können, bzw. das Kunststück zu vollbringen, mehrere Rollen gleichzeitig zu spielen. Gleichzeitig lernt es, die eigene Vitalität zu unterdrücken, um sich vor Verletzungen durch diese Eltern zu schützen, bzw. um nicht die belasteten Eltern durch seine Vitaliät zusätzlich zu belasten. Das erklärt, warum es dazu neigt, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse gar nicht erst wahrzunehmen (Abspaltung,). Diese Überlebensstrategie der Selbst-Verleugnung und - Unterdrückung hat zwar die damals geforderte Rollenflexibilität möglich gemacht. Allerdings um den Preis einer fehlenden Autonomie-Enwicklung. Diese frühe Programmierung durch spezifische frühe Traumatisierung bestimmt dann die späteren Lebensstrategien der Betroffenen. Ohne Verbindung mit dem eigenen Selbst, orientieren sie sich an Anderen. Dadurch können sie keine sichere Unterscheidung zwischen Ich – und Nicht-Ich entwickeln. Damit geht auch die Wahrnehmung für eigene – und fremde! – Grenzen verloren. Das genau sind die Elemente des Symbiosemusters – das daher als Kompensationsversuch bei Traumatisierung verstanden werden kann. Mit den unvermeidbaren Folgen: chronische Erschöpfung und Depression, verbunden mit psychosomatischen und somatischen Gesundheitsstörungen.
Manche Betroffene „drehen den Spiess um“, und schaffen es, durch die erworbenen Überlebensstrategien zu Ansehen und Macht zu kommen. Sie verstehen es perfekt, andere zu kontrollieren und von sich abhängig zu machen, durch Versprechungen, durch Lügengeschichten, durch Drohungen oder durch Gewalt. So werden aus Opfern Täter. Einige von ihnen werden als Kriminelle verfolgt – und beschäftigen Polizei und Justiz.
Andere verstehen es, sich selbst und die anderen so subtil zu manipulieren, dass diese an ihrer eigenen Wahrnehmung zweifel, und sich freiwillig ihnen unterordnen. Diese Methoden sind als „Gaslighting“ bekannt geworden. Und gerade erleben wir, wie derartig narzisstisch gestörte Menschen an die Spitze von Regierungen geraten. Sowohl in autoritär-diktatorischen Ländern, als auch in demokratisch orientierten Ländern! Beziehungstrauma und psychische Erkrankungen Dies Thema hat schon vor mehr als 60 Jahren Murray Bowen, ein US-amerikanischer Pionier der Familientherapie erforscht. Dazu nahm er Familien mit einem schizophrenen Mitglied in seiner Klinik auf, um deren Verhaltens- und Beziehungsmuster zu studieren. Er entwickelte acht zusammenhängenden Konzepte, zu denen ganz zentral die Differenzierung des Selbst (»differentiation of self«) und das Konzept der Dreiecke (»triangle«) gehörte. Unser Verständnis von Autonomie durch Selbst-Integration weist grosse Parallelen auf zu Bowen´s Selbst-Differenzierung. Auch das das von Bowen beschriebene verwirrende Potential der „Dreiecke“ zeigt sich in unserer Aufstellungsarbeit mit „kombinierten“ Beziehungstraumen. Seit kurzem habe ich dazu ein NEUES FORMAT entwickelt: „Kombiniertes“ Beziehungstrauma als Stressor Mein Kollege und „Juniorpartner“ Philipp Kutzelmann hat schon länger – angeregt durch Bowen – die Klient*innen zwischen die Symbole der beiden Eltern gestellt, um sie diesen Aspekt ihres Kindheitstraumas nocheinmal spüren zu lassen. Anschliessend liess er sie eine Abgrenzung gegenüber beiden Eltern in einer Aufstellung machen. Dabei konnte er heftige körperliche und emotionale Reaktionen beobachten, und - nach der Abgrenzung - eine ebenso tiefgehende Befreiung.
Daher habe auch ich mich dafür entschieden, in einem neuen Format das Beziehungstrauma mit beiden Eltern aufzustellen. Nur so kann das ganze Ausmass dieser Verwirrung sichtbar gemacht – und dann gelöst werden. Bisweilen kommen noch weitere Personen dazu: eine dominante Grossmutter oder ein besonders verletzendes – oder verletztes – Geschwister. Auch diese gehören ja zu der “Koalition der Verwirrung“ welcher eine Klient*in als Kind ausgesetzt war, und werden daher bei der Aufstellung berücksichtigt.
Lösungsprinzip „Rekonsolidierung“ Thomas Hensel beschreibt in „Stressorbasierte Psychotherapie“ die neueren Erkenntnisse der Gedächtnisforschung, insbesondere das Phänomen der „Rekonsolidierung“: Die Fähigkeit, bis ins hohe Alter hinein ein Trauma-Programm („Stressor“) zu löschen. Das erfordert allerdings eine spezielle Vorgehensweise („Algorithmus“), unter anderem das gleichzeitige Symbolisieren von Trauma und einer „Ressource“ („der bifokale Blick“), sodass die Klient*in zwischen beiden unterscheiden kann. (Differenzierug) Erst dann ist sie in der Lage, das Trauma als Ich-fremd und als bereits vergangen zu erkennen („Desidentifizierung“), und sich von ihm zu distanzieren („Distraktion“).
Unsere Vorgehensweise der Selbst-integrierenden Trauma-Aufstellung – obwohl unabhängig von Hensel entwickelt – weist Parallelen auf zu dem von ihm beschriebenen Algorithmus. Die Verwendung von Holzklötzchen als Symbolen – seit der Covid-Epidemie arbeiten wir nur noch Online mit Symbolen statt Repräsentanten! – ermöglicht es uns zusätzlich, die unterschiedlichen Elemente des Trauma-Konglomerates („Stressors“) so zu symbolisieren, dass die Klient*in sie differenzieren kann und sie einzeln als Ich-fremd erkennen und abgrenzen kann. Der Abgrenzungsprozess ermöglicht der Klient*in die wichtige Erfahrung, ihre Kraft gerichtet für eigene Interessen einzusetzen – statt wie bisher diese Kraft zu blockieren, oder gegen sich selber zu richten. Ein weitere Intervention ist die „Gegenabgrenzung“. Sie ist besonders wirksam, um einem Rückfall in das alte Programm vorzubeugen, und um der Klientin die Dynamik von Burnout bewusst zu machen und ihre Konfliktfähigkeit zu stärken („Fit für die Tigerliga“).
SELBST – DIAGNOSE UND – THERAPIE. Der Lösungsprozess ist so logisch und übersichtlich, dass er von den Betroffenen in Eigenregie durchgeführt werden kann. Entweder nach Anleitung („Do it yourself-“Formate auf der Homepage). Mit dem von uns entwickelten Autonomie-Fragebogen und Diagramm kann jeder selber „messen“ wie ausgeprägt seine Autonomie – aber auch das Trauma-bedingte Symbiosemuster ist. Und eine Messung vor – und 3 Wochen nach – der Aufstellung erlaubt ihm, die erzielten Veränderungen „objektiv“ zu messen. Oder durch „Schattensegeln“: er verfolgt eine passende Aufstellung auf meinem YT-Kanal und stellet sie Mit Klötzchen nach.
Dieser Befreiungsprozess hat eine hohe emotionale Dramatik. Das erinnert an die alten Heldensagen: der tapfere junge Held besiegt den Drachen (Dinosaurier als Symbol für die Traumata der Vergangenheit) und erhält zur Belohnung die schöne Prinzessin (sein Selbst) und ihr Königreich (Autonomie).
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