Fallbeispiel: Still-Problematik im Frühwochenbett.
Eine 39-jährige Schwangere bekommt ihr 1.Kind, einen Sohn, 3 Wochen vor dem Entbindungstermin mit einem zarten Geburtsgewicht von 2700g. Trotz des großen Wunsches der Mutter das Baby zu stillen, geht das Kind nicht an die Brust. Das Baby verliert weiterhin Gewicht und wiegt am 6. Tag nach der Geburt 2440g. Alle mir als Hebamme bekannte Mitteln und Möglichkeiten (Homöopathie, Aromatherapie, Phytotherapie ) wurden in dieser Zeit ausgeschöpft. Am 15. Tag nach der Geburt war die junge Mama verzweifelt und sehr weinerlich. Ihr Schmerz äußerte sie mit folgendem Satz: „Ich möchte mein Baby voll stillen und ich weiß nicht, wie das gehen soll?“ Bis dahin ging das Baby immer noch kein einziges mal an die Brust und wurde ausschließlich mit abgepumpten Muttermilch ernährt. Die weinerliche Wöchnerin war inzwischen verzweifelt und war an den Punkt gekommen, ihr Kind abzustillen. In einem intensiven Gespräch mit ihr haben wir beschlossen, dass sie sich Hilfe von Ihren Angehörigen holt, damit sie mehr zum Schlaf kommt. Dass sie auch ihren Partner bittet, sich ein bisschen mehr Zeit für sie und das Baby zu nehmen, um ihr etwas mehr zur Seite zu stehen und sie noch etwas mehr zu entlasten. Das nächste große Thema tauchte mit ihrem Vater auf. Er lebt alleine in einem gemeinsamen Haus und wird teilweise von der Wöchnerin versorgt. Die Beziehung zum alten Vater ist belastet und sehr angespannt. Ich schlage der Wöchnerin eine systemische Aufstellung vor. Sie ist damit direkt einverstanden und ich fange mit der Aufstellungsarbeit an. Im 1.Schritt stehe ich für das Baby und spüre, wie ich einerseits die Traurigkeit der Mama spüre und trage und andererseits spüre, dass meine Mama für mich nicht präsent ist, weil sie in der „Mama-Rolle“für ihren eigenen Vater steht. Das mach mich in der Rolle vom Baby wütend und deshalb will ich nicht an die Brust gehen. „Die Schwere“der Mama wird ritualmäßig der Mutter zurückgegeben und mit dem Satz:“Mein Thema mit meinem Papa werde ich auflösen“, wird der 1.Schritt beendet. Im 2. Schritt der Aufstellungsarbeit gehe ich in folgenden Schritten zur eigenen Autonomie gegenüber dem Vater vor. Dabei wende ich vom Dr. R.Langlotz entwickelte Methode der Selbstintegration. Schmerz und Schwere, die nicht zur jungen Mutter gehören, werden symbolisch in Form von einem Stein dem Vater zurückgegeben. Angestaute Tränen der Verzweiflung darüber, dass sie viele Jahre sich um ihn wie eine Mutter kümmern musste und ihm nichts recht machen konnte, dürfen endlich und lange abfließen. Alle Plätze, die sie bei ihrem Vater eingenommen hatte, verlässt sie bewusst. Sie verbindet sich mit ihren beiden verlorenen SELBST-Anteilen: zuerst das erwachsene SELBST dann das kindliche SELBST. Durch beide Schals, die auf den Boden gelegt werden, wird auch die gesunde Distanz sichtbar und spürbar. Mit ihrem Krafttier Elefant verteidigt sie mit viel Kraft in eigenen Besitz genommenen eigenen Raum. Mit dem Satz:“Jetzt lebe ich nur mein Leben und es ist mir egal, wie Du Dein Leben lebst,“ geht sie 3Schritte in ihr eigenes Leben, verbunden mit ihren beiden Selbst-Anteilen zu ihrem Mann und ihrem Kind. Das Baby wird gerade wach, als die systemische Arbeit beendet ist (Zufall?) und ich schlage der jungen Mama vor das Baby mit einem Sauger von einer Teeflasche zum Stillen an die Brust anzulegen, als Ersatz für ein Still-Hütchen, da der Schritt das Baby direkt an die Brust anzulegen für mich zu groß erschien. Das Baby saugte ganz tapfer und kraftvoll fast 30 Minuten, wurde müde und satt und schlief ein. Am nächste Tag gab die Wöchnerin die Milchpumpe in die Apotheke zurück. Ab da an ging das Baby mit Freude an die Brust und wurde bis zu 1 Jahr gestillt, trotz erneuten Schwangerschaft.