„Kombiniertes“ Beziehungs-Trauma
in einer Selbst-integrierenden Stressor-Aufstellung.
Ein neues Format


Einführung
Als Psychiater und Therapeut verwende ich seit 25 Jahren die Methode der System-Aufstellung und war überrascht vom diagnostischen und therapeutischen Potential dieser Methode. So war es mir möglich, das Symbiosemuster genauer zu beschreiben und als Traumafolge zu verstehen. Als entscheidende Ursache für alle Probleme meiner Klient*innen erwies sich ihre fehlende Autonomie bzw. Tendenz zu Abhängigkeit. Das Verständnis des Symbiosemusters als Überlebensstrategie nach belastenden Erfahrungen eröffnete neue und rasch wirksame Lösungsstrategien1. Durch aktive Abgrenzung gegenüber Fremden, und Respekt für die Grenzen des Gegenübers konnten die Klient*innen immer mehr ihr eigenes Autonomie-Potential entdecken: Einen „intrinsischen“ Selbstwert, unabhängig von Leistung oder der Meinung anderer, und die Fähigkeit, ihre Kraft gerichtet für ihre eigene Ziele – oder auch für ihren Schutz gegenüber Fremdbeeinflussung einzusetzen. Das ermöglicht Begegnungen von Selbst zu Selbst, Bindungen durch Anziehung – und nicht durch Abhängigkeit. Dadurch verschwanden nicht nur die bisherigen Probleme der Klient*innen. Sie konnten auch die Erfahrung machen, ihre Kraft gerichtet für sich selber einzusetzen (Selbstwirksamkeit) und bedingungslose Liebe zu anzunehmen, und selber zu geben (Liebesfähigkeit). Diese Erfahrung von Glück und Sinnhaftigkeit war für viele unerwartet..
Seit der Corona-Epidemie arbeite ich nur noch online, mit Holzklötzchen als Symbolen. Das hat mein Verständnis für die Dynamiken früher Beziehungstraumen und deren Folgen noch vertieft, und neue wirksame Lösungs-Strategien ermöglicht. Dabei erkannte ich dabei Parallelen zu anderen älteren und neueren Konzepten.
In diesem Beitrag versuche ich, diese komplexen Zusammenhänge in verdichteter Form zu skizzieren. Da das Konzept im ständigen Austausch mit meinen Klient*innen entstand, bediene ich mich bisweilen einer verständlichen, bilderreichen Sprache. Zugleich bemühe ich mich darum, die Vorgehensweise und die beobachtete Phänomene so präzise, zu beschreiben dass sie auch für Aussenstehende nachvollziehbar und überprüfbar sind. Das entspricht meinem Verständnis von wissenschaftlicher Forschung.

(Der Gendergerechtigkeit wegen verwende ich durchgängig den Binnen-Stern (Klient*in), statt Klient/Klientin. Um so mehr, als ca. 70% meiner Klient*innen weiblich sind!)



Frühes Beziehungstrauma mit einer Bezugsperson
Ein Kleinkind ist bedürftig und hilflos, abhängig von diesem Elternteil, welches meist selber traumatisiert ist. Nicht selten erlebt es dann emotionale Vernachlässigung und/oder emotionalem Missbrauch, Ablehnung, Abwertung und körperliche (auch sexuelle) Gewalt.
Diese belastenden Erfahrungen und das Machtgefälle gehört zu der Realität des Kindes, auf die es sich einstellen muss, um zu überleben.

Ein gesundes Selbstbild mit einem eigenen, „intrinsischen“ Selbstwert kann es zwar in diesem traumatisierenden Umfeld nicht entwickeln. Um dennoch zu überleben, entwickelt das Kleinkind bemerkenswerte Fähigkeiten, sein Selbstbild und sein Verhalten an diese traumatisierende Realität anzupassen.
Die Klient*in hat schon früh ihre Wahrnehmung einseitig nach aussen fokussiert,
• um sich besser nach den Überzeugungen und Erwartungen dieses Elternteils orientieren zu können, damit es von ihm Anerkennung statt Ablehnung erfahren kann.
• Zugleich musste sie auch die Traumen dieses Elternteils erfassen, um diese nicht unbeabsichtigt zu „triggern“ – und dadurch heftige emotionale Ausbrüche von Wut oder auch Depression auszulösen.

So angepasst an den traumatisierten Elternteil entwickelte sie ein Überlebens-Selbst, welches so widersprüchliche Aspekte enthält wie Selbst-Abwertung und vorauseilende Selbst-Erniedrigung einerseits und Tendenzen zu magisch-grandioser Selbst-Überhöhung andrerseits.
Obwohl Selbstbild und Verhalten in sich widersprüchlich sind („brüchiges Selbstwertgefühl“) und schon gar nicht mit ihrem eigenen Wesenskern mit ihrem „Selbst“ vereinbar (kongruent) sind, identifizieren sich die Betroffenen unbewusst mit dem Trauma und mit dem damaligen Überlebensprogramm, so als sei das ihre eigentliche Identität. Und das bisweilen ein ganzes Leben lang.
Denn das Überlebensprogramm wird im limbischen System gespeichert.

Das limbische System

„Das limbische System ist ein entwicklungsgeschichtlich altes System, dass die Emotionen und die Triebe reguliert. Was im limbischen System abgespeichert ist, entzieht sich einer bewusst-rationalen Kontrolle. Diese Kontrolle wird normalerweise durch den präfrontalen Kortex ausgeübt, der für bewusstes Denken, Entscheidungen und Gedächtnisbildung zuständig ist. Insgesamt bedeutet das also, dass man bei einer traumabedingten Angst-Reaktion keine Chance hat, beispielsweise auf „vernünftiges Zureden“ zu reagieren.“ (Guido Flatten)

Daher bestimmt das Überlebensprogramm von damals auch später noch das Selbstbild und das Verhalten des Erwachsenen, ohne dass dieser das kontrollieren oder verändern kann.
Die Klient*in hat keine Alternative kennen gelernt, daher identifiziert sie sich mit diesem Trauma-Komplex, so als sei er ein Teil ihrer Identität. So wird das Trauma – obwohl sie es überlebt hat, obwohl es inkompatibel ist mit dem eigenen Wesenskern (Selbst) – zu einem ich-fremden Introjekt2, und erzeugt dadurch einen inneren Stress.
Es wird zu seinem „falschen Selbst“3, bzw. da es unvereinbar ist mit seinem Wesen ist, wird es zum „Stressor“4 Daher erlebt die Klient*in es wie Zwang – um so mehr da sie gleichzeitig eine Ahnung davon hat, dass es ihrem inneren Wesen nicht entspricht.
Die damals entwickelten Überlebensstrategien mit ihren „Glaubenssätzen“ werden als Teil des Überlebensprogramms gespeichert und bestimmen sowohl das Selbstbild als auch die Verhaltensmuster.
Mehr noch: Dies Überlebens-Selbst und die damit verbundenen symbiotischen Beziehungsmuster bewirken, dass die Betroffenen sich von solchen (belasteten) Partnern angezogen fühlen, die den früheren Bezugspersonen ähnlich sind. So stellen sie unbewusst die toxischen (traumatisierenden) Beziehungen von damals wieder her, vielleicht in der Illusion, ihre Überlebensstrategien da erfolgreich anwenden zu können. Bzw. sich da besser auszukennen, als bei unbelasteten Partnern.
Wie in einem Teufelskreis kreieren die Betroffenen auf diese Weise weitere Stressoren, sie erzeugen so eine „Stressorkaskade“ (Thomas Hensel). Eine Negativspirale, die nicht selten zu psychischen und somatischen Störungen führt.



Der Traumakomplex als Introjekt in der Systemaufstellung
Wie ich in „Symbiose in Systemaufstellungen“ ausführlich mit vielen Fallbeispielen dargestellt habe, kann eine Klient*in durch eine Aufstellung überprüfen, ob sie unbewusst eine verlorene Bezugsperson, aber auch ein früheres oder späteres Trauma und Täter in ihrem „Identitäts-Raum“ gespeichert hat. Das von ihr spontan aufgestellte Aufstellungsbild macht ihr das sichtbar. Und es macht ihr bewusst, dass das die Ursache sein kann für ihre Probleme: fehlende Abgrenzung, fehlende Resilienz (erhöhte Vulnerabilität), fehlende Selbst-Verbindung, innerer Stress.
Diese Einsicht motiviert sie dazu, das Introjekt aus ihrem Raum herauszustellen und durch ein Symbol für eine Grenze abzugrenzen. Dabei kann sie ganz ambivalente Gefühle erleben: einerseits Erleichterung, andrerseits kann sich das auch verboten anfühlen (Konditionierung durch das gespeicherte Trauma). Wenn sie sich nach ihrem Verstand orientiert – statt nach ihrem Trauma-bedingt verwirrten Gefühl – und das Introjekt aktiv abgrenzt, dann kann sie einen Transformationsprozess erleben: Das Selbst kann seine zentrale selbstregulierende Rolle wieder übernehmen, die blockierten „Kanäle“ für gesunde Wut und Schmerz, aber auch für bedingungslose Liebe werden wieder frei. Die Folge: Befreiung – statt dem Zwang eines Programms – und Selbst-Wirksamkeit – statt Ohnmacht und Lähmung.

Durch diese Methode der Selbst-integrierenden Trauma-Aufstellung wird deutlich:
Auch ein Trauma-Introjekt ist reversibel.

Das bedeutet: auch ein im limbischen System (in den Amygdala) gespeichertes Trauma-Programm kann dadurch „gelöscht“ werden, dass es auf der symbolischen Ebene der Aufstellung bewusst gemacht wird und gezielt verändert wird, durch die Einführung der Elemente „Selbst“ und „Grenze“.
Das widersprach dem traditionellen Konzept „das limbische System vergisst nichts“. An diesem Paradigma orientieren sich immer noch viele Traumatherapeuten. Sie entwickeln, abgestimmt auf die unterschiedlichen Diagnosen, aufwendige Strategien, um die „komplexen Traumafolgestörungen“5 gezielt zu behandeln.

Da war es für mich eine unerwartete Bestätigung, dass Thomas Hensel mich auf die Ergebnisse der neueren Gedächtnisforschung hinwies: speziell auf das Phänomen der „Rekonsolidierung“. In seinem Buch6 hat er gezeigt, dass diese angeborene Fähigkeit zur Selbstheilung durch gezielte Interventionen unterstützt werden kann. Und er betont, dass frühe kindliche Belastungserfahrungen die entscheidende, Diagnosen übergreifende Ursache für spätere psychische Störungen sind.

Ihm verdanke ich auch den Hinweis auf eine umfangreiche aktuelle Publikation, welche erstmals systematisch psychische Traumata als transdiagnostischen Risikofaktoren für psychiatrische Zustände untersucht.7

„Loyalität“ mit dem traumatisierten Kollektiv
Im Aufstellungsprozess sehen wir nicht selten, dass eine Klient*in sich nicht von Trauma und Überlebensstrategie distanzieren möchte, weil sie irrtümlich glaubt, dadurch eine wichtige Verbindung zu der Bezugsperson verlieren. Das zeigt: In traumatisierten Familien entsteht nicht selten Verbindung zwischen den Mitgliedern, Generationen übergreifend, durch das Teilen des Leides. Sei es, dass fremdes Leid übernommen wird. Sei es dass das Leid einer Bezugsperson unbewusst nachgeahmt wird, um sich dadurch mit dieser Person verbunden zu fühlen. Dann fühlt sich Lösung an wie egoistisch oder verboten, wie Verrat am System
Wird diese unbewusste „Loyalität“ der Klient*in bewusst, dann kann sie sich auch von diesem Hindernis für ein SELBST-bestimmtes Leben befreien.


DAS KOMBINIERTE BEZIEHUNGSTRAUMA
Meist sind beide Eltern traumatisiert. Entweder verbünden sie sich gemeinsam gegen das Kind, das nun alleine und in der schwächeren Position hilflos einer Koalition traumatisierter Eltern ausgeliefert ist. Das verstärkt die bereits bestehenden Tendenzen zu Selbstabwertung und Unterdrückung eigener Bedürfnisse und Gefühlen, zur Unterdrückung von Schmerz und einer gesunden Wut.
Oder die Eltern versuchen, das Kind in ihre Konflikte mit hinein zu ziehen. So gerät das Kind in ein Spannungsfeld zwischen den Eltern. Das multipliziert noch das Verwirrungs-Potential. Die Wahrnehmung eines Kindes wird extrem gefordert, da es gleichzeitig beide Eltern mit ihren Bedürfnissen und Traumen im Blick haben muss. Das erklärt die häufig zu beobachtende Tendenz zu Kontrolle und die selbstüberfordernden Grössenfantasien, als wäre das Kind für den Ausgleich zwischen beiden verantwortlich. (Magisch-grandiose Überlebensstrategien)
Dazu erwirbt das Kind die Fähigkeit, rasch von einer Rolle in die andere schlüpfen zu können, bzw. das „Kunststück“ zu vollbringen, mehrere Rollen gleichzeitig zu spielen. Gleichzeitig lernt es, die eigene Vitalität zu unterdrücken, um sich vor Verletzungen durch diese Eltern zu schützen, bzw. um nicht die belasteten Eltern durch seine Vitalität zusätzlich zu belasten. Das erklärt, warum es dazu neigt, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse gar nicht erst wahrzunehmen (Abspaltung,).
Die Betroffenen befinden sich in einem Dilemma, vergleichbar einer Zwickmühle: es sind nur wenige Schritte möglich, aber jeder ist falsch! Wie in einem Alptraum, der nie aufhört. Denn dieses Programm ist gespeichert in einem „Safe“. Und da sie keine Schlüssel zu diesem Safe haben, können sie es nicht ändern.
Diese frühe Programmierung durch spezifische frühe Traumatisierung bestimmt dann auch später die Lebensstrategien der Betroffenen. Ohne Verbindung mit dem eigenen Selbst, orientieren sie sich an Anderen. Sie verlieren dadurch die Unterscheidung zwischen Ich – und Nicht-Ich: Damit geht auch die Wahrnehmung für eigene – und fremde! – Grenzen verloren. Das sind die Elemente des Symbiosemusters – das daher als Kompensationsversuch bei Traumatisierung verstanden werden kann. Mit den unvermeidbaren Folgen: chronische Erschöpfung und Depression, verbunden mit psychosomatischen und somatischen Gesundheitsstörungen.


Beziehungstrauma und psychische Erkrankungen
Dies Thema hat schon vor mehr als 60 Jahren Murray Bowen8, ein US-amerikanischer Pionier der Familientherapie erforscht. Dazu nahm er Familien mit einem schizophrenen Mitglied in seiner Klinik auf, um deren Verhaltens- und Beziehungsmuster zu studieren. Er entwickelte acht zusammenhängenden Konzepte, zu denen ganz zentral die Differenzierung des Selbst (»differentiation of self«) und das Konzept der Dreiecke (»triangle«) gehörte.
Unser Verständnis von Autonomie durch Selbst-Integration weist grosse Parallelen auf zu Bowen´s Selbst-Differenzierung.
Auch das das von Bowen beschriebene verwirrende Potential der „Dreiecke“ zeigt sich in unserer Aufstellungsarbeit mit „kombinierten“ Beziehungstraumen.
Seit kurzem habe ich dazu ein NEUES FORMAT entwickelt:

„Kombiniertes“ Beziehungstrauma als Stressor
Mein Kollege und „Juniorpartner“ Philipp Kutzelmann hat schon länger – angeregt durch Bowen – die Klient*innen zwischen die Symbole der beiden Eltern gestellt, und dementsprechend eine Abgrenzung gegenüber beiden Eltern in einer Aufstellung durchgeführt. Dabei konnte er heftige körperliche und emotionale Reaktionen beobachten, und - nach der Abgrenzung - eine ebenso tiefgehende Befreiung.

Wird nur das Beziehungstrauma mit einem der Elternteile aufgestellt und geklärt, dann ist das gleichzeitig erfolgte Beziehungstrauma mit dem anderen Elternteil – und das dadurch erworbene Überlebensprogramm – nicht gelöst. Das Befreiungspotential ist dadurch geringer, selbst wenn die zweite Aufstellung nach ein bis zwei Monaten erfolgt. Manche Klient*innen haben das gespürt und ihrerseits vorgeschlagen, auch das Trauma mit dem anderen Elternteil aufzustellen.
Es wurde immer deutlicher: im Grunde handelt es sich um eine einzige „Baustelle“: die Klient*in war ja gleichzeitig dem verwirrenden Potential beider Eltern ausgesetzt.
Daher habe auch ich mich dafür entschieden, in einem neuen Format das kombinierte Beziehungstrauma mit beiden Eltern aufzustellen. Nur so kann das ganze Ausmass dieser Verwirrung sichtbar gemacht – und dann gelöst werden. Danach kann es sinnvoll sein, Beziehungsaufstellung mit dem einen oder anderen Elternteil anzuschliessen, um einzelne verwirrende Aspekte zu untersuchen und zu klären: Parentisierung, Partnerersatz, Ersatz verlorener Angehöriger oder Elternteil als „Introjekt“ im eigenen Raum.
Inzwischen hat sich gezeigt, dass es sinnvoll ist, auch andere belasteten frühen Bezugspersonen mit aufzustellen: eine dominante Grossmutter oder ein besonders verletzendes – oder verletztes – Geschwister. Die “Koalition der Verwirrung“ welcher eine Klient*in als Kind ausgesetzt war, wird dadurch noch komplexer. Daher bezeichnen wir das als komplexes Beziehungstrauma und die Aufstellungen als komplexe Beziehungs-Aufstellungen.

Lösungsprinzip „Rekonsolidierung“
Thomas Hensel beschreibt – wie bereits erwähnt – in „Stressorbasierte Psychotherapie“ die neueren Erkenntnisse der Gedächtnisforschung, insbesondere das Phänomen der „Rekonsolidierung“: Die Fähigkeit, bis ins hohe Alter hinein ein Trauma und das dadurch ausgelöste Trauma-Programm („Stressor“) zu löschen. Das erfordert allerdings eine spezielle Vorgehensweise („Algorithmus“), unter anderem das gleichzeitige Symbolisieren von Trauma und einer „Ressource“ („der bifokale Blick“), sodass die Klient*in zwischen beiden unterscheiden kann. (Differenzierung) Erst dann ist sie in der Lage, das Trauma als Ich-fremd und als bereits vergangen zu erkennen („Disidentifizierung“), und sich von ihm zu distanzieren („Distraktion“).

Unsere Vorgehensweise der Selbst-integrierenden Trauma-Aufstellung – obwohl unabhängig von Hensel entwickelt – weist Parallelen auf zu diesem von ihm beschriebenen Algorithmus. Die Verwendung von Holzklötzchen als Symbolen – seit der Covid-Epidemie arbeiten wir nur noch Online mit Symbolen statt Repräsentanten! – machte es möglich, die unterschiedlichen Elemente eines kombinierten Beziehungstraumas durch unterschiedliche Symbole zu repräsentieren: eigenes Trauma, beteiligte Bezugspersonen, deren Traumata und die erworbenen Überlebensstrategien. Diese Elemente wurden gemeinsam im „limbischen System“ gespeichert und bilden ein „Konglomerat“ (Langlotz), welches Selbstbild und Verhaltensmuster der Klient*in bestimmt ohne dass ihr das bewusst ist, ohne dass sie die einzelnen Elemente differenzieren kann. Dies Konglomerat ist unvereinbar mit ihrem wahren Selbst und blockiert daher die Verbindung zu ihrem Selbst. Und es wird zum „Stressor“, verantwortlich für den inneren Stress der Betroffenen – und für den äusseren Beziehungs-Stress, den sie durch ihre symbiotischen Beziehungsmuster kreieren.
Die Aufstellung mit Symbolen macht der Klient*in diese Zusammenhänge sichtbar und dadurch bewusst („bildgebendes Verfahren“). Sie kann erkennen, dass sie sich noch heute nach dem Trauma von damals und nach diesem Überlebensprogramm orientiert hat – statt nach ihrem eigenen Wesen, ihrem „wahren“ Selbst.
Die Klient*in erkennt, dass ihre Selbstanteile – Fokus und kindlich-vitales Selbst – bisher „verklebt“ waren mit den Überlebens-Srategien der Selbst-Erniedrigung und Selbst-Erhöhung – unbewusst und nicht unterscheidbar.
Um sich von diesem Programm zu verabschieden, muss sie ihre Identifizierung mit den Überlebenstrategien bewusst auflösen („Disidentifizierung“). Das ist nur deshalb möglich, weil sie gleichzeitig („bifokaler Blick“) als Alternative die Orientierung nach ihrem Selbst erkennt („Ressource“).
Sie „befreit“ ihre Selbstanteile aus der „Traumazone“ von damals („Distraktion“) und ersetzt die Überlebensstrategien durch andere Symbole.
Nun kann sie die einzelnen Elemente des Stressors differenzieren und darauf hin untersuchen, ob sie mit ihre Selbst „Hier und Heute“ vereinbar sind. Wenn nicht, dann kann sie diese ich-fremden Elemente mit Entschiedenheit („mit Tigerschrei“) aus ihrem Raum entfernen. Dieser Vorgang einer Abgrenzung macht der Klient*in nicht selten einen inneren Widerstand, bewusst: ein Trauma-bedingtes bisher unbewusstes „Abgrenzungsverbot“.
Dieser Abgrenzungsprozess ermöglicht der Klient*in zugleich die wichtige Erfahrung, ihre Kraft gerichtet für eigene Interessen einzusetzen – statt wie bisher diese Kraft zu blockieren, oder gegen sich selber zu richten. Ein weitere Intervention ist die „Gegenabgrenzung“. Sie ist besonders wirksam, um einem Rückfall in das alte Programm vorzubeugen, und um der Klientin die Dynamik von Burnout bewusst zu machen und ihre Konfliktfähigkeit zu stärken („Fit für die Tigerliga“).


Die symbolische Ebene der Aufstellung bietet einen Zugang zum gespeicherten Überlebensprogramm von damals. Das ist der Schlüssel, der ihr den Zugang öffnet zum „Safe“ ihres Programmspeichers. Nun kann sie das Programm untersuchen, und mit ihrem Verstand von heute überprüfen, ob die einzelnen Elemente dieses Programms für sie heute noch relevant sind, und sie gegebenenfalls symbolisch aus ihrem Speicher entfernen.


Lösungsstrategie bei kombiniertem Beziehungstrauma
Dieser Befreiungsprozess hat eine hohe emotionale Dramatik. Das erinnert an die alten Heldensagen: der tapfere junge Held besiegt den Drachen (Dinosaurier als Symbol für die Traumata der Vergangenheit) und erhält zur Belohnung die schöne Prinzessin (sein Selbst) und ihr Königreich (Autonomie).

1. Aufstellungsbild
Die Klient*in klärt ihr frühes Beziehungstrauma, indem sie nach einem inneren Bild Symbole aufstellt: roter Würfel für ihr Beziehungstrauma (Tr), und dazu Klötzchen: Rot für sich (Fo wie Fokus), Gelb für ihr Wahres (erwachsenes) Selbst (ES) und Grün für ihr vitales kindliches Selbst (KiS).

Meistens stellt sie dann fest - zu ihrer eigenen Überraschung! – ihr ES steht weit entfernt von Fo. Dagegen stehen Fo und/oder KiS stehen nahe beim Tr, Nicht selten steht Fo auf dem Tr oder liegt unter dem Tr.
Das Aufstellungsbild „spricht eine symbolische Sprache“: es macht ihr sichtbar und bewusst, wie sie die belastenden Erfahrungen von damals so abgespeichert hat, dass diese noch heute ihr Selbstbild und Verhalten bestimmen – ohne dass ihr das bisher bewusst war!

Wenn die Klient*in einen Finger auf Fo legt, dann kann sie deutlich (!) spüren, wie es dem Fo in dieser Konstellation geht. Das spiegelt ihre augenblickliche Befindlichkeit wieder.
So wird ihr der Zusammenhang bewusst, zwischen ihren Problemen heute, und der Art wie sie die Erfahrungen von damals in ihrem Gedächtnis abgespeichert hat.

2. Einführen der Grenze
Wenn sie aus dem Aufstellungsbild erkennt, dass sie noch heute mehr von den damaligen Erfahrungen Trauma beeinflusst wird, als von ihrem ES – obwohl sie diese Erfahrungen überlebt hat! – dann kann sie sich dazu entschliessen, ein Symbol für eine Grenze zu legen, – ein Lineal oder einen Zollstock – und zwar so, dass das Tr von damals ausserhalb dieser Grenze, und nicht mehr in ihrem Raum „Hier und Heute“ ist.
Wenn sie jetzt wieder mit ihrem Finger „spürt“ wie es dem Fo geht, kann das entgegengesetzte Gefühle auslösen:
• einerseits befreiend, sie fühlt sich weniger belastet und mehr bei sich selbst.
• Zugleich verunsichernd, orientierungslos: hatte sie sich – unbewusst – bisher mehr nach ihrem Tr von damals orientiert, als nach ihrem eigenen Wesenskern, dem ES?
Jetzt kann sie sich entscheiden, ob sie sich – wie bisher – nach ihrem „verwirrten“ Gefühl orientieren möchte – dann käme sie aus der Verwirrung nicht heraus.
Oder ob sie sich nach ihrem Verstand orientiert – mit der Chance heute noch aus der Verwirrung „auszusteigen“.

3. Bezugspersonen und deren Traumata
Als nächstes stellt die Kl neben ihren eigenen (roten) Tr-Würfel noch blaue Klötzchen auf, für V und M, sowie blaue Tr-Würfel für deren Schicksal bzw. für deren Traumata.
Wenn sie danach das Grenz-Symbol entfernt, dann löst das widersprüchliche Gefühle aus:
• Einerseits ist ihr das nur zu gut bekannt: das war die emotionale Realität ihrer Kindheit. Etwas anderes kannte sie nicht.
• Zugleich war ihr das damals alles viel zu viel – am liebsten möchte sie fliehen, den Raum verlassen. Aber wenn sie damals überleben wollte, dann konnte sie das nicht!
Mit Hilfe der Symbole kann sie selber überprüfen, welche Überlebensstrategien sie damals benutzt hat. Dabei verwenden wir die Symbolsprache, welche Klient*innen selber beim Aufstellen spontan kreieren: Klientin auf dem Trauma stehend – oder unter dem Trauma, liegend.


4. Prüfen der eigenen Überlebensprogramme

Selbstverleugnung
Sie legt ihr KiS vor V und M flach auf den Tisch und bürdet ihm das eigene Tr und die Tr-Symbole von V und M auf.
Kennt sie das, dass diese Themen ihre kindliche Vitalität, das Äussern von Bedürfnissen und Gefühlen unterdrückt haben?
Hat sie vielleicht selber ihr KiS unterdrückt und verleugnet – um sich vor diesen Eltern zu schützen, oder um diese nicht zusätzlich durch ihre Vitalität zu belasten?

Magisch-grandiose Selbst-Überforderung
Sie stellt ihren Fo probeweise auf das eben geschaffene Konstrukt: auf die Tr-en, die ihrerseits auf dem liegenden KiS lasten.
Kennt sie die Vorstellung: Durch Verleugnung und Unterdrückung (Abspaltung) eigener Bedürfnisse und Gefühle sich den anderen überlegen zu fühlen – um die Verzweiflung und Verwirrung von damals besser ertragen zu können?
Kennt sie dies „auf eine höhere Ebene gehen“: rational, spirituell, Fantasiewelten?
Kennt sie die Tendenz zur Kontrolle und Perfektionismus?
Kennt sie die Vorstellung: sich für die Eltern verantwortlich zu fühlen, und sie dadurch zu entlasten?
Hat sie ein magisch-grandioses Selbstwertgefühl entwickelt?
Wenn sie die selbstgesteckten illusionären Ziele nicht erreichen konnte, dann verstärkte das noch ihre Selbsterniedrigung.
Ist ihr dieses brüchige Selbstwertgefühl bekannt?

5. Vorläufige Abgrenzung vom „Trauma-Konglomerat“
Jetzt kann die Klient*in selber erkennen:
• ob sie sich heute noch mit diesen Überlebensstrategien identifiziert – so als befände sie sich auch heute noch in der „Traumazone“ von damals, und
• ob das Überlebensprogramm sie auch heute noch daran hindert, sich mit ihrem ES zu identifizieren und sich nach ihrem eigenen Programm zu orientieren.
Des-Identifizierung
Wenn sie sich dazu entscheidet, diese Strategien heute nicht mehr zu benutzen, dann kann sie ihre Identifizierung mit diesem Überlebensprogramm symbolisch lösen, in folgenden Schritten
Sie „befreit“ das KiS von heute aus der „Traumazone“, und legt an dessen Platz ein neues Symbol für die Verleugnungsstrategie von damals: einen grünen Würfel;
Sie „befreit“ auch den Fo aus der Traumazone, und stellt an dessen Platz ein neues Symbol für die magisch-grandiose Überlebensstrategie von damals: ein schmales hohes rotes Klötzchen.
Die so befreiten Selbstanteile Fo und KiS kommen aus der Traumazone von damals ins „Hier und Jetzt“, wo sich bereits ihr ES befindet.

Unterscheidung Hier und Jetzt versus Traumazone von damals
In der Traumazone von damals befinden sich noch folgende Elemente: beide Eltern mit ihren Tr-en das eigene Tr und die eigenen Überlebensstrategien.
Diese miteinander „verklebten“ Elemente wurden damals im limbischen System so gespeichert, als wären sie Elemente ihrer Identität. Daher orientierte die Klient*in sich bis heute mehr nach diesem „Trauma-Konglomerat“, als nach ihrem wahren Selbst. Obwohl die Elemente in die Vergangenheit gehören, und nicht in die Gegenwart! Obwohl dies Konglomerat mit dem eigenen Wesen nicht vereinbar, da toxisch ist! Daher wirkte es wie ein „Stressor“, verantwortlich für alle Trauma-Folgen: Symbiosemuster, Erschöpfung, Depression, Krankheiten.

Wenn die Klient*in das erkennt, dann kann sie diesen Stressor vorläufig symbolisch aus dem Feld rücken und durch eine Sichtblende verdecken.

6. Erste Annäherung an das ES
Nachdem die Klient*in ihren Raum von den toxischen Stressor-Elementen befreit hat, kann sie wie zum ersten Mal ihr ES wahrnehmen, und in einem geführten Dialog Verbindung zu ihm aufnehmen. Das ist für sie neu, ungewohnt, und sehr erleichternd. Frei von Stress – aber deshalb auch irritierend.
Sie muss sich von der Illusion verabschieden, „alles im Griff“ zu haben – wir nennen diese Haltung den „Kontrolletti“ – und bereit sein, sich auf die Unberechenbarkeit des Lebens einzulassen!

7. Differenzierung und Abgrenzung
Um diese Verbindung zu ihrem ES zu stabilisieren, ist es erforderlich, dass sie genauer als bisher die einzelnen Elemente des Stressor-Konglomerates hinter der Sichtblende untereinander unterscheidet (1. Differenzierung) und dann darauf untersucht, ob sie hier und heute zu ihr gehören – oder nicht! (2. Differenzierung!)
Die Klient*in grenzt sich gegenüber dem jeweiligen Element kraftvoll ab indem sie selber dabei gleichzeitig beide Symbole bewegt. Zugleich mobilisiert sie dadurch wieder ihre eigene Kraft konsruktiv für sich und für ihre Interessen, die sie bisher destruktiv gegen sich oder andere gerichtet hatte. Die Verbindung mit dieser eigenen vitalen Kraft wird noch durch die Vorstellung verstärkt, sie schütze ihr Territorium wie ein Tiger, mit einem Tigerschrei!

Bei einzelnen Schritten stockt sie, weil sie ein Verbot oder Schuldegfühle spürt: Sie gerät immer wieder in das Dilemma zwischen ihrem verwirrten Gefühl (Limbisches System: Abgrenzungs-Verbot!) – und ihrem Verstand (richtig und unbedingt erforderlich!).
Solange sie sich nach ihrem verwirrten Gefühl orientiert, wird sie nicht aus der Verwirrung herauskommen. Wenn sie sich dagegen heute nach ihrem Verstand orientiert, hat sie die Chance, heute aus dieser Verwirrung auszusteigen!
Ist das nicht ein Angebot?

Bei der Aufstellung eines „kombinierten“ Beziehungstraumas bewährt sich bei der Abgrenzung folgende Reihenfolge:

7.1. Eigenes Trauma
Wenn die Klient*in erkennt, dass sie ihr Trauma von damals heute nicht mehr für ihre Orientierung braucht, kann sie dieses eigene Tr (roter Würfel) symbolisch kraftvoll abgrenzen, zunächst mit ihrem Fo. Die Erfahrung, ihre eigene Kraft gerichtet einzusetzen, für ihre eigenen Interessen, ist zunächst ungewohnt, aber zunehmend befreiend ja beglückend.
Die Aufgabe dieser Kraft ist es offensichtlich, Wesensfremdes zu erkennen und aus dem eigenen Raum zu entfernen – sodass sie ganz „sie selber“ sein kann. Nun erkennt sie: dadurch, dass sie bisher diese wesensfremden Elemente des Stressors in ihrem Raum festgehalten hat, hat sie selber ihre eigene Kraft blockiert – die sich dann destruktiv gegen sie oder gegen andere richtet.
Diese Erkenntnis macht es ihr möglich, ihre ganze Kraft und Entschiedenheit in die Abgrenzung zu legen. Wenn sie spürt, das auch ihr KiS bereit ist für diese Befreiungsaktion, dann kann auch das vitale kindliche Selbst seine Kraft erproben, und die Glücksgefühle spüren, indem sie dies Element aus dem eigenen Raum kickt – für immer!
Für die Klient*in ist diese Erfahrung sehr beglückend, dass ihre kindliche Vitalität – die bis vor einer halben Stunde wie erdrückt schien unter soviel schweren Lasten – sich nach der Befreiung so schnell erholt! Sie erlebt sich selbst als handlungsfähig und spürt dabei deutlich eine Lebensfreude, die ihr schon gar nicht mehr bekannt war.

7.2. Zurückgeben von Problemen (Traumen) der Eltern
Die Klient*in legt die blauen Würfel – Traumen der Eltern, die ihre Vitalität damals unterdrückt haben – auf ihre Hand und spürt nach, ob sie sich damals damit beschäftigt hat, als wäre das ihre Aufgabe, als würde sie dadurch den Eltern – oder sich selber – etwas Gutes tun.
Meist war das der Fall. Dann kann sie symbolisch diese Elemente den Eltern mit Achtung zurück geben: „Ihr habt eure Probleme auf eure Weise getragen – oder auch nicht. Als Kind steht es mir nicht zu, mich da einzumischen! Denn nur weil ihr auf eure Weise überlebt habt, konnte ich mein Leben beommen! Das achte ich jetzt, indem ich das Eure ganz bei euch lasse.“
Das wirkt regelmässig sehr befreiend – und ermöglicht mehr Achtung für die Eltern! Wieder eine Win-Win-Situation!
Systemisch gesehen ist das Kind nicht zuständig für die Probleme der Eltern. Wenn es sich dennoch irrtümlich da einmischt, verliert es dabei Energie, ohne etwas bewirken zu können. Die unvermeidbare Folge: Erschöpfung und Verlust der Achtung für sich – und für die Eltern.

7.3. „Falsches“ und „wahres“ Selbst der Eltern kommen in den Blick
Die Klient*in hat bei sich selbst erkannt, dass sie infolge ihrer eigenen Traumen und Überlebensprogramme nicht mit ihrem Selbst verbunden sein konnte. Angewandt auf ihre Eltern bedeutet das, dass auch diese infolge ihrer Traumata nicht „bei sich“ waren, sondern im „Überlebensmodus“. Wenn sie für beide Eltern je ein gelbes Klötzchen für deren „wahres Selbst“ aufstellt – den gesunden, nicht traumatisierten Wesenskern von Vater oder Mutter, – dann kann ihr bewusst werden, dass nicht das wahre Selbst der Eltern sie verletzt hatte, sondern deren Überlebens-Selbst, deren „falsches Selbst“.
An diesem „falschen Selbst“ der Eltern hatte sie damals ihr eigenes Überlebensprogramm entwickelt – an dem sie sich bis heute orientiert (Stressor).
Benötigt sie das falsche Selbst beider Eltern für ihre Orientierung hier und heute?

7.4. Abgrenzen von falschem Selbst und Trauma beider Eltern
Wenn sie erkennt – im Zweifel nach Aktivierung ihres Verstandes! – dass sie diese Elemente nicht mehr benötigt, kann sie beide symbolisch aus ihrem Raum entfernen, durch die bekannten Abgrenzungsmanöver.
Dabei spürt sie meist spontan sehr viel Wut – die sie damals unterdrückt und eher gegen sich selbst gerichtet hatte: Selbst-Abwertung. Endlich kann sie diese „Wutbombe entschärfen“ und die ganze Ladung an der richtigen Adresse loswerden: dem falschen Selbst der Eltern.
Wenn sich das für sie verboten oder lieblos anfühlt, dann kann sie einen Finger auf das wahre Selbst z.B der Mutter legen und spüren: was würde eine gesunde, nicht traumatisierte Mutter sagen, wenn sie sieht, dass ihr Kind sich heute noch schwer damit tut, seine berechtigtes Gefühl von Wut und Ablehnung zu äussern?
Danach fällt es der Klient*in leichter, zusammen mit der Abgrenzungsbewegung ihre Wut verbal auszudrücken – ohne Schuldgefühle. Und auch das vitale kindliche Selbst darf sich abgrenzen und kann dabei seine – meist deftigeren – Schimpfworte aussprechen, und schliesslich das falsche Selbst beider Eltern aus seinem Raum entfernen, für immer.
Auch die Probleme der Eltern – die sie ja als nicht zu ihr gehörig erkannt hatte und bereits mit Achtung zurückgegeben hatte – kann die Klient*in nun mit Entschiedenheit aus ihrem Raum „kicken“.

AM ZIEL! Die wahre Liebe der Eltern spüren
Nachdem sie auf diese Weise die toxischen Elemente der Eltern entfernt hat, stehen von den Eltern nur noch die Symbole für deren wahres Selbst auf dem Tisch. Symbole für gesunde, nicht traumatisierte Eltern, die sich natürlich freuen über so ein wunderbares Kind. Und die ihm gerne ihre bedingungslose Liebe schenken – ohne Absicht oder Erwartungen. Wenn sie jetzt Fo oder KiS zwischen diese beiden Repräsentanten gesunder, nicht traumatisierter Eltern stellt, dann kann sie die bedingungslose Liebe spüren, die Eltern für ihr wunderbares Kind haben.

Wir wissen von uns selbst, dass Kinder sich immer nach dieser Liebe sehnen, und das alle Eltern den Wunsch haben, einem geliebten Kind diese Liebe zu schenken. So hat die Natur das eingerichtet – das erleben wir auch bei den Tieren. Beim Menschen ist dieser natürliche Vorgang offensichtlich seit Jahrhunderten beeinträchtigt, durch gesellschaftliche und individuelle Traumata: Erziehung zu Leistung und Gehorsam und Erfahrungen von Vernachlässigung, Abwertung und Gewalt.

Durch diese Erfahrung, bedingungslos geliebt zu werden, erleben sie, dass sie einen eigenen gesunden Wesenskern besitzen: ihr eigenes wahres Selbst, dass wert ist, „geliebt zu werden, unabhängig von Leistung“, einfach weil es D A I S T .
Wir sehen regelmässig: jeder hat als Potential sein eigenes wahres Selbst. Aber es muss erst „geweckt“ werden. Wenn das nicht durch die wahre Liebe der Eltern möglich war, dann in einer derartigen Sitzung.
Durch diese Erfahrung entsteht ein anderes, ein „intrinsisches“ Selbstwertgefühl. Jetzt kann die Klient*in auch die Liebe andere annehmen. Bisher hatten ihre Selbstwert-Zweifel dazu geführt, dass sie auf die spontane Liebe eines Gegenübers skeptisch reagierte – sie „verhungerte am gedeckten Tisch“ – und daher versucht hat, sich Liebe durch Leistung „zu verdienen“.

Diese Erfahrung bedeutet einen Wendepunkt im Lösungsprozess!

Jetzt kann die Klient*in erkennen, dass ihre Überlebensstrategien Ausdruck ihrer Hoffnung war, von den Eltern doch noch die Liebe zu bekommen, um ein eigenes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Jetzt spürt sie selber, dass diese wahre Liebe nicht von dem falschen Überlebensselbst der Eltern kommen kann, sondern nur von deren „wahren Selbst“ – mit dem diese nur selten oder nie verbunden waren.

7.5. Endgültige Abgrenzung vom eigenen Überlebensprogramm
Jetzt kann sie sich ohne Bedenken abgrenzen, nicht nur von dem „falschen Selbst“ der Eltern, sondern auch von ihren damaligen Überlebensstrategien.
Zunächst mit ihrem Fokus, später auch mit ihrem KiS grenzt sie nun die Symbole für ihre Strategien der Selbstverleugnung (grüner Würfel) als auch ihre magisch-grandiosen Strategien ab, und entfernt sie schliesslich ganz aus ihrem Raum – für immer.

8. Zweite Annäherung an das eigene wahre Selbst (ES)
Wenn die Klient*in jetzt, nach diesen Differenzierungs- und Abgrenzungsschritten – die beiden Symbole für Fo und ES zusammenstellt, die so viele Jahrzehnte lang getrennt waren, einen Finger auf beide Klötzchen legt, dann spürt sie körperlich eine Veränderung: sie richtet sich auf, ihr innerer Raum weitet sich und füllt sich mit Licht und Wärme.
Die Verbindung mit ihrem Selbst – statt wie bisher mit ihrem Stressor – bewirkt eine bisher unbekannte Ruhe. Unaufgeregt. Unspektakulär.
Diese Erfahrung ist neu, beglückend – aber zugleich auch unbekannt, beunruhigend.
Oft meldet sich jetzt ein bekanntes Bedürfnis nach Kontrolle – der bereits bekannte „Kontrolletti“: kann das überhaupt gut gehen, oder droht eine katastrophale Enttäuschung, wie schon so oft?!
Hier können folgende Maximen hilfreich sein:
Das Leben ist grundsätzlich unberechenbar!
Diese Unberechenbarkeit ist ja gerade „das Gewürz“ des Lebens!
Absolute Berechenbarkeit gibt es erst auf dem Friedhof.
Und „es gibt ein Leben vor dem Tod!“

Immerhin wird deutlich: die neu gewonnene Selbstverbindung ist noch gefährdet. Das alte Programm ist so zur Gewohnheit geworden und es hat sich ja – wenn auch mehr schlecht als recht – als wirksam erwiesen.
Und wie bereits erwähnt: das Festhalten an eigenem – und an übernommenem – Leid vermittelt die Illusion einer Zugehörigkeit zu dieser belasteten Familie. In traumatisierten Familien entsteht Bindung häufig nicht durch Liebe (die ja durch Trauma blockiert sein kann) sondern durch das Teilen des Leides. Dann wird das Leid zur „Clubkarte“, die eine Zugehörigkeit zu dieser Familie garantiert.
Das spüren die Betroffenen oft als Sog der von dem bekannten Programm ausgeht.
Um einem möglichen Rückfall in das alte Programm vorzubeugen, erfolgt jetzt eine

9. Gegenabgrenzung
Das Symbol für den Fokus (die Klient*in „von heute“) bewegt sich „aus alter Gewohnheit“ noch einmal auf die einzelnen Elemente des Trauma-Konglomerates zu und wird dabei durch eine kraftvolle Gegenabgrenzung gestoppt, vollzogen von ihrem eigenen wahren Selbst.
Die Klient*in selber bewegt dabei gleichzeitig beide Symbole. Die Leiter*in sagt dazu einen passenden Satz.
Wir verstehen das als Konditionierung – um einen Rückfall in das alte Programm zu verhindern.
Auf diese Weise erfolgt eine Gegenabgrenzung zu den Elementen das Stressors:
• eigenes Trauma, und die Traumata der Eltern,
• die eigenen Überlebensstrategien,
• die Symbole für das „falsche Selbst“ der Eltern.
Dazu haben sich weitere besondere Interventionen als notwendig und wirksam erwiesen, die sich auf zentrale Beziehungsaspekte beziehen, welch durch das Überlebensprogramm bestimmt wurde.
Wenn diese Themen nicht bearbeitet werden, dann wirkt das Überlebensprogramm ungehindert weiter und kann einen Rückfall auslösen. Daher gehören sie für uns zu unserem Lösungs-Algorithmus!

9.1. „Die Tiger-App“
Erhöhte Kränkbarkeit
Klient*innen erleben die Gegenabgrenzung gegenüber dem falschen Selbst der Eltern oft sehr ambivalent. Einerseits befreiend aber zugleich auch schmerzhaft und traurig.
Als Ursache entdeckten wir regelmässig folgendes komplexe Phänomen:
Eine Klient*in mit Beziehungstrauma neigt dazu, sich mit den Problemen ihres Gegenübers (auch Partner!) zu beschäftigen – und hält das für Liebe.
Sie selber hat als Kind erfahren, dass Eltern das von ihr erwarten. So als könne sie so den Eltern ihre „Liebe“ zeigen – um deren „Liebe“ zu bekommen. Das nennen wir emotionales Benutzt-Werden. Ihre Beziehungsaufnahme besteht also in dem Angebot, sich vom anderen emotional benutzen zu lassen!

Wenn sich jetzt der Andere gesund dagegen wehrt – „Das geht dich doch nichts an! Wir könnten doch einfach Spass zusammen haben!“ – dann erlebt die Klient*in das nicht erleichternd, sondern als Zurückweisung von dem, was sie selber irrtümlich für für ihre Liebe hält! Sie reagiert gekränkt – und zieht sich zurück.
So verpasst sie eine Beziehung zu einem gesunden Gegenüber. So kann sie Beziehung nur haben zu einem Partner, der sich gar nicht abgrenzen kann – weil er traumatisiert sind! Und so gerät sie wieder in eine symbiotische Abhängigkeitsbeziehung.
Dabei ist sie doch stark, eine Tigerin! Und könnte daher auch einen starken Partner haben!

Konfliktfähigkeit: respektvolle Abgrenzung durch den anderen ist normal!
Tiger –und Menschen – können andere sehr verletzen! Daher lernt bereits ein kleines Tigerkätzchen ein wichtiges Körpersignal: es faucht: „Komm mir ja nicht näher, sonst werde ich ganz böse!“
Bei kleinen Kätzchen wirkt das süss – beim ausgewachsenen Tiger bedrohlich! Aber auch er musste das erst lernen!
In manchen Familien scheint ein Kind diese gesunde Abgrenzung, mit Respekt nicht kennen gelernt zu haben. Das mag erklären, warum es später den Menschen aus dem Weg geht, die sich gesund abgrenzen.
Das könnte eine Klien*in jetzt nachholen durch ein

Training „Fit für die Tiger-Liga“!
Die Klient*in geht mit ihrem Fo in den Raum des anderen, in bester Absicht, um ihn zu verstehen, um ihn zu retten. Gleichzeitig führt sie mit ihrem ES die Gegenabgrenzung kraftvoll aus.
Die Leiter*in begleitet das mit den Sätzen: „Wir sind Tiger! Tiger retten sich selber! Wenn du das respektierst, und den anderen so lässt wie er ist, dann kannst du ihm begegnen, auf Augenhöhe!“
Wenn die Klient*in erkennt, dass das eigentlich ein Kontaktangebot des Gegenübers ist, in dem Sinne: Ich brauche keine Therapeut*in – wir sind doch beide Tiger! Wir könnten doch zusammen auf die Tigerparty gehen! – dann gäbe es keinen Grund gekränkt zu sein. Dann könnte sie sich entscheiden: gehört sie jetzt in die Tigerliga – oder in die Kätzchen-Liga?
Durch dieses Training bekommt sie die Tiger-App, mit freiem Zugang zu Tiger-Liga und Tiger-Party. Bisher hatte sie anscheinend nur die Trauma-App mit gratis Zugang zu allen Traumatisierten. Aber da gibt es natürlich nur Trauma-Party – und das jeden Tag!

Erschöpfung und Burnout
Durch kurze Erklärungen und eine Sequenz von Interventionen lernt die Klient*in den Zusammenhang mit ihrem Trauma-bedingte Selbstwertproblem verstehen, um sich von diesem Muster zu befreien.
• Kennt sie ihre Tendenz. ungefragt in fremden Räumen sich nützlich zu machen?
• Ungefragt 120% zu liefern – wenn nur 100% ausgemacht waren?
Dann kann sie selber erkennen: so verliert sie jedesmal Energie. Wenn dann der erhoffte Ausgleich ausbleibt, gerät sie immer mehr ins Defizit.
Nur sie selber kann das ändern: indem sie die Grenzen ihrer Zuständigkeit erkennt – und selber respektiert!
Denn: die anderen respektieren diese Grenzen nicht!
Die Traumatisierten können das gar nicht – sie sind bedürftig ohne Ende.
Die Übrigen wollen das gar nicht. Sie finden es viel besser, wenn sie gratis liefert, und am liebsten 200%! Sie nützen sie einfach aus!

Auch hier kann ihr Selbst sie unterstützen, indem es sie liebevoll an dieser Grenze stoppt: „musst du da wirklich 120% liefern?“
Wenn sie erkennt, dass sie sich da geirrt hat, kann sie sich dafür bei ihrem Selbst bedanken – denn das erspart ihr ja viel Energie!
Wenn sie jetzt überprüft, ob sie noch Verbindung hat mit ihrem Selbst, das seinen Wert und seine Würde in sich selber hat, dann kann sie erkennen: Immer dann, wenn sie sich ungefragt in fremden Räumen nützlich macht, oder ungefragt 120% liefern möchte, ist sie nicht mehr mit ihrem wahren Selbst verbunden.
Geht sie deshalb in fremde Räume, um von anderen die Wertschätzung zu erhalten, die sie sich selber nicht geben kann?
Aber das macht sie anhängig, unfrei. Vielleicht fühlt sie sich manchmal wie eine Sklavin, eingespannt für fremde Interessen? Und das zu einem kargen Lohn – oder vielleicht sogar gratis?
Die befreiende Alternative: Je mehr sie sich mit ihrem Selbst, ihrem Selbstwert verbindet, umso geringer wird das Bedürfnis, sich in fremden Räumen nützlich zu machen!
Bisweilen kommt dann noch einmal jemand, der von ihr 120% fordert, natürlich gratis.
Wenn sie da bisher nur schwer NEIN sagen konnte, kann sie das jetzt lernen!
Sie lehnt sich entspannt zurück, verschränkt ihre Arme: „Bei mir geht da gar nichts mehr. Ich kann es mit meiner Selbstachtung nicht mehr vereinbaren, mich ausnützen zu lassen.“

Grübelzwang
Traumatisierte haben das Bewusstsein für Grenze verloren – auch gegenüber der Vergangenheit!
Daher neigen sie meisten dazu, Fehler und Verletzungen der Vergangenheit immer wieder neu durchzudenken – als würde das heute noch etwas ändern. Das kostet Energie und hält sie fest – im Vergangenen. So geht das Leben an ihnen vorbei.

Auch hier könnte ihr Selbst hilfreich sein, indem es den Fokus, der mal wieder in die Vergangenheit abdriftet, kraftvoll stoppt. Dazu die Leiter*in:
Vorbei ist vorbei! Es gibt KEIN ZURÜCK!
Was vorbei ist kommt auch nie mehr wieder!
Was mausetod ist wird nie wieder lebendig!

EXKURS: Symbioselösung durch Strukturtraining
Das Symbiosemuster entsteht durch fehlende Wahrnehmung für eigene – und für fremde – Grenzen. So entstehen unterschiedliche Räume: der eigene – und der Fremde, Gegenwart – und Vergangenheit. Ohne die Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremden, von eigenem – und fremdem Zuständigkeitsbereich fehlt die Struktur. So kommt es zu Vermischung – oder Konfluenz – von Eigenem und Fremden, von Gegenwart und Vergangenheit. Da führt zu Verwirrung und Erschöpfung.
Daher spielt das Training dieser Unterscheidung, das STRUKTURTRAINING eine zentrale Rolle in unserem Konzept.



Diese Interventionen der Gegenabgrenzung trainieren gezielt die Wahrnehmung der Klient*in für fremde Grenzen, sodass sie immer besser lernt, diese Grenzen zu respektieren. Dadurch bekommt sie eine sicherere Verbindung mit ihrem Selbst und mit ihrem Selbst-Wert.

Integration des kindlich-vitalen Selbst
Wie wir gesehen haben, ist durch die Erfahrung von Trauma nicht nur die Entwicklung von Struktur blockiert, sondern auch die Wahrnehmung und Wertschätzung des wahren, und des kindlich-vitalen Selbst. Daher konnte sich auch in vielen Fällen eine gesunde Selbst-Fürsorge nicht entwickeln – ein zentraler Aspekt von Autonomie und Selbst-Bestimmung.

Das erklärt die Bedeutung einer „Arbeit mit dem inneren Kind“!
In unserem Konzept ist bereits die vorläufige Distanzierung gegenüber dem „Trauma – Konglomerat“ verbunden mit einer Entlastung und Befreiung des kindlichen Selbst aus der Traumazone von damals.
Durch die Annäherung und Verbindung mit dem eigenen wahren Selbst ist die Klient*in so gestärkt, dass sie sich ihrem kindlichen Selbst zuwenden kann. Dessen bisher unterschätzte Kraft konnte sie bereits bei den Abgrenzungsmanövern erkennen und würdigen.

In der Arbeit mit frühen Beziehungstraumen werden weitere Aspekte deutlich, welche die Wertschätzung des KiS – und damit das Selbstwertgefühl und Selbst-Fürsorge einer Klient*in beeinträchtigen können.
Nach der Integration des wahren Selbst werden gezielt diese Aspekte, die zu Abwertung des KiS geführt haben können, überprüft und durch geeignete Interventionen auf einer symbolischen Ebene rückgängig gemacht.

Begrüssung – ohne Wenn und Aber
Für die Entwicklung des Selbstwertgefühls ist es wichtig, dass sich beide Eltern über die Geburt ihres gemeinsamen Kindes freuen konnten. Wenn das nicht der Fall war, – z.B. bei einer unerwünschten Schwangerschaft, bei Trennung der Eltern bereits vor der Geburt des Kindes, bei Ablehnung eines Elternteils durch die Schwiegerfamilie – dann kann die Klient*in diese Begrüssung, nach holen.
„Wie schön, dass du da bist!
Wie schön, dass du genauso bist wie du bist: stark und unangepasst wir ein Tiger – und so zart und verschmust wie ein Kätzchen!
Und wie schön, dass du ein Mädchen – ein Junge – bist! Und noch dazu ein (e) so besondere(r)!“
Danach legt sie einen Finger auf das Symbol des KiS und „spürt nach“, wie das bei ihm ankommt.

Würdigen der Überlebenskraft damals
Das KiS hatte offensichtlich in dieser Familie einiges Verwirrendes und Schmerzliches erlebt. ABER es hat das alles überstanden! Wenn die Klient*in das erkennt, dann kann sie das jetzt würdigen:
„Danke, dass du das alles überlebt hast!
...dass du in deinem berechtigten Zorn niemanden verletzt hast!
...dass du in dieser Gefühlsverwirrung deinen Verstand nicht verloren hast!
Das war alles nicht selbstverständlich!“
Diese Aufzählung weckt bei der Klient*in die Erinnerung sowohl an das Schmerzliche von damals, aber auch an ihre damaligen Überlebensstrategien.
Wieder spürt sie mit dem Finger wie DAS bei ihrem KiS ankommt: Meist fühlt es sich gesehen und gewürdigt.
Dann kann sie noch ergänzen:
„Trotz all´dem Verwirrenden und Schmerzliche haben wir beide das doch ganz gut hin bekommen! Wir beide sind ein starkes Team!“

Heute wird das KiS geschützt!
Die bisherigen Interventionen können der Klient*in bewusst machen, dass ihre kindlich-vitale Seite WERT ist, geschützt zu werden. Die folgenden erinnern sie daran, dass sie heute dazu fähig ist, auch die bedürftige und verletzliche Seite ihres KiS zu schützen:

Damals konnte ich dich nicht schützen!
HEUTE lass ich nicht mehr zu,
dass du verletzt wirst,
...dass du überfordert wirst,
...dass du benutzt wirst,
...dass dir Schuldgefühle gemacht werden!
Das alles ist vorbei!
Wieder spürt die Klient*in nach, wie das bei dem KiS ankommt.

Zweifel?
Bisweilen spürt die Klient*in, wenn sie diese Sätze sagt, bei ihrem KiS – und bei sich selber – Zweifel.
Dann kann es entlastend sein, wenn sie zu dem KiS sagt – augenzwinkernd:
„Daran erkenne ich dass du zu mir gehörst!
Bei mir darfst du ruhig skeptisch sein!
Mit Skepsis kenne ich mich sehr gut aus!
Da ist es doch ein Glück für dich, dass du zu MIR gehörst!

Ich hab das alles überlebt – ohne Schaden!
Meist hat die Klient*in ja die Belastungen von damals überlebt – ohne bleibendem Schaden. Aber Mitleid und Schuldgefühle in Bezug auf ihr KiS lähmen sie auch heute noch. Dann kann die Leiter*in ihr – stellvertretend für das KiS folgende „Botschaft“ mitteilen:
Ich habe das damals alles überlebt – ohne bleibenden Schaden. Mir ist wichtig, dass DU das heute weisst!“
Meist ist die Klient*in dann überrascht oder ungläubig.
Dann antwortet die Leiter*in für das KiS:
Genau deshalb sage ich dir das!
Ich brauche nicht dein Mitleid!
Ich brauche nicht deine Schuldgefühle!
Vergeude nicht deine Zeit damit!
ICH WILL ENDLICH MIT DIR AUF DIE TIGERPARTY!!


Was ist mit den eigenen Bedürfnissen heute?
Leiter*in zur Klient*in:
„Kann es sein,
dass die kleine vitale, aber auch bedürftige (Namen der Klient*in) auch heute oft zu kurz kommt?
...dass Du an einem eigenen Kind „wieder gut machen möchtest“, was dein KiS erlebt hat, indem du es verwöhnst – und gleichzeitig sitzt dein KiS wie früher auf der Kellertreppe bei Brot und Wasser?
...dass du unausgesprochen von deiner Partner*in erwartest, dass sie sich um dein KiS kümmert?
… und wenn er das nicht macht, bist du dann enttäuscht von ihm und machst ihr dafür Vorwürfe?“

Wenn die Klient*in hier zustimmend nickt:

„Ist es denn fair, gegenüber der Partner*in, von ihr zu erwarten, „Babysitter“ zu sein für dein KiS? Sie ist doch nur interessiert an der Erwachsenen – für dein KiS ist sie gar nicht zuständig.
Und ist es nicht dreimal unfair gegenüber deinem KiS?
Schon die Eltern haben seine Bedürfnisse nicht wirklich gesehen,
Du selbst siehst sie meistens auch nicht!
Und dann überlässt du sie auch noch einer Partner*in, die gar nicht zuständig ist für sie!?
Was hast du da deinem KiS die ganzen Jahrzehnte zugemutet? Wen bräuchte deine bedürftige und vitale Kleine ganz dringend!!

Nach dem bisherigen Prozess spürt die Klient*in meist die Notwendigkeit, selber für ihr KiS zu sorgen. Und sie spüren auch, dass sie jetzt, nach der Verbindung mit ihre wahren Selbst dazu in der Lage sind. Daher sind sie bereit, ihrem KiS zu versichern:

„Ab heute bin nur noch Ich für dich zuständig! Und nur Du bist für mich die „Nummer Eins“! Noch vor meinen Kindern und Enkeln!
Und ich überlass dich nie mehr einer Partner*in an einer Seite!“

Leiter*in: „Natürlich möchte ihr KiS, das so lange unterdrückt wurde, auch wieder spielen und Spass haben. Geht das überhaupt – oder wird ihr Leben wie bisher kontrolliert und leistungsorientiert sein?“
Jetzt kann die Klient*in ihrem KiS versichern: „Bei mir darfst du heute noch etwas anstellen. Und ich stehe gerne „Schmiere“ für dich! Ich möchte wieder Spass mit dir haben!“
Leiter*in: „nehmen Sie das Symbol für das KiS – das grüne Klötzchen – an ihr Herz, und spüren sie: wie wäre es für das KiS,
Wenn es ab heute einen sicheren Platz bei Ihnen hätte!
Wenn es so wahrgenommen würde, wie es wirklich ist, mit seinen Bedürfnissen und Gefühlen?
Wenn es bei Ihnen geschützt würde und auch seinen Spass haben dürfte?“
Die Klient*in spürt nach: „Da würde es ihm endlich sehr gut gehen, da würde es sich zuhause fühlen bei mir!“

Leiter*in: „Und wie würde es IHNEN gehen, wenn es ihrem KiS endlich gut geht bei ihnen?“

Die Klientin strahlt: „sehr gut“!

Leiter*in: „Es zeigt sich immer wieder, dass ALLE Probleme verschwinden können, sobald es ihrem KiS gut geht bei Ihnen.
Warum das so ist?
Weil ALLE Probleme dadurch entstanden sind, dass sie „gelernt haben“, statt für sich selber zu sorgen, sich ungefragt da nützlich zu machen, wo sie gar nicht zuständig sind, und daher auch keine Wirkung haben können.
Die Folgen sind Erschöpfung, Frust und Verwirrung – und am Schluss haben sie keine Energie mehr für sich selber!
Und das ist jetzt vorbei!
Nehmen sie noch die Symbole für ihren Fokus und ihr wahres Selbst an ihr Herz und spüren sie, wie es sich anfühlt, wenn endlich diese Element verbunden sind, die zusammen gehören – die so viele Jahrzehnte getrennt waren!?“
Die Klient*in spürt: das fühlt sich richtig an und befreiend. Zugleich ganz neu und ungewohnt – ohne Stress und Drama. Unspektakulär und unaufgeregt – einfach „normal“.

In dieser Verfassung wirft sie noch einmal einen Blick auf die Eltern: zu ihnen spürt sie nun eine angenehme Distanz: sie dürfen so sein und bleiben wie sie sind.

Drei Schritte ins Hier und Jetzt
Sie stellt die drei Klötzchen auf den Tisch, sie drehen sich um, lassen „das Schmerzliche und Verwirrende der Vergangenheit“ hinter sich und gehen symbolisch über ein Grenz-Symbol ins „Hier und Jetzt“.
Und sie spürt ein letztes Mal, wie sich das anfühlt.

Hinweis auf mögliche „Erstverschlimmerung“
Die Leiter*in erklärt: Meist geht es nach einer solchen Aufstellung besser. Bisweien kann es auch zu einer Erstverschlimmerung kommen: die „Umprogrammierung“ kann eine vorübergehende Desorientierung auslösen. Und die „alten Gespenster“ können noch einmal auftauchen – wahrscheinlich, um sich endlich für immer verabschieden zu können!?
Daher die Empfehlung: „Drei Schritte zurück gehen, und sie vorbei lassen – ohne sich wieder mit ihnen zu identifizieren!“



Falbeispiel Erik Aufstellung: https://youtu.be/Ocp718UEWEA
Anliegen: Ich war vor zwei Woche auf der Psychiatrie mit ein Depression. Das Zusammenleben mit mein geliebte Frau funktioniert nicht mehr, weil ich meiner Emotionale Seite abgespaltet habe.
Kommentar: Erik´s Kindheit war bestimmt durch traumatische Erfahrungen mit beiden Eltern. In eine neuen Format, "kombiniertes Beziehungstrauma" werden beide Eltern mit ihren Traumata aufgestellt. Erik erkennt sein Überlebensprogramm gegenüber dieser "verwirrenden Koalition" - und kann sich bewusst davon lösen. Sehr tiefgehender, berührender und zugleich spannender Prozess.

Gesellschaftliche Implikationen
Wie eingangs vermerkt, ist das Überlebensprogramm entstanden in einer Beziehung zwischen überforderten Eltern und einem hilflosen und auf Zuwendung angewiesenem Kind. Dies extreme Machtgefälle ist auch heute noch – trotz Aufklärung – Menschenrechten und Demokratie! – bestimmend für die Beziehungsmuster der Familie – und der Gesellschaft. Daher neigt sowohl eine Familie als auch die Gesellschaft dazu, ein Abhängigkeitsmuster, welches dies Machtgefälle stabilisiert, nicht in Frage zu stellen. Bzw. den Betroffenen noch die Verantwortung (Schuld) für ihre Probleme zu zu schieben – um sich selber reinzuwaschen.

Das ist ein Grund dafür, dass den Betroffenen ihr Thema peinlich ist, so als seien sie selber daran Schuld oder als seien sie deshalb weniger Wert. Und das hindert sie – zusätzlich zu ihrem verinnerlichten „Verbot“ – daran, sich gegen die Schuldigen, gegen die Täter erfolgreich zu wehren. So bleiben sie in ihrem “Alptraum“ stecken.
Dies Trauma-Programm ist verbunden mit dem Symbiosemuster, mit den Tendenzen, sich abhängig zu machen, sich fremden Autoritäten zu unterwerfen (Autoritäts-Gehorsam) und sich für fremde Interessen benutzen zu lassen.

Schon der US-Amerikanische Psychologe Stanley Milgram hat vor mehr als 60 Jahren durch seine genialen Experimente die Verbreitung dieses Musters untersucht. Ursprünglich hatte er angenommen, das sei ein „deutsches“ Problem -- verantwortlich unter anderem für den HOLOCAUST. Als er dann herausfand, dass sogar im “freien“ Amerika 66% von diesem Muster betroffen waren, war er geschockt.
Milgram selber wurde wegen dieser Ergebnisse heftig angefeindet. Ihm wurde vorgeworfen, durch seine Experimente die Probanden traumatisiert zu haben. Dennoch führte er die Versuche fort – mit dem gleichen Ergebnis. Er konnte das damals nicht erklären, aber er erkannte und formulierte, dass dies Phänomen für das Überleben der Menschheit ein grosses Risiko sein würde. Milgram wurde 1933 geboren – 8 Jahre früher als ich! – und starb bereits 1984 mit 51 Jahren an Herzinfarkt.

Heute können wir dies Phänomen des Autoritätsgehorsams verstehen als Folge eines autoritäten Erziehungsstils, als kollektive Traumatisierung durch frühe Ohnmachtserfahrungen. Sein Experiment hatte bei den Klient*innen dies Trauma getriggert.
Bemerkenswert: eine Teilnehmerin, ausgerechnet eine Deutsche, „Grete“ verweigerte sich dem Experiment. Als er sie fragte wieso? Antwortete sie: Na, wenn man soviel Schlimmes erlebt hat!

Die zerstörerischen Aspekte dieses offenbar „systemstabilisierenden“ Musters werden durch die aktuellen Krisen immer deutlicher. Immer mehr Menschen spüren das und suchen nach Alternativen. So entsteht fast unbemerkt eine Revolution von unten, einer „Graswurzelbewegung“.

Auch unser Konzept kann verstanden werden als ein Beitrag zu einer Bewusstseinstranformation „von unten“, die uns und unsere Kinder dazu befähigt, zukunftsfähig zu sein. Umsomehr da es auch in „Eigenregie“ durchgeführt werden kann, Resilienztraining im Do it Yourself:

Danke, Marianne!
;-)