Thema von ero langlotz im Forum ZUKUNFTSORIENTIERT - S...
Deutschland hat gerade 1:2 gegen England verloren. Die Deutschen sind enttäuscht und werfen dem Schiri vor, ein Handspiel nicht gewertet zu haben. Nagelsmann, der Trainer der Nationalmannschaft betont mit Recht: entscheidend sei doch das hervorragende Zusammenspiel unserer Mannschaft gewesen. Und diese „Symbiose“ wäre auch in anderen Lebensbereichen sehr wertvoll. Wir verstehen in unserem Gebiet Symbiose als etwas negatives, als das Fehlen von Autonomie. Diese unterschiedlichen Bewertung von „Symbiose“ ist sehr verwirrend – das erlebe ich jeden Tag. Daher versuche ich heute, möglichst knapp die unterschiedlichen Formen von Symbiose zu definieren. Hilfreich für diese Differenzierungen sind zwei Gesichtspunkte: 1. handelt es sich um ebenbürtige Partner oder besteht ein naturgegebenes „Autonomie-Gefälle“ (z.B.Mutter-Säugling) 2. nützt diese Beziehung beiden Partnern, oder nur einem? Schadet sie vielleicht beiden, oder zerstört sie sogar den anderen?
1. Symbiose als Win-Win Wenn Nagelsmann von Symbiose spricht, dann meint er das weit verbreitete Beziehungs-Phänomen, bei dem alle Beteiligten einen Gewinn haben, und keiner benachteiligt wird. Auf „Neudeutsch“ eine Win-Win-Situation. Diese Form finden wir zum Beispiel, im Verhältnis der Ameisen zu den Blattläusen. Sie legen „Blattlauskolonien“ an und nähren sich von derem Sekret. Oder unser Verhältnis zu bestimmten Bakterien, die unseren Darm besiedeln, und uns beim Aufschliessen von Nahrungsmitteln wertvolle Dienste leisten.
2. Mutter-Kind-Symbiose Hier besteht ein ausgeprägtes Autonomie-Gefälle. Da das Neugeborene alleine nicht lebensfähig ist, orientiert sich die Mutter nach den Bedürfnissen des Kindes – und muss dabei eigene Bedürfnisse zurückstellen. Je mehr das Kind eigene Fähigkeiten entwickelt – und diese auch anwenden will – desto mehr kann und muss die Mutter sich wieder nach den eigenen Bedürfnissen orientieren. Diese naturgegebene Autonomie-Entwicklung des Kindes könnte zur Auflösung der Mutter-Kind-Symbiose führen. Wir alle wissen, dass das heutzutage nicht immer gelingt. Manche Mütter, die selber wenig Selbstwert und Autonomie entwickeln konnten, halten diese „Überfürsorge“ irrtümlich für „Liebe“ zu der sie sich verpflichtet fühlen - um sich als „gute Mutter“ wertvoll zu fühlen. Sie reagieren gekränkt und vorwurfsvoll auf die – bisweilen ungestümen – Autonomiebewegungen des Kindes. Dadurch kann es zu Kontakt-Abbruch kommen – oder auch zu lebenslanger Unterwerfung und Abhängigkeit des Kindes.
3. Autonomie Als Autonomie wird die Fähigkeit bezeichnet, sein Leben SELBST-bestimmt – statt FREMD-bestimmt führen zu können. Entscheidend sind die ersten „prägenden“ Beziehungen. Wenn ein Kind gelernt hat, dass es wert ist, beachtet, versorgt und geliebt zu werden, einfach weil es da ist – unabhängig davon, ob es nützlich ist durch Leistung oder Gehorsam, dann entwickelt es ein Selbstwert-Gefühl. Dazu gehört das Recht, sich immer mehr nach der eigenen Wahrnehmung, nach eigenen Gefühlen und Bedürfnissen zu orientieren. Durch diesen Selbstwert, durch diesen eigenen „Kompass“ kann sich auch eine Struktur entwickeln: Die Wahrnehmung für den eigenen Raum und die eigenen Grenzen, die geschützt werden dürfen, wenn sich Fremde ungebeten einmischen wollen. Die Wahrnehmung und der Respekt für fremde Grenzen, Räume und Interessen, die verletzt werden, wenn man sich ungefragt einmischen zu müssen glaubt. Diese Struktur ermöglicht es, die gesunde Kraft- auch die gesunde Wut – gerichtet einzusetzen, statt sie zu unterdrücken und destruktiv gegen sich und andere zu lenken. Der eigene Selbstwert, die eigene Würde erlaubt auch, absichtslose Liebe von anderen anzunehmen – und selber zu schenken. Das Selbstwertgefühl macht es möglich, sich zu zeigen, wie man wirklich ist. Das macht authentisch und das wirkt anziehend auf andere – die genau das schätzen. So entsteht gegenseitige Anziehung, und dadurch Bindung. Diese „erwachsene“ Bindung ist primär unabhängig von Leistung oder Gehorsam.
4. Wenn ein Beziehungstrauma die Autonomie-Entwicklung blockiert . . .
Der frühe Verlust einer wichtigen Bezugsperson – z.B. Eltern oder Geschwister – aber auch die Erfahrung, ignoriert, abgelehnt – oder benutzt zu werden, kann die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls blockieren oder verhindern. Um dennoch zu überleben, aktivieren die Betroffenen angeborene Anpassungs-Reflexe. Sie erkennen, welche eigenen Gefühle, Bedürfnisse oder Wahrnehmungen ignoriert oder gar als „falsch“ abgelehnt werden, um diese dann selber zu unterdrücken oder zu verleugnen. Ohne diese „innere Orientierung“ entwickeln sie eine spezielle Wahrnehmung („Antennen“) für die Bedürfnisse, Gefühle und Überzeugungen anderer, um von ihnen geduldet, oder vielleicht sogar als „nützlich“ anerkannt zu werden. Diese „magisch-grandiosen“ Tendenzen vermitteln ein „extrinsisches“ Selbstwertgefühl, begründet auf Leistung und Gehorsam. Aber dies Selbstwertgefühl ist brüchig, es schwankt zwischen grandioser Selbst-Überschätzung und brutaler Selbstabwertung.
5. . . entsteht ein „destruktives“ Symbiosemuster Abhängigkeit Die Betroffenen neigen dazu sich nach den Ansichten und Bedürfnissen des jeweiligen Gegenübers zu orientieren, um Konflikte zu vermeiden. Umso mehr, da sie ihre „gesunde“ Wut lieber unterdrücken, als sie an die richtige Adresse zu richten: sie sind wenig konfliktfähig. Sie neigen dazu, sich in fremden Räumen zuständig zu fühlen – ohne Auftrag – und riskieren Erschöpfung und Burnout für die Illusion, wertvoll zu sein für andere.
Lose-Lose-Situation Da sie ihre eigenen Bedürfnisse nicht spüren, können sie nicht gut für sich selber sorgen. Sie sind angewiesen auf andere, die – so wie sie – sich wertvoll fühlen, wenn sie gebraucht werden. So entsteht die Ko-Abhängigkeit, die symbiotische Beziehung zwischen zwei Abhängigen. Fatal, dass auch sie ihre Bereitschaft, sich vom anderen benutzen zu lassen, irrtümlich für „Liebe“ halten. Dass gibt dieser sehr verbreiteten Verwirrung so etwas Scheinheiliges - wie einen „Heiligenschein“. Verstärkt wird dies Muster noch durch eine (kirchliche) Doktrin, die Gehorsam und Selbstlosigkeit als „Tugend“ verklärt.
6. destruktiver (toxischer) Narzissmus Manche, denen als Kind ihr Selbstwertgefühl so gründlich ausgeprügelt wurde, dass sie sich selber für „böse“ halten, sind davon überzeugt, dass sie nicht liebenswert sind. In ihrer verzweifelten Einsamkeit entwickeln sie perfekte Strategien, um dennoch die ersehnte Nähe zum Gegenüber zu erzwingen, indem sie sich für den anderen unentbehrlich machen, indem sie – fälschlich - vorgeben, nur das Beste für den anderen zu wollen, durch Geschenke und Versprechungen, und/oder notfalls auch durch Androhungen und Gewalt. So entstehen Lose-Win- Beziehungen, bei der nur die eine Partei gewinnt, auf Kosten der anderen. Dieses Beziehungsmuster kann verglichen werden mit einer Krebserkrankung. Alle Zellen eines Organismus sind so programmiert, dass sie das Überleben des Gesamtorganismus sichern. Bisweilen „entarten“ einzelne Zellen, das heisst, sie orientieren sich nicht mehr an ihrem ursprünglichen Programm, eine bestimmte Funktion zu erfüllen. Sie koppeln sich ab und vermehren sich hemmungslos. Dabei zerstören sie die Nachbarorgane und damit den Gesamtorganismus. Sie nehmen auch den eigenen Untergang in Kauf, und versuchen, bis zum Schluss noch davon zu profitieren! Diese bösartige „karzinomatöse“ Variante des Narzissmus ist gerade dabei, die Schlüsselpositionen der Macht zu erobern, um diese Macht für die eigenen Interessen zu missbrauchen – auf Kosten des Gemeinwohls. Dabei verschleiern sie ihre wahren Ziele, und geben vor, die Interessen der Menschen zu vertreten.
7. Die aktuellen Krisen Dieser – meist perfekt verschleierte – Machtmissbrauch ist die eigentliche Ursache für die aktuellen Krisen, welche die Zukunft unserer Kinder und Enkel bedroht. In der Menschheitsgeschichte gab es mehrmals Krisen - Seuchen, Hungersnöte, Waldsterben - die das Überleben der Spezies homo sapiens gefährdet haben. Doch das Erkennen dieser Zusammenhänge und die nötigen Konsequenzen haben das Überleben der Menschheit bis heute ermöglicht. Immer mehr wird deutlich, dass die Superreichen die Demokratie und damit den sozialen Frieden gefährden. Siehe dazu Bedrohen Superreiche die Demokratie? | 42 - Die Antwort auf fast alles | ARTE https://www.youtube.com/watch?v=fVdS0N3rz6Y
Statt die Aktivisten der letzten Generation zu kriminalisieren und vorbeugend zu inhaftieren, sollte dieser zerstörerische Machtmissbrauch als Verbrechen gebrandmarkt werden und die Betroffenen als Verbrecher vor Gericht gestellt werden. Aber das wird erst geschehen, wenn wir unsere natürliche Vernunft benutzen, um genauer zu unterscheiden zwischen grandiosen Versprechungen und Not-wendenden Zukunfts-Perspektiven – auch wenn sie schmerzlich sind. Dann werden wir andere Politiker wählen als Söder, Merz und Lindner. Dazu sollen diese Überlegungen einen Beitrag leisten!
Thema von ero langlotz im Forum Rückmeldungen und Frag...
Die zahlreichen Aufstellungsbeispielen auf diesem Kanal zeigen eindrücklich unsere Vorgehensweise und deren unmittelbare Auswirkungen. Da diese Vorgehensweise manchen anfangs etwas starr und direktiv erscheint, skizziere ich hier so kurz und knapp wie möglich unseren theoretischen Hintergrund.
In unserer Gesellschaft sind Kinder schon früh Selbstwert-Verletzungen ausgesetzt: subtil durch Ignorieren und Vernachlässigen, oder massiv, durch Abwertung, Ablehnung oder Gewalt. Um dennoch zu überleben, aktivieren sie angeborene, „archaische“ Anpassungsreflexe: sie verleugnen ihr authentisches, wahres Selbst: Gefühle, Bedürfnisse, Wahrnehmungen. Dadurch verlieren sie ihr „intrinsisches“ Selbstwertgefühl, verlieren auch ihre innere Orientierung, ihren „Kompass“. Stattdessen orientieren sie sich nach aussen, nach den Erwartungen und Bedürfnissen anderer. Gehorsam und Leistung verhelfen ihnen zwar zu einem „extrinsischem“ Selbstwertgefühl, da sie dann wahrgenommen und geschätzt werden und sich nützlich fühlen. Aber das wahre Selbst wehrt sich immer wieder gegen das „falsche“ Selbst, das erzeugt eine innere Zerrissenheit und Verwirrung.
Dieser Widerspruch zwischen Selbst-Verleugnung und „falschem“ Selbst wird unbewusst als „Notprogramm“ gespeichert, sodass die Betroffenen sich unbewusst damit identifizieren, als wäre das ihre wahre Identität. So entsteht der „Stressor“ der lebenslang ihr Erleben und Verhalten bestimmt.
Die fehlende Orientierung am inneren Kompass erklärt auch die verwirrenden Beziehungsmuster, die wir als Symbiosemuster bezeichnen. Die sichere Unterscheidung zwischen Ich und Du, zwischen eigenem und fremden Raum geht verloren. Die eigenen Grenzen können nicht wahrgenommen und geschützt werden („Abgrenzungs-Verbot“). Aber auch fremde Grenzen werden nicht respektiert (Übergriffigkeit, Helfer-Syndrom). Ohne diese Orientierung kann auch die Kraft nicht gesund eingesetzt werden, um sich zu schützen (mangelnde Selbst-Fürsorge), oder eigene Ziele zu verfolgen. Sie ist blockiert und richtet sich destruktiv gegen sich selbst – oder gegen andere (Selbst-Hass, Depression, Erkrankungen).
Da diese Vorgänge unbewusst ablaufen, können die Betroffenen diese Zusammenhänge nicht erkennen und ihr „Programm“ nicht löschen. Im Gegenteil, je mehr sie spüren, dass dies „Programm“, das sie als Kleinkind gerettet hat, im Erwachsenenalter mit Stress und Leid verbunden ist, desto mehr neigen sie dazu, sich selber dafür die Schuld zu geben. Das verstärkt den Teufelskreis der Selbstabwertung.
Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, greifen wir zurück auf uralte Vorstellungen von einem wahren Selbst, das unzerstörbar ist und unverlierbar. Wenn wir uns bewusst machen, dass die Erde uns hervorgebracht hat, dass wir Teil sind eines grösseren schöpferischen Ganzen, das uns trägt und nährt, bedingungslos, dann gibt uns das eine unzerstörbare eigene Würde. Unabhängig von Leistung oder Anerkennung durch andere. Dieses „intrinsische Selbstwertgefühl“ kann zu einem inneren Kompass werden. Dies gibt uns eine Orientierung: Wir können erkennen: das Trauma und die Überlebensstrategien sind unvereinbar mit diesem Selbst. Und: nur durch diese Anpassungsreflexe konnten wir damals überleben. Also gibt es keinen Grund, uns heute dafür abzuwerten!
Durch den Aufstellungsprozess erkennen und würdigen die Betroffenen, dass die frühen Anpassungs-Reflexe des Kleinkindes damals für das Überleben existentiell wichtig waren, aber heute nicht mehr erforderlich sind. Ja dass sie im Gegenteil nur noch hinderlich sind. Dann können sie die früh gespeicherten Trauma-Inhalte „löschen“- ohne sich heute dafür selber abwerten zu müssen. So wird es ihnen wieder möglich, sich nach ihrem inneren Kompass, ihrem gesunden Wesenskern, dem wahren Selbst zu orientieren. Diese Orientierung befreit auch wieder ihre Kraft, die bisher gebunden war durch das Ertragen des Unerträglichen. Nun können sie diese Kraft wieder gezielt einsetzen, für sich, statt gegen sich. Statt dem bisherigen Gefühl der Lähmung nun die Erfahrung wirksam und handlungsfähig zu sein. Und ein „artgerechtes“ Leben zu führen durch Beziehungen, die nicht bestimmt sind durch gegenseitige Abhängigkeit, sondern durch gegenseitige Anziehung.
Inzwischen verstehen wir immer besser, warum diese Vorgehensweise so rasch und tief wirkt. Wir aktivieren ein angeborenes Selbstheilungsprinzip, das die Gedächtnisforschung als Gedächtnis-Rekonsolidierung bezeichnet. Auch andere modernere Therapieverfahren wie EMDR (Hensel, „Stressorbasierte Therapie“) und Kohärenz-Therapie (Bruce Ecker, Der Schlüsse zum emotionalen Gedächtnis) verwenden dieses Prinzip. Unser Konzept – wir bezeichnen es inzwischen als Selbst-integrierende Stressor-Auflösung - ist unabhängig von diesen Methoden entstanden. Wir verwenden das Aufstellungs-Setting mit seiner zweidimensionale Ebene und benutzen Symbole für Personen und deren Traumata. So werden den Betroffenen die komplexen Zusammenhänge zwischen Selbst, Grenzen und Raum unmittelbar sinnfällig. Durch „Probehandeln“ – wir bezeichnen es als „Struktur-Training“ - erlebt der Klient, das Trauma-bedingte Verbotsgefühl, sich abzugrenzen. Wenn er sich dazu entschliesst, sich nicht nach seinem verwirrten Gefühl, sondern nach seinem Verstand zu orientieren, dann setzt er seine bisher unterdrückte, destruktiv gewordene eigene Kraft wieder gezielt ein. Dabei erlebt er sofort eine innere Veränderung. Statt wie bisher gelähmt, fühlt er sich nun handlungsfähig. Und das löst Glücksgefühle aus und stärkt des Selbst-Vertrauen. Wenn so der „Kanal“ für die „gesunde Wut“ wieder geöffnet ist, dann kann sich auch das Herz wieder öffnen, um wahre absichtslose Liebe zu empfangen – und zu geben. Darüber hinaus können auch vorgeburtliche Traumen wie Abtreibungsversuch oder Verlust eines Zwillings geklärt werden. Werden diese frühen Traumen symbolisiert, dann zeigt sich, das bereits vor der Geburt Anpassungsreflexe aktiviert und gespeichert werden. Diese zu erkennen und zu löschen ist besonders wertvoll, da sie meist unbewusst sind, und – deswegen? - umso stärker wirken: Die eingeschränkte Abgrenzung begünstigt die Tendenz des Betroffenen, sich für die Probleme der Bezugspersonen zuständig zu fühlen und so deren Traumata zu übernehmen. Anders gesagt: Die Vulnerabilität wird erhöht, und damit die Tendenz, weitere Traumata zu erleben. Viareggio 23.6.24
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I Individuelle Beziehungsmuster I.1.Wahres – und falsches Selbst der Eltern Um die frühen Beziehungstraumen mit ihren Auswirkungen besser zu verstehen ist die Unterscheidung wichtig, zwischen einem wahren Selbst der Eltern, das dem Kind bedingungslose Liebe geben kann und so die Entstehung eines intrinsischen Selbstwertgefühls ermöglicht – und einem durch Traumata bedingten „falschen“ Überlebens-Selbst der Eltern, das die Ursache war für Verletzungen des Kindes: emotionales Verlassen, Benutzen und Überfordern, seelische oder körperliche Gewalt: Ignorieren, Ablehnen, Bestrafen.
2. Machtgefälle und Anpassungsreflexe Dieses destruktive Beziehungsmuster wird unbewusst von Generation zu Generation weitergegeben. Täter waren immer früher selber Opfer. Kinder - seelisch und physisch abhängig von diesen Eltern (Machtgefälle) - entwickeln Überlebensreflexe, die als Programm gespeichert werden und unbewusst ihr Selbstbild, ihr Erleben und Verhalten bestimmen, einschliesslich der Wahl des Partners. Unbewusst suchen sie sich Partner, die ähnlich belastet sind wie die eigenen Eltern.
3. Selbstwert und Beziehungsmuster So wird das Muster des Macht-Missbrauchs über Generationen weiter gegeben und vergiftet die Beziehungen: Ohne Selbstwertgefühl entwickeln die Betroffenen ein extrinsisches Selbstwertgefühl durch Leistung, um die ersehnte Zuwendung und Anerkennung ihres Gegenübers gewinnen zu können. Das ist die depressive Variante: Workoholic, Helfersyndrom, depressive Erschöpfung. Oder sie versuchen mit allen Mitteln Macht zu entwickeln, um andere durch Versprechungen, Geschenke- aber auch durch Drohungen oder Gewalt zu manipulieren und von sich abhängig machen. Das ist die destruktiv-narzisstische Variante. Die Ursache ist immer das fehlende gesunde intrinsisches Selbstwertgefühl, das unabhängig macht von der Anerkennung durch andere. Ein Bewusstsein der eigenen Würde, das es erlaubt, sich dem Gegenüber echt und authentisch zu zeigen. So wird Bindung möglich durch gegenseitige Anziehung.
Diese Unterscheidung zwischen „wahrem“ und „falschen“ Selbst ermöglicht einen Lösungsprozess: Wenn die bisher unterdrückten „negativen“ Gefühle von Schmerz, Ohnmacht und Wut wieder zugelassen und gegen das „falsche“ Selbst „entladen“ werden können, dann wird der Blick frei auf das „wahre“ Selbst des Elternteils, von dem das Kind - in kostbaren seltenen Augenblicken – auch die so ersehnte und benötigte bedingungslose Liebe erleben konnte. Erst nachdem der Kanal für die gesunde Wut geöffnet wird kann sich auch der Kanal für die Liebe öffnen. Das Herz öffnet sich für die bedingungslose Liebe eines anderen.
II. Zur Entstehung der globalen Krisen II.1. Die Erfahrungen mit frühen Beziehungstraumen haben meinen Blick geschärft für kollektive Konflikte und Krisen. Unsere Gesellschaft ist immer noch – bzw. immer mehr - bestimmt von extremen Gegensätzen von Arm und Reich, von Macht und Ohnmacht. Über Jahrhunderte waren 90% unserer Vorfahren Leibeigene die kein eigenes Land und keine Rechte hatten. Nur die „Herren“ – der Adel und der Klerus – durften Land besitzen. Dies offensichtliche Unrecht war zur Gewohnheit geworden, sanktioniert durch die Macht der Gewalt. Die Besitzlosen – denen ein intrinsischer Selbstwert ausgeprügelt worden war, lernten sich unterzuordnen, fleissig und gehorsam zu sein. Sie überlebten, indem sie für die anderen nützlich waren. Das entspricht der depressiven Variante. Aber es gab auch die Unangepassten, die sich widersetzten - und dafür kriminalisiert wurden. Und andere, die ihre Intelligenz und alle Mittel nutzten, um selber zu Macht zu kommen, indem sie andere von sich abhängig machten. Narzisstische Variante.
II.2 Machtmissbrauch Die zentrale Ursache der eskalierenden Krisen scheint mir der Machtmissbrauch zu sein: wenn mächtige „Eliten“ ihre Machtmittel nicht für das Gemeinwohl einsetzen sondern ausschliesslich für die Vermehrung der eigenen Macht. Als Arzt erkenne ich sofort die Parallele zum „Programm“ einer Krebszelle. Jede Zelle im Organismus hat zunächst eine bestimmte Funktion, um das Leben des Organismus zu ermöglichen. Wenn eine Zelle sich vom Organismus abkoppelt und nur noch das eine Programm kennt: „Wachsen um jeden Preis“, dann wird sie zur Krebszelle. Dabei zerstört sie die Nachbarorgane, reisst alle Ressourcen an sich, sodass der Organismus stirbt, und damit auch das Krebsgeschwulst. Die Parallele zu dem ausschlieslich Profit-orientierten Verhalten der Konzerne und Einzelpersonen (wie gerade Rene Benko) ist offensichtlich.
II.3. Selbstheilungstendenzen Ein gesunder Organismus hat durch die Immunabwehr die Fähigkeit, Krebszellen im Frühstadium zu erkennen und unschädlich zu machen. Daher sehe ich das als hoffnungsvolles Zeichen, dass auch in der Gesellschaft die Kräfte zunehmen, die Machtmissbrauch als solchen benennen und ächten, offensichtlich ausgelöst durch die Krisen. Ich denke an die Missbrauchsskandale in den Kirchen, die nach jahrhundertelangem Vertuschen endlich wahrgenommen werden. Ebenso die Me-too-Bewegungen, welche den Machtmissbrauch in anderen Bereichen, in der Lehr, im Sport und in den Kulturorganisationen bewusst machen und zu Recht anprangern. Schon länger gibt es die Friedensbewegung und die Klimabewegung, welche durch gewaltfreie Aktionen das öffentliche Bewusstsein für das Unrecht schärfen möchte. Ghandi war es durch sein Beispiel des gewaltlosen Widerstand möglich, Indien von der britischen Kolonialmacht zu befreien. Dass die Mächtigen und die von ihnen abhängigen Gruppen das bekämpfen durch Verleumdung, Unterstellungen oder – wie in Bayern - durch Kriminalisierung, macht immer mehr Menschen bewusst, dass es Zeit wird, sich aus der Komfortzone herauszuwagen, wenn sie für sich und ihre Kinder eine lebenswerte Zukunft wünschen. Das zeigt nur, wie berechtigt und wie wichtig diese Auseinandersetzungen sind.
III Der Konflikt Israel-Palästina Auch die aktuellen Debatten über das Verbot Pro-palestinensischer Demonstrationen verstehe ich als dringend erforderlichen Klärungsprozess. Über Jahrzehnte ist ein Konflikt zwischen Israel und den Palestinensern eskaliert, angetrieben von extremen Fanatikern auf beiden Seiten, unterstützt durch Grossmächte, die sich so einen Stellvertreterkrieg leisten. Beide Seiten haben grobe Menschenrecht verletzende Verbrechen begangen. Und es ist gut, wenn gerade junge Menschen dagegen protestieren, weltweit, aber auch bei uns. Deutschland ist da wegen des monströsen Holocaust-Verbrechens an Millionen von Juden in einem Dilemma. Wenn aber eine israelische Regierung berechtigte Kritik an den eigenen Menschenrechtsverletzungen als „Antisemitismus“ zu diffamieren und abzubügeln versucht, dann erscheint mir das als zynisch und obszön. Auch Israel muss die Menschenrechte achten, es steht nicht über den Gesetzen. Oder pointiert formuliert: der erlittene Holocaust bedeutet keine Lizenz zum Töten Unschuldiger. Aus meinen Erfahrungen mit frühen Traumata weiss ich, dass aus Opfern nicht selten Täter werden. Daher ist es so wichtig, bei einer Person, aber auch bei einer Regierung zu unterscheiden zwischen dem „gesunden Wesenskern“ und einem Trauma-bedingten Fehlverhalten, das natürlich benannt und verurteilt werden darf. Auch und gerade von uns Deutschen, die durch unsere Geschichte eine besondere Beziehung zu Israel haben. Daher erscheinen mir eine nüchterne Debatte extrem wichtig, ohne sich von den aufgepeitschten Emotionen der Fanatiker auf beiden Seiten einschüchtern zu lassen.
IV Ein allmächtiger, männlicher Schöpfergott – ein toxisches Konstrukt? Es gab schon lange berechtigte Kritik an der Vorstellung eines männlichen Vatergottes, der die Welt erschaffen haben soll. Die Aufklärung und die Frauenbewegungen haben dazu zahlreiche Argumente beigetragen. Die Frau ist es doch, die seit Jahrtausenden täglich sich und ihren Körper für das neue Leben zu Verfügung stellt. Und da soll ausgerechnet ein männlicher Gott diese Welt erschaffen haben? Angesichts der grassierenden Zerstörung der Natur und der Umwelt erscheint auch der „Auftrag“ dieses Schöpfergottes: „Macht euch die Erde untertan!“ sehr merkwürdig. Und statt dem Satz: Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde – und Eva aus Adams Rippe! - wäre es stimmiger zu sagen: „Der Mann, der sich den Frauen unterlegen fühlte, schuf sich einen Gott, nach seinem Bilde!“ Es scheint, dass dieses Gottesbild entstand, um den männlichen Machtmissbrauch – „von Gottes Gnaden“ – zu legitimieren. Und der Klerus – natürlich männliche Priester - durfte diese angemasste Macht teilen, weil die Amtskirche durch ihre Doktrin den Menschen eine angebliche Erbsünde zuschrieb. Damit sprach sie ihm seine „intrinsische Erb-Würde“ ab, und die Fähigkeit einer natürlichen Religiosität, die unmittelbar mit dem Transzendenten in Verbindung kommen kann. Diese Doktrin stellte zwar die Botschaft Jesu auf den Kopf, aber sie war ein Erfolgsrezept und wurde zum Modell für den Kapitalismus. Durch indoktrinierte Schuldgefühl ein Bedürfnis nach Erlösung zu wecken, und gleichzeitig selber ein Monopol zu besitzen für diese „Gnadenmittel“. Das hat über Jahrtausende eine Macht begründet. Wir bewundern die geistigen Errungenschaften und die grossartigen Kunstwerke, die von Menschen geschaffen wurden, die sich in den Dienst dieser Macht gestellt haben. Wir sind dankbar für die Dienste der Nächstenliebe, die von Menschen geleistet werden, die sich oft mehr dem Geist Jesu verpflichtet fühlen, als der Doktrin der Amtskirche. Und wir erleben gerade, wie diese Macht beginnt zu bröckeln, je deutlicher der Machtmissbrauch mit seinen krankmachenden Wirkungen sichtbar wird. Auch hier gilt: je deutlicher wir diese verwirrende destruktive Seite der kirchlichen Doktrin erkennen und benennen, umso deulicher wird die wahre Botschaft von Jesus, der zu den Benachteiligten und Ausgestossenen ging und ihnen die Liebe predigte: Ihr seit Gottes Kinder! Kann man einem Menschen eine grössere Würde zusprechen? Dieser Jesus wehrte sich gegen den Machtmissbrauch der Priester und der römischen Besatzer, und wurde deshalb kriminalisiert, verurteilt zum Foltertod am Kreuz! Die Umdeutung von Paulus, der Tod am Kreuz sei eine Heilstat Gottes, um uns Menschen von unserer Erbsünde zu erlösen entpuppt sich als geniale FAKE NEWS, um Menschen zu verwirren und zu Unterordnung und Gehorsam zu erziehen. Dank dieser Verfälschung konnte sich das Unrecht der Mächtigen für 2 weitere Jahrtausende halten. Diese Erkenntnis kann Kräfte freisetzen!
V Pfingsten ist das Fest des „heiligen Geistes“. Dieser Geist weht, wo er will und er richtet sich - mit Sicherheit! - nicht nach der kirchlichen Doktrin. Das ist der Geist Jesu, der Geist der Wahrheit, der die Verwirrungen der Gegenwart vertreibt. Möge dieser Geist uns alle erfassen, und uns helfen besser zu unterscheiden zwischen wahr und falsch. Vielleicht sind es ja gerade die Krisen, die diesen Geist in uns wecken.
Im Idealfall durchläuft eine gesunde Beziehung Phasen der Nähe und Distanz, die sich wie Ebbe und Flut abwechseln und eine Beziehung zu einem Tanz machen. Das schafft Freiraum und Verbundenheit und gibt eine Beziehung etwas Lebendiges, Organisches und Wachstumsfähiges.
Das bedeutet aber auch, Abgrenzung ist nichts Starres, sie "unduliert" flexibel zwischen Nähe und Distanz. Analog scheint es mir jetzt sehr stimmig, auch die Selbst-Verbindung nicht als etwas Starres, Festes zu verstehen, sondern ebenfalls als undulierend. In den Anforderungen des Alltags ist es ja unmöglich, ständig mit seinem Selbst verbunden zu sein?! Mir scheint jetzt eine andere Vorstellung viel stimmiger: zu wissen, dass es dies wahre Selbst gibt, und wie ich jederzeit mit ihm Verbindung bekommen kann. Z.B. indem ich in mir einen Raum schaffe für dieses Selbst - durch Meditation, durch Yoga oder TaiChi oder durch Autogenes Training - oder indem ich z.B. in die Natur gehe, um da mein Selbst zu spüren, dass sich als "Teil eines grösseren Ganzen" weiss.
Lieber Phil, danke für den Beitrag. Besonders wichtig scheinen mir die Sätze: Im Idealfall durchläuft eine gesunde Beziehung Phasen der Nähe und Distanz, die sich wie Ebbe und Flut abwechseln und eine Beziehung zu einem Tanz machen. Das schafft Freiraum und Verbundenheit und gibt eine Beziehung etwas Lebendiges, Organisches und Wachstumsfähiges. Voraussetzung für ein Selbst-bestimmtes Leben (Autonomie) ist ja die Verbindung mit dem eigenen Selbst – mit der „Essenz“ oder mit dem "göttlichen Funken" nach Jung. Wir wissen ja dass dazu die Fähigkeit zur Abgrenzung erforderlich ist, um ein Gefühl für einen eigenen Raum zu bekommen. Die Voraussetzungen dazu werden in den ersten Beziehungserfahrungen eines Kindes gelegt. Wenn die Mutter zu Kind eine sichere Bindung hat, dann kann das Kind spielerisch ausprobieren, wie es ist, sich zu entfernen, und dann wieder zurück zur Mutter zu kommen. Dein Beitrag macht mir bewusst, dass dazu offensichtlich auch gehört, dass ein Kind selber Nähe oder Distanz zu den Bezugspersonen bestimmen kann, ohne dafür durch Ablehnung oder Schuldgefühle belastet zu werden!
In unseren Ausbildungskursen berichten uns Teilnehmer von ihren unbefriedigenden Erfahrungen mit anderen Trauma-Therapiekonzepten. Das veranlasst mich zu den folgenden Überlegungen.
1. „Die Amygdala vergisst nichts?“ Traumatisierte Personen sind regelmässig mit dem früheren Trauma noch so identifiziert („verklebt“), als wäre es auch heute noch ein Teil ihrer Identität. Das ist die eigentliche Ursache ihrer Probleme. Viele anerkannte Trauma-Therapie-Konzepte gehen daher davon aus, dass das gespeicherte Trauma nicht mehr gelöscht werden kann. Sie vermuten, dass es in den Mandelkernen (Amygdala) gespeichert wurde – getreu der Maxime: „Die Amygdala vergisst nichts!“ Um dennoch das Leid der Betroffenen zu lindern, wird ihnen empfohlen, das Trauma zu „integrieren“, und den damaligen „Tätern“ zu verzeihen. Oder die Betroffenen werden angehalten, Kompensationsstrategien zu trainieren. Diese Vorgehensweise wird – etwas irreführend – als „Extinctions-Lernen“ bezeichnet (lateinisch Extinction bedeutet Löschen). Da jedoch das ursprüngliche Trauma – und das dadurch bedingte „Programm“ – nicht wirklich gelöscht wurde, kann diese Strategie den mentalen Stress der Betroffenen sogar noch erhöhen. 2. Rekonsolidierung Bereits seit einigen Jahrzehnten hat die Gedächtnisforschung die Fähigkeit unseres Gehirns erkannt, bis ins hohe Alter gespeicherte Traumen zu löschen: Rekonsolidierung. Allerdings muss dieser Selbstheilungsprozess, wenn er nicht spontan gelingt, erst aktiviert werden.
Thomas Hensel, psychologischer Traumatherapeut, arbeitet selber nach dem Konzept der EMDR. Basierend auf dem Phänomen der Rekonsolidierung hat er ein neues Traumatherapie-Konzept beschrieben: die „Stressor-basierte Psychotherapie“. Er beschreibt die Schritte (den „Algorithmus“), die erforderlich sind, um die Rekonsolidierung zu aktivieren: 1. Problemaktualisierung: Symbolische Repräsentierung der „belastenden Erfahrung“ (des Traumas) 2. Diskrepanzerfahrung durch Ressourcenaktivierung. Als Kontrast wird eine „Ressource“ aktiviert, eine Erfahrung der eigenen Stärke. 3. Duale Aufmerksamkeit: der duale Fokus oder „bifokale Blick“ nimmt gleichzeitig beide Erfahrungen in den Blick. So sind dem Klienten weitere Schritte möglich, Hensel bezeichnet sie als: Disidentifikation („Du bist nicht dein Problem“), die Einsicht, die Belastung und das resultierende Problem ist nicht „Ich-synton“, das heisst sie sind inkompatibel mit der erwachsenen Person von heute. Distraktion („Du hast Kontrolle“). Es entsteht eine Distanz zwischen dem Ich des Betroffenen heute und den Problemen, die durch die damaligen Belastungen bedingt waren. Das nimmt dem Problem seine Wirkung. Nicht-Tun, („sieh dem Gehirn bei der Arbeit zu“). Hier ist eine „nicht wertende Grundhaltung“ gefordert, die interessiert und mitfühlend die inneren Klärungs-Prozesse beobachtet, ohne sie manipulieren zu wollen.
3. Symbiose in Systemaufstellungen In meiner psychiatrischen Praxis entwickelte ich in den letzten 20 Jahren das Konzept der „Systemischen Selbst-Integration“ (SSI). Das Setting der Systemaufstellung ermöglicht den Betroffenen die Einsicht, dass alle ihre aktuellen Probleme bedingt sind durch das symbiotische Beziehungsmuster, ohne dass ihnen das bewusst ist. Das Symbiosemuster beinhaltet ein unbewusstes Verbot, die eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu schützen, aber auch fremde Grenzen wahrzunehmen und zu respektieren. Ohne diese „Struktur“ jedoch bekommen die Betroffenen kein Bewusstsein für einen eigenen Raum. Ohne eigenen Raum ist aber eine sichere Verbindung mit dem eigenen Wesenskern, dem eigenen Selbst gar nicht möglich. Daher können die Betroffenen nicht sicher unterscheiden zwischen Ich und DU, zwischen eigener und fremder Zuständigkeit. Diese Verwirrung blockiert ihr Selbstwertgefühl. Es blockiert auch ihre Orientierung. Aus Angst, ihre Kraft destruktiv einzusetzen, ist ihre konstruktive Kraft blockiert. Da sie ja immer noch da ist, wird diese Kraft destruktiv und richtet sich gegen sich selbst, oder gegen andere Unschuldige.
3.1. Das Trauma-Introjekt . . . Diese symbiotische Verwirrung ist sehr verbreitet, und betrifft – in einer stärkeren Intensivität - psychiatrischen Patienten. Dies Muster erscheint in unterschiedlicher Ausprägung und in einer verwirrenden Fülle von Variationen. - Diese verwirrende Buntheit hat möglicherweise das Erkennen dieses relativ einfachen Musters erschwert? Das Symbiosemuster kann verursacht werden durch frühe Erfahrungen von Verlust einer geliebten Person oder durch Gewalt. Die wirkende Dynamik wird durch eine Aufstellung mit Symbolen sofort erkennbar: Die Betroffenen stellen die geliebte verlorene Person – oder die belastende Trauma-Erfahrungen samt dem Täter von damals – auch heute noch in die Mitte ihres Raumes. Sodass ihre Verbindung zu ihrem Wesenskern, zu ihrem wahren Selbst dadurch blockiert ist. Diese „Introjektion“ einer geliebten Person – oder eines Traumas – war also die Ursache für ihre Probleme. (Diese Begriffe hat bereits der Freud-Schüler Ferenczy für die von ihm 1910 und 1930 beschriebenen Phänomene verwendet.)
. . . ist reversibel! Das Setting der Systemaufstellung ermöglicht mir ein experimentelles Vorgehen. Wenn der Betroffenen, auf dieser symbolischen Ebene dieses Element als Ich-fremd erkennt, dann wird ihm die Ursache seines aktuellen Problems bewusst. Er spürt – mehr oder weniger – einen Impuls, dieses Introjekt gezielt abzugrenzen, das heisst aus dem eigenen Raum zu entfernen. Er bemerkt dabei innere Hemmungen: erlernte unbewusste Verbote der Kindheit. Wenn er spürt, dass sein Gefühl verwirrt ist, dann empfehle ich ihm, sich an seinem heutigen Verstand zu orientieren. Entschliesst er sich dann zur Abgrenzung, verspürt er sofort ein bisher ungekanntes Gefühl von Freiheit, eigener Kraft und Selbstwert bzw. innerer Würde.
[b4. Frühe Beziehungstraumen[/b] Seit drei Jahren erforsche ich – inzwischen gemeinsam mit Philipp Kutzelmann – die Dynamik früher belastender Beziehungs-Erfahrungen: emotionales Ignoriert-Werden, Ablehnung, Verurteilung. Häufig verbunden mit emotionaler Überforderung, mit emotionalem Benutzt-werden. Diese Belastungen mögen dem Erwachsenen als banal oder unvermeidbar erscheinen. Für ein Kleinkind sind sie existentiell bedrohlich. Das Aufstellungs-Setting – seit der Corona-Pandemie mit Holzklötzchen als Symbolen – ermöglicht den Klienten, ihr frühes Beziehungstrauma zu „rekonstruieren“. Und es zeigte sich, dass sie nicht nur ihr Trauma unbewusst als Introjekt – als „Stressor“ gespeichert hatten, sondern auch die beteiligten Bezugspersonen und deren Traumata, und dazu noch ihre eigenen „Anpassungsreflexe“ die das Überleben des hilflosen Kindes von damals ermöglicht haben. 4.1. Anpassungsreflexe Diese Anpassungsreflexe folgen dem einfachen Prinzip der Konditionierung. Ein Kind hat das Grund-Bedürfnis, wahrgenommen und geliebt zu werden. Seine angeborenen Überlebensreflexe bewirken, dass es die Einstellungen Gefühle und Verhaltensweisen, unterdrückt, die von den Eltern ignoriert oder abgelehnt werden. Statt dieser „spontanen Gesten“ übernimmt es die Einstellungen, Gefühle und Verhaltensweisen, die von den Eltern erwünscht sind und mit deren Zuwendung „belohnt werden“. So entstehen folgende stereotype Überlebensreflexe, die sich durch farbige Klötzchen- Symbole darstellen lassen: Selbst-Abwertung/Selbstverleugnung – um sich vor Verletzungen zu schützen, oder um andere zu schonen, unterdrückt der Klient (Fokus) sein emotional-kindliches Selbst (seine spontanen Gefühle: grüner Quader). Magisch-grandiose Tendenzen – um von den Eltern wahrgenommen und geliebt zu werden, geht der Klient (Fokus) auf eine höhere Ebene, entwickelt „Antennen“ nach aussen – statt nach innen – um sich besser an den Erwartungen und Einstellungen der Eltern orientieren zu können. Das ist verbunden mit Selbst-Überforderung (Perfektionismus, Helfer-Syndrom) und Kontrolle. So entsteht ein extrinsisches brüchiges Selbstwertgefühl, schwankend zwischen Selbst-Erhöhung und -Selbst-Abwertung.
Diese Überlebens-Reflexe werden offensichtlich zusammen mit dem eigenen Trauma, den Bezugspersonen und deren Trauma als „Stressorkomplex“ im Hirnstamm so fest gespeichert, dass die Betroffenen es für einen Teil ihrer Identität halten. Das hat für die Betroffenen gravierende Konsequenzen: Ihr Selbstbild, ihr Erleben und ihr Verhalten, ja sogar ihre Partnerwahl wird unbewusst durch dieses „Programm“ gesteuert, wie durch Zwang. Auch wenn sie erkenen, wie unpassend und leidvoll ihr Verhalten ist, sie konnten es allenfalls abschwächen mit mentalem Kraftaufwand. Es erweist sich als weitgehend „Therapie-resistent“. Die Therapien machen ihnen dieses „unangepasste“ Verhalten mental noch mehr bewusst. Und die wiederholte Erfahrung, das eigene Verhalten trotz dieser mentalen Einsichten nicht ändern zu können, verstärkte die bereits bestehende Resignation und Selbst-Abwertung.
4.2. Den Stressorkomplex rekonstruieren – und lösen.
Ausgehend von unseren bisherigen Erfahrungen, dass eine Trauma-Introjektion reversibel ist, d.h. entfernt werden kann, entwickelte ich zusammen mit Philipp Kutzelmann - ein Konzept, um diese frühen Beziehungstraumen zu lösen. Theoretisch scheint die Lösung einfach: das Ich-fremde Trauma-Introjekt muss ersetzt werden durch das Ich-syntone SELBST. Praktisch jedoch zeigten sich dabei grosse innere Widerstände. Die Entfernung des Trauma-Introjektes kann sich verboten oder gefährlich anfühlen. Hier könnten magische Fantasien wirksam sein, so als könne man sich vor einem erneuten Trauma nur dadurch schützen, dass man das alte Trauma „fest im Blick“ hat? Der Abschied von vertrauten Überlebensstrategien fällt manchen sehr schwer. Hatten sie doch bisher dem Klienten die Illusion von Wertigkeit und Orientierung gegeben. Aber auch die Identifizierung mit dem wahren Selbst erscheint vielen gefährlich, so als sei es „falsch“. War es doch in der Vergangenheit von der Umgebung, und dann auch von den Betroffenen selber als falsch oder gar gefährlich abgewertet worden. Diese Widerstände zu verstehen war entscheidend, um den Klienten aus diesem verwirrenden Labyrinth seiner Gefühle heraus zu begleiten. Um diese Verwirrungen zu erkennen und zu lösen entwickelten wir eine Abfolge von Lösungsschritten: den Algorithmus der Selbst-integrierenden Stressorauflösung (SISTA).
Die Aufstellungsvideos auf unserem Kanal zeigen, wie differenziert und angepasst an die jeweilige Problematik dieser „Algo“ angewendet werden kann.
Warum ist dies Prinzip der Rekonsolidierung, das u.a. Thomas Hensel und wir anwenden, nicht schon lange bekannt und findet breite Anwendung? Als ich begann, mit Beziehungstraumen zu arbeiten, habe ich vor ca. 4 Jahren den Sammelband „Komplexe Traumafolgestörungen“ gekauft. Er enthält detaillierte Erörterungen von 30 Trauma-Experten zu komplexen Behandlungsstrategien für die unterschiedlichsten Trauma-Folgestörungen. Ich fand jedoch keinen Hinweis darauf, dass das Trauma von damals als reversibles Introjekt verstanden werden kann, das relativ einfach entfernt werden kann. Daher teilte ich den 30 Autoren dieses Bandes meine Beobachtung mit. Und keiner antwortete! - Ausser Thomas Hensel! Daher schliesse ich mit einer provozierenden Frage: Kann es sein, dass die Forschungs-Institute von heute immer noch geprägt sind von verkrusteten hierarchisch-patriarchalem Beziehungs-Strukturen? Wird auch heute noch innovative Entwicklung gebremst durch eine emotionale Abhängigkeit von den Vorgesetzten – die ja auch die Karriere ihrer Mitarbeiter massgeblich beeinflussen?!
Ich erinnere: Vor 180 Jahren wurde in Wien der Geburtshelfer Ignaz Semmelweis angefeindet für seine Publikation zum damals häufigen Tod im Kindbett. Er hatte beobachtet, dass bei Entbindung durch einen Arzt die Sterberate höher war als bei Entbindung durch eine Hebamme. Er vermutete - zu Recht – die Ursache darin, dass die Ärzte oft vorher in der Pathologie Verstorbene seziert hatten und so unbewusst ein gefährliches Element – die Bakterien waren damals noch nicht entdeckt! - in die Kreißsäle gebracht haben. Oder vor 60 Jahren wurde Stanley Milgram wegen seiner bahnbrechenden Experimente zum Autoritätsgehorsam angefeindet und ausgegrenzt. Beide Forscher starben früh, Semmelweis in der Irrenanstalt, Milgram am Herzinfarkt.
Wenn diese Mechanismen noch heute wirksam sind, dann konnten diese innovativen Konzepte nur von Einzelpersonen entwickelt werden, z.B. in einer psychiatrischen Kassen-Praxis!?
Thema von ero langlotz im Forum Rückmeldungen und Frag...
L hat seit Jahren mehrere Aufstellungen gemacht, und kürzlich noch einmal eine belastende Partnerbeziehung aufgestellt , die dieser schon lange beendet hatte, und berichtet über das, was sie danach erlebt hat. DIESE RÜCKMELDUNGEN SIND SO KLAR, DASS SIE AUCH FÜR ANDERE HEILSAM SEIN KÖNNEN. DAHER BIN ICH L DANKBAR DAFÜR, DASS ICH SIE HIER VERÖFFENTLICHEN DARF!
Sie hat mit diesem Mann einen Sohn, F. Meine antwort darauf in kursiv. Am 07.04.2024 um 17:44 schrieb L
l. Was ich festgestellt habe, dass es erst eine Erstverschlimnerung gab.
Ich wollte F.s Vater dazu bewegen F mal zu besuchen (erfolglos) und es war ein sehr schmerzhafter Prozess für mich den ganzen Schmerz noch einmal zu durchfühlen. Das grauenhafte und unmenschliche Verhalten zu akzeptieren. Mir wurde viel bewusst über die letzten 15 Jahre und dass es nicht förderlich war, auf seine Präsenz zu bestehen. Bzw. Immer zu denken es sei wichtig und ich müsse mich und meine Wahrheit opfern, weil ich mich schuldig fühlte mich getrennt zu haben. Und zu glauben es sei wichtig um den lieben Frieden willen mich mit Themen, Menschen und Ereignissen zu beschäftigen die mit meinem wahren Wesen nicht vereinbar sind.
Ero: das schmerzliche verdrängen-um den schmerz nicht spüren zu müssen - bewirkt, dass der schmerz nie aufhört!! L. Jetzt, nachdem ich es so akzeptiert habe nehme ich wahr dass mehr Ruhe einkehrt bei uns zu Hause, obwohl es herausfordernd ist. Die Themen gehen wir an (konstruktiver), es gibt Konflikte die allerdings dazu führen dass die Verbindung tiefer wird. Ich lerne gerade meine Wut und meine Meinung auszudrücken und kund zu tun und sie nicht mehr zu unterdrücken- auch nicht gegenüber meinen Sohn bzw. Weniger gegenüber meinem Sohn weil ich ihn jetzt nicht mehr so schonen muss sondern ihn auch was zumuten kann. Mich zumuten kann, als Mutter.
Ero: Super! so wirdt du zur tigermutter! Nur so hat dein sohn die chance, selber tiger zu werden!
L: Und ich merke dass ihm das gut tut. Und mir zeigt es, dass sich dann auch was bewegt und verändert. Ich merke dass ich mich die ganze Zeit kleiner gemacht habe, abhängig gemacht habe obwohl ich viele Dinge einfach besser mache und habe wenn ich sie selbst in die Hand nehme.
Mir wird jetzt erst bewusst wie belastend der Kontakt zu meinem Exmann war, seitdem er ihn abgebrochen hat.
Natürlich war das hart, verstossen und allein gelassen zu werden, weil ich Gewalt nicht befürworte und Grenzen setze. Hart war es die Gefühle zu fühlen, dein Kind über Monate leiden zu sehen, krank zu sehen, selbst krank zu sein und somit geschwächt und zu merken da ist kein Vater der sich für ihn noch für mich interessiert, mich blockiert und ich komplett allein bin mit allem und zudem zusehen muss wie F diese harte Erfahrung macht komplett ignoriert zu werden.
Soviel Wut, Trauer, Schmerz v.a. aber extreme Wut und Hass hab ich gespürt. Ich wollte einfach diese Gefühle nicht fühlen und dachte wenn ich nur genug tue dann wird alles gut, die Wunschvorstellung, die Illusion.
Ero: diese "negativen" - aber gesunden! - gefühle zu unterdrücken, um eine illusion aufrecht zu erhalten, hat soviel kraft gekostet!
L: Langsam verstehe ich, dass das vollkommen gesund war und ist und dass da meine Kraft verborgen liegt und mein Selbstvertrauen.
Gerade merke ich, dass es so viel ruhiger und schöner ist und es macht mich sehr glücklich und entspannt zu wissen dass so etwas nie wieder passieren wird.
Ich verstehe jetzt auch was mit der "höheren" - z.B. der rationaler - Ebene gemeint ist, denn diese rationale Ebene (drüber stehen) (erklären) inklusive das flüchten in Fantasiewelten / Illusion statt einmal die schrecklichen Gefühle zu fühlen durch das Akzeptieren der Realität ist ausschlaggebend gewesen für einen Teufelskreis über 15 Jahre. Und dieser ist nun beendet. Ich möchte gar keinen Frieden mehr im Außen der sowieso nie möglich war und auch keinen ständigen Krieg. Ich schließe Frieden mit der Situation, so wie sie ist. Und ich bin dankbar für unseren Sohn und dafür dass jetzt der Kontakt und somit das Gift beendet ist. Ero: wie klar du das beschreiben kannst! Bert Hellinger - dem ich viel verdanke - nannte das "Anerkennen, was ist!"
L: Ich merke dass sich dadurch ein neuer Raum öffnet, für mich.
Ich kann jetzt mehr ich sein. Muss mich nicht mehr verstellen. Und das befreit und stärkt meinen zutiefst angekratzten Selbstwert von über Jahrzehnten narzisstischen Missbrauch.
Keine emotionale, psychische und physische Gewalt mehr.
Ich bin frei.
Und dank SSI hab ich gelernt zu unterscheiden.
Eine Resilienz und Authentizität entwickelt ohne die ich heute nicht mehr da wäre und nicht die Möglichkeit hätte ganz anders in Verbindung zu gehen.
Es ist ein Weg, ein Prozess, mit Rückschlägen. V.a. weil es ein pionierhafter Weg ist, zumindest da wo ich lebe und herkomme... ;) Ero: das stimmt. Sich aus der kollektiven verwirrung einer traumatisierten familie zu befreien ist ZUNÄCHST immer PIONIER-ARBEIT!
l. Doch langsam fange ich an ihn (diesen Weg) zu lieben und merke dass er auch und vor allem in die Beziehung zu meinen Eltern sehr viel Heilung gebracht hat. Dass wir uns heute so begegnen können, dafür bin ich sehr dankbar.
Vorgestern war ich mit meiner Mutter im Wald, und sie erzählte mir von ihr, von ihren Kindheitserfahrungen durch bis hin zu meinen Ururgrosseltern...
Und plötzlich viel es mir wie Schuppen von den Augen, sie waren, v.a. meine weibliche Ahnenlinie alle Freiheitskämpferinnen... jede auf ihre Art und Weise mit ihrem Schicksal... und mich erfüllte Demut und eine tiefe Dankbarkeit und Wertschätzung und auch das Fühlen des Wunders dass ich heute hier sein darf und so frei leben kann. Das hab ich ihnen zu verdanken. Mir wurde klar dass ich das Gute nicht sehen konnte. Und spürte Frieden in mir.
Ero: das ist die Transformation. Sobald du mit deinem eigenen SELBST verbunden bist, kannst du auch in dieser traumatisierten Familie die gesunden, selbst-verbundenen Angehörigen wahrnehmen – statt zwanghaft fokussiert zu sein auf eigenes und fremdes Leid! Das sind die „hilfreichen Ahn*innen, von denen Phil immer spreicht.
L:Jetzt ist für mich dran, mich beruflich und finanziell wieder neu aufzustellen und ich vermute das gelingt mir jetzt leichter, weil ich mich sicherer fühle in mir, mich bereit fühle Entscheidungen neu zu treffen und jetzt auch weiss, was mich Glücklich macht.
Ero : L, ich spüre den Impuls in mir, dich herzlich zu umarmen!
Antwort L: Unser Austausch berührt mich immer sehr und wirkt bestärkend.
Du kannst, gerne meine Rückmeldung zugänglich machen.
Mit der Veröffentlichung der Aufstellung bin ich nicht einverstanden.
Thema von ero langlotz im Forum ZUKUNFTSORIENTIERT - S...
Liebe Freunde, liebe Kolleginnen, Heute möchte ich mit euch über den gesunden Instinkt meditieren. Anlass dazu gibt mir ein neues Buch des bekannten Försters Peter Wohlleben: Unser wildes Erbe, Wie Instinkte uns steuern und was das für unsere Zukunft bedeutet-faszinierende Einsichten für ein Leben im Einklang mit der Natur.
Eindrucksvoll, wie kenntnisreich er Bespiele für frühere Krisen in der Entwicklungsgeschichte des Lebens schildert, um dann die heutigen Menschen gemachten Krisen und den entscheidenden Unterschied zu den früheren Krisen prezise zu beschreiben. Seine Schlussfolgerung: die entscheidende Ursache für diese aktuell eskalierende Selbstzerstörung bestehe darin, dass der Mensch sich nicht mehr nach seinem gesunden Instinkt orientiert, der das Überleben der Spezies als Ziel hat, sondern nach einem Verstand, der insofern verwirrt ist, da er zulässt, dass eine Macht-Elite rücksichtslos die Natur, die Tiere, andere Menschen benützt und ausbeutet, um die eigene Macht zu vergrössern, auf Kosten aller Anderen.
Das Verhalten von Tieren wird durch Instinkte bestimmt, die vom Stammhirn gesteuert werden, Reflex-artig und natürlich unbewusst. Diese Instinkte sind in der Regel angepasst an die jeweilige Umwelt und ermöglichen ein Überleben auch unter extremen Umweltbedingungen. Diese Instinkte sind zum größten Teil angeboren, man könnte sie als primäre Instinkte bezeichnen. Veränderungen der Umwelt bewirken jedoch eine Anpassung dieser Instinkte, um das Überleben der Spezies zu gewährleisten. Diese erlernten Instinkte könnte man als sekundäre Instinkte bezeichnen. In der Regel ergänzen oder modifizieren sie die primären Instinkte.
Die Spezies Homo sapiens fühlt sich den Tieren überlegen, in der Annahme, sie würde sich nicht nach unbewussten Instinkten, sondern nach ihrer Einsicht, nach ihrem Verstand orientieren. Ein Blick auf die aktuellen Krisen zwingt uns zu der Vermutung, dass es sich hier um eine magisch-gigantische (!) Fehleinschätzung handelt.
Hat auch der Mensch einen angeborenen gesunden Instinkt? Wenn ja wieso hat er ihn verloren?
In meiner Arbeit erlebe ich immer wieder das Glück meiner Klienten, wenn sie sich von ihrem alten Trauma-bedingtem Stressmuster befreien. Sie erkennen alles ICH-Fremde, nach dem sie sich bisher orientiert haben, als unvereinbar mit der eigenen Würde, und entfernen es entschieden aus ihrem Identitätsraum. So wird ihre „Innere Mitte“ frei, und sie können sich mit ihrem Wesenskern verbinden. Wenn sie dann – bisweilen schon bei der ersten Sitzung - spüren, dass sie veschmelzen können mit diesem inneren Wesenskern dass sie eins werden mit diesem „göttlichen Funken in uns“ (C.G.Jung) dann erleben sie körperliche Veränderungen: sie richten sich auf, sie fühlen sich frei, eine innere Weite wird spürbar, eine Wärme, bisweilen ein Licht, auch eine innere „Leere“ – die für manche ungewohnt, vielleicht sogar ängstigend sein kann. Sie spüren Ruhe, Stille, eine ungewohnte innere Sicherheit. Manche drücken es so aus: ja so ist das endlich in Ordnung, jetzt bin ich zuhause angekommen. Die meisten haben dieses Glücksgefühl – oder zumindest eine Ahnung davon – schon einmal erlebt, in der Natur oder weit weg von zuhause, in Indien oder im australischen Outback. Es ist meist flüchtig, aber unbewusst ahnen sie von diesem Glück, und sehnen sich danach, es zu erleben.
Was hat das mit Instinkt zu tun? Ein Kind ist existentiell angewiesen auf die Liebe der Eltern, unabhängig von Bedingungen oder Absichten, um sich selber als liebens-wert zu erleben. Nur so kann es einen „intrinsischen“ Selbstwert entwickeln. Diese existentielle Bedürfnis ist wie ein angeborener Instinkt. Er bewirkt unbewusst, dass es verzweifelt versucht, die Liebe der Eltern zu erfahren, koste es was es wolle.
In der Tierwelt sehen wir, dass Tiereltern instinktiv ihren Jungen diese bedingungslose Zuwendung und Fürsorge schenken. In der menschlichen Familie ist dieser Instinkt der bedingungslose Liebe jedoch unterdrückt oder überformt, und das seit Jahrtausenden. Bereits vor 2300 Jahren formulierte der griechische Dichter Menander: „Der Mensch wird nur erzogen, indem er geschunden wird!“ Die angebliche „Liebe“ ist nicht frei von Absicht und Bedingungen, sie wird missbraucht, um ein „erwünschtes Verhalten“ zu erzeugen. Dressur zu Gehorsam und zu der Bereitschaft, sich benutzen zu lassen. Die meisten Eltern haben eine derart autoritäre Erziehung zu Gehorsam und Leistung erlebt und konnten daher kein gesundes, „intrinsisches“ Selbstwertgefühl entwickeln. Da sie selber als Kind keine bedingungslose Liebe erlebt haben, können sie diese auch nicht ihrem Kind geben. Statt dessen versuchen sie, auch ihr Kind zu Gehorsam und Leistung zu erziehen, damit es später Erfolg hat in dieser Gesellschaft. Zusätzlich belasten sie das Kind durch eigenes Trauma und durch die Traumen ihrer eigenen Eltern.
Wenn ein Kind spürt, dass es diese bedingungslose Liebe nicht bekommt, wenn es sich spontan zeigt, so wie es ist, erzeugt das einen tiefen Schmerz und ein Gefühl, nicht „richtig“, sondern „falsch“ zu sein. Diesen Schmerz darf es jedoch nicht zeigen. Sein instinktives Bedürfnis, geliebt, oder zumindest wahrgenommen zu werden, um zu überleben, bewirkt reflexhaft, dass es ein „falsches Selbst“ entwickelt. (Winnikott) Dazu lernt es, dies angeborene instinktive Bedürfnis nach Liebe zu unterdrücken, dazu auch andere Bedürfnisse, sein Gefühle, auch seine Überzeugungen, sobald diese von den Eltern ignoriert, abgelehnt oder gar als falsch oder böse abgewertet werden. Statt dessen lernt es unbewusst die Bedürfnisse und Erwartungen der Eltern zu erspüren, und sich selber dafür verantwortlich zu fühlen. So hat es die magisch-grandiose Illusion, wertvoll zu sein, indem es für die Eltern nützlich oder unentbehrlich ist. („Helfer-Syndrom“ oder „Retter-Rolle“)
Dieses Überlebensprogramm ermöglichte die Anpassung an eine existentiell bedrohliche Familie und wurde daher unkorrigierbar gespeichert, im Stammhirn. Man könnte das als sekundären Instinkt bezeichnen, der unbewusst auch später das Erleben und Verhalten des Erwachsenen bestimmt. Aber dieser sekundäre Instinkt wird zum Stressor. Anders als bei den Tieren ist dieser sekundäre Instinkt unvereinbar mit dem gesunden primären Instinkt. Dieser wurde ja nur unterdrückt und nicht gelöscht. Dass erzeugt inneren Stress: Zerrissenheit, Schuldgefühle, Verwirrung, Resignation und Lähmung.
Zum anderen war dieser sekundäre Instinkt angepasst an die emotional- defizitäre Realität eines hilflosen, bedürftigen Kindes. Er ist starr und unkorrigierbar, und ungeeignet, die Herausforderungen eines Erwachsenen zu bewältigen. Die dadurch bedingte „Anpassungsstörung“ (das ist eine psychiatrische Diagnose!) ist die Ursache vieler Probleme, ist die Ursache für einen „äusseren Stress“.
Der Betroffene fühlt sich dafür noch schuldig und entwickelt Vermeidungs- oder Kompensations-Strategien. So entsteht eine „Stresskaskade“ (Hensel). Dem Betroffenen selber ist der Zusammenhang mit seinen frühen Beziehungstraumen nicht bewusst. Das verstärkt noch seine Tendenz zur Selbst-Abwertung. Abgeschnitten von seinem „gesunden Kompass“ – dem primären Instinkt – und immer wieder enttäuscht von seinem „falschen Kompass“ (Überlebensprogramm) suchen die meisten Halt, indem sie sich an „Autoritäten“ orientieren : vorauseilender Gehorsam. Milgram hat in seinem bekannten Experiment die Verbreitung des Autoritätsgehorsams nachgewiesen. Er beschreibt auch das Phänomen der inneren Zerrissenheit durch moralische Schuldgefühle bei den „Gehorsamen-Reagierenden“- das sie jedoch nicht an ihrem „Gehorsam“ hindern konnte. Narzisstische Populisten Eine Minderheit der Betroffenen perfektioniert ihre magisch-grandiosen Strategien so sehr, dass es ihnen gelingt, wenn schon nicht die Liebe so zumindest den Respekt von vielen zu erwerben. Durch (unhaltbare) Versprechungen, durch (fragwürdige) „Geschenke“ gewinnen sie zunehmend an Macht. Und diese angemaßte Macht missbrauchen sie, um noch mehr Menschen zu gewinnen, abhängig zu machen, zu benutzen, sie auszubeuten. So vergrößern sie die eigene Macht- auf Kosten der Anderen, auf Kosten der Natur und der Umwelt. Diese „malignen Narzissten“ geraten gerade an immer mehr Schalthebel der Macht, unterstützt von den resignierte und verzweifelten Mehrheiten. Diese orientieren sich - enttäuscht von den Regierungen - an anderen,Autoritäten, z.B. an diesen narzisstischen Populisten, die es demagogisch verstehen, Ängste und Zweifel zu schüren, und sich selber als „Retter“ zu inszenieren.
Als Arzt und Naturforscher sehe ich da eine verblüffende Parallele zu dem Prozess der Krebs-Entstehung: einzelne Zellen verlieren ihre Funktion für den Gesamtorganismus. Statt dessen folgen sie einem anderen „Programm“: sie wachsen, buchstäblich unheimlich, indem sie alle Ressourcen an sich reißen, auch wenn dadurch der Gesamtorganismus zugrunde geht. Bis zum Schluss haben sie die Illusion, am Untergang – der auch ihr eigener ist - zu profitieren.
Zugegeben, diese Sichtweise ist nicht tröstlich. Aber sie kann die Augen öffnen und Gegenkräfte wecken – entsprechend einer gesunden Immunantwort eines Körpers gegen entartete Krebszellen.
Rekonsolidierung Diese optimistische Aussicht ist mir möglich, weil ich – wie oben bereits angedeutet – täglich erfahre, dass der gesunde Instinkt, der wahre Kompass nicht verloren ist, sondern nur überlagert wurde. Die neuere Gedächtnisforschung hat beobachtet, dass es ein angeborenes Selbstheilungspotential des Gehirns gibt, welches erlaubt, frühe gespeicherte Traumen mit ihren Überlebensprogrammen gezielt zu löschen. Allerdings scheint dies Potential nicht spontan zu wirken. Aber es kann aktiviert werden durch gezielte Interventionen in einer bestimmten Abfolge, die Thomas Hensel beschreibt, und die auch unerer Vorgehensweise entspricht: SYMBOLISIERUNG des damaligen Traumas UND GLEICHZEITIG einer gesunden Ressource ( dem GESUNDEN INSTINKT, Aspekt des eigenen „SELBST“. Der „BIFOKALE BLICK“ erlaubt dem Klienten, Beides gleichzeitig zu spüren. Wenn er erkennt, dass ersteres mit Stress und Abwertung, und zweiteres mit Frieden und Selbst-Achtung verbunden ist, dann kann er sich entscheiden, zur DESIDENTIFIKATION: er erkennt das Trauma als unvereinbar mit seinem Selbst, und identifiziert sich nun mit seinem Selbst. Dazu ist dann DISTRAKTION erforderlich: er vergrößert den inneren Abstand zu diesen toxischen Elementen, z.B. indem er diese symbolisch abgrenzt. Dadurch befreit er seinen Inneren Raum für sein Wahres Selbst. Er ersetzt den falschen Kompass (die Trauma-Introjektion) durch den wahren Kompass, sein wahres Selbst. Das entspricht der von uns entwickelten SELBST-integrierenden Stressorauflösung (SISTA). Die neu gewonnene Selbstverbindung ist mit einem neuen Selbstwertgefühl verbunden. Dies erlaubt es, absichtslose Liebe annehmen - und geben zu können. Der unterdrückte Schmerz kann zugelassen werden. Die unterdrückte Wut („Wutbombe“) kann sich wieder gesund gegen einen Verletzer entladen.
Dazu die Rückmeldung einer Schülerin, die in einer narzisstischen Familie früh ihre gesunden Instinkte verleugnen musste: Als ich mich endlich diesem tiefen Schmerz in mir stellen und komplett durchfühlen konnte, änderte sich plötzlich was. Ich habe komplett losgelassen und war bereit zu sterben. In meiner Erinnerung war ich ein kleines verlassenes Baby und auf einmal am tiefsten Punkt des Schmerzes, wurde es plötzlich leicht und in dieses Baby floß ein Licht und eine Wärme... der kleine Körper wurde komplett durchflutet und die Gestalt der Mutter ging in den Schatten und ich hatte aber keine Angst mehr und konnte sie gehen lassen, weil die Liebe IN mir war. Das Ende der Abhängigkeit!!
Das ist jetzt 8 Monate her und seitdem fühle ich mich anders.. ich gestehe mir zu glücklich zu sein. Ich habe mir ein schönes Leben geschaffen. Ein schöner Wohnort mit Naturgarten, der Traum eines Campers, eine liebevolle Beziehung auf Augenhöhe (seit 2 Jahren), ein neuer Job und auch nebenberuflich Menschen in ihrem Prozess zu begleiten. Eine Mutter für meine 3 Kinder sein, die sie in ihrem selbst sieht und die riskieren dürfen sich von mir abzugrenzen, ohne die Liebe zu verlieren. Ich fühle gerade so eine demütige Dankbarkeit und Würde in mir. Wie eine Kriegerin die eine Schlacht gekämpft hat, viele Opfer gebracht hat, aber jetzt verstanden hat, dass der Krieg vorbei ist. Ja es ist vorbei.. das wollte und konnte mein Nervensystem lange nicht begreifen. War doch die vertraute Hölle sicherer als das unbekannte Paradies. Und ich wachse immer mehr in das neue Leben hinein und die Schatten der Vergangenheit verblassen immer mehr. Die alten Dämonen haben an Kraft verloren, weil ich sie mit Mitgefühl betrachte und sie nicht mehr bekämpfe. Sie wollen auch nur gesehen werden..dann werden sie ganz weich und klein und verlieren ihren Schrecken.
Ich traf vor ein paar Tagen das erste mal seit dem Bruch vor 4 Jahren auf meine Familie, weil mein Neffe Geburtstag hatte und ich meine Kinder vorbei gebracht habe.
Ich war komplett entspannt und bei mir. Es gab keinen Trigger. Ich war dort als Erwachsene und nicht als Kind und dadurch konnte ich selbst auch meine Familie zum ersten Mal wirklich sehen. Abseits meiner Bedürftigkeit nach Liebe konnte ich sie in ihrem eigenen Schmerz und ihren Themen sehen und das sie ebenfalls Strategien entwickelt haben um zu überleben. Und das dies alles überhaupt gar nichts mit mir zu tun hatte. Sie wollen sich nur schützen. Ich spürte in mir.. ja da ist jetzt Frieden, es gibt keinen Krieg mehr, weil ich aufgehört habe um Liebe und Anerkennung zu kämpfen. Ich brauche diese Menschen immer noch nicht in meinem Leben, weil ich Menschen bevorzuge mit denen man auch über das wahre selbst verbunden sein kann und nicht nur über die Traumatisierung. Und trotzdem spürte ich ein wortloses Übereinkommen. "Ich lebe mein Leben und ihr lebt euer Leben und es steht mir nicht zu, mich da einzumischen. Es ist eure Art zu überleben und ich kann das jetzt achten". Ein so unbekanntes Gefühl abseits des bekannten Dramas. Ich möchte mich hiermit so sehr bei dir und Philipp bedanken, dass ihr mich auf diesem Weg begleitet habt. Das Autonomietraining und die Grenze, war neben der Körpertherapie der entscheidende Schlüssel. Ohne diese Hilfe wäre ich noch immer in meinem falschen Selbst und der Trauma Dunkelheit gefangen.
Thema von ero langlotz im Forum Rückmeldungen und Frag...
Lebender Zwilling-Trennungstrauma durch die Geburt? (A. St. 27.1.24)
Petra hat eine lebende Zwillingsschwester. Sie hat bereits umfangreiche therapeutische Erfahrungen gemacht. Gerade hat sie das dramatische Ende einer sehr verschmelzenden, aber auch verletzenden Partnerbeziehung hinter sich. Das Autonomie-Diagramm zeigt deutliche Einschränkungen bei A Abgrenzung und C Integration der gesunden Aggression, und erhöhte werte bei E Übergriffigkeit und F Auto-Aggression.
In einer Aufstellung suchen wir nach einem „Blockierenden Element“, das Petra daran gehindert hat, mit ihrem wahren Selbst verbunden zu sein, der „wahren Petra“, die diese Erfahrungen besser hätte verarbeiten können. Oder die sich erst gar nicht darauf eingelassen hätte.
Aufstellungsbild: Das Symbol für das BE steht nahe bei ihrem Fokus, wahres und kindlich-vitales Selbst sind entfernt. Es fällt ihr nicht leicht, das Symbol aus ihrem Raum zu stellen. Wenn sie ihren Finger auf diesen roten Würfel legt, spürt sie ganz frühen Trennungs-Schmerz, Einsamkeit und Trauer.
Diese Gefühle finden wir oft bei dem frühen Verlust eines Zwillings, etwa in der 8.-12. Schwangerschaftswoche, von dem Mutter und Klientin meist gar nichts wissen. Petra hat jedoch eine lebende Zwillingsschwester, mit der sie während der gesamten Schwangerschaft zwangsläufig eine sehr enge Verbindung hatte. Hypothese: Könnte es sein, dass es sein, dass es auch bei einem lebenden Zwilling ein frühes Trennungstrauma gibt? Sodass Petra – gefühlsmässig – immer noch in dieser engen, „verschmelzendem“ Verbindung mit dieser Schwester „stecken geblieben“ ist? Dass die – unvermeidbare Trennung nach der Geburt – für sie immer noch so schmerzhaft ist, dass sie das gar nicht „wahrhaben“ möchte?
Wie üblich erfolgt nun die Rekonstruktion der damaligen Überlebensstrategie, eine Kombination aus Selbst-Verleugnung und magisch-grandiosen Strategien: das Trauma-Konglomerat, unbewusst entstanden durch den „Anpassungsreflex“ an das Trauma. Fokus und KiS werden aus dem Traumakonglomerat herausgelöst und ersetzt durch Symbole für die Überlebensstrategien Selbstverleugnung und magisch-grandiose Tendenzen. Der Rest des Konglomerates ist inkompatibel mit dem wahren Selbst und kommt hinter eine Sichtblende. Die Annäherung an das eigene wahre Selbst erweist sich für ihr Gefühl als schwierig – obwohl Petra ihr Selbst und seine Bedeutung kognitiv bekannt ist. Die üblichen Widerstände werden überprüft und auf der symbolischen Ebene gelöst: • Starke Kontrolltendenzen („der Kontrolletti“), welche die Annäherung an etwas Unbekanntes blockieren. • Ein „Verklebtsein“ mit dem Zwilling und dem gemeinsamen Trennungstrauma. • Die Überlebensstrategie Selbst-Verleugnung – um sich zu schützen, oder um für andere wertvoll sein zu können. • Die verbreitete Einstellung Betroffener, sich selber die Schuld für ihre Probleme zu geben – statt diese Probleme als Folgen des Traumas und der damaligen unbewussten Anpassungs-Reflexe zu verstehen. Die Petra spürt immer noch eine Blockierung beim Versuch einer Verbindung zu ihrem wahren Selbst. Hypothese: Ist ihre Bindung an die Zwillingsschwester so stark, dass sie ihm den zentralen Platz in ihrer Mitte freihält, der eigentlich ihrem Selbst zusteht? Das überprüfen wir so: Petra hält das Symbol für die Zwillingsschwester an ihr Herz. Kann es sein dass sie immer noch diese verschmelzende Verbindung zu ihr spürt, die sie in den ersten 8 Monaten ihres Lebens im Uterus hatte? Petra ist sehr berührt, glücklich und traurig zugleich. Ihr wird bewusst, dass sie diese verschmelzende Beziehung immer noch sucht, so als hätte sie sich noch nicht von ihrer Zwillingsschwester verabschiedet. So als könne sie ohne sie – oder einen Ersatz – nicht vollständig sein. Diese Sehnsucht hatte offensichtlich bisher ihre Selbst-Verbindung blockiert. Petra sind auch vorbewusste Fantasien vertraut, als ob sie durch die Selbst-Verbindung den Zwilling verraten, oder für immer verlieren könnte.
Lösungsprozess In einem Dialog mit dem Zwillings-Symbol kann sie zunächst würdigen, dass sie 8 Monate lang eine so besondere Beziehung mit ihr haben durfte. Danach fällt es ihr leichter, sich von ihr zu verabschieden, sodass jeder von ihnen sich alleine vollständig fühlen kann, indem beide sich mit ihrem wahren selbst verbindet. Gefühlsmässig fällt ihr das immer noch sehr schwer, so als müsse sie auf etwas Vertrautes verzichten, und sich auf etwas Unbekanntes einlassen. Aber ihr Verstand bestärkt sie darin, dass das so richtig ist.
Nachdem Petra in dieser Weise bewusst sich von ihrer Schwester verabschiedet hat, spürt sie eine ganz andere selbstverständlichere Verbindung zu ihrem wahren Selbst. So verbunden mit ihrem Selbst kann sie sich jetzt auch ihrem kindlichen Selbst zuwenden. Sie hat es lange unterdrückt, jetzt kommt es schnell wieder zu seiner alten Kraft und Lebendigkeit zurück.
Kommentar Das Thema verlorener Zwilling und dessen Lösung entsprechend einem frühen Verlusttrauma ist bekannt.
Auch lebende Zwillinge sind häufig noch sehr symbiotisch verbunden. Bisher war meine Vermutung, dass sie durch die Verbindung im Mutterleib einen „Zwillingsmodus“ entwickelt hatten: sie fühlten sich vollständig nur mit einem anderen Wesen, das ihnen gleich oder zumindest sehr ähnlich war.
Durch die Aufstellung mit Petra erkannte ich, dass auch lebende Zwillinge ein frühes Trennungstrauma haben. Mit ähnlicher Dynamik und ähnlichen Lösungsstrategien. Mit einem entscheidenden Unterschied: der verstorbene Zwilling muss entlassen werden ins „Licht“, der lebende Zwilling kann entlassen werden „in sein eigenes selbstbestimmtes Leben“. Da Petras Zwillingsschwester lebt ist auch weiter Kontakt mit ihr möglich. Nach diesem Trennungs-Prozess fühlen sich beide vollständig ohne den anderen, und können sich daher auf neue Weise begegnen. Sie müssen nicht sofort wieder in einen „Zwillingsmodus“ geraten. Ist das nicht eine bizarre Parallele zu „siamesischen Zwillingen“?! Die ja auch getrennt werden müssen damit sie sich begegnen können.
Thema von ero langlotz im Forum Therapeuten-Austausch...
Petra hat eine lebende Zwillingsschwester. Sie hat bereits umfangreiche therapeutische Erfahrungen gemacht. Gerade hat sie das dramatische Ende einer sehr verschmelzenden, aber auch verletzenden Partnerbeziehung hinter sich. Das Autonomie-Diagramm zeigt deutliche Einschränkungen bei A Abgrenzung und C Integration der gesunden Aggression, und erhöhte werte bei E Übergriffigkeit und F Auto-Aggression.
In einer Aufstellung suchen wir nach einem „Blockierenden Element“, das Petra daran gehindert hat, mit ihrem wahren Selbst verbunden zu sein, der „wahren Petra“, die diese Erfahrungen besser hätte verarbeiten können. Oder die sich erst gar nicht darauf eingelassen hätte.
Aufstellungsbild: Das Symbol für das BE steht nahe bei ihrem Fokus, wahres und kindlich-vitales Selbst sind entfernt. Es fällt ihr nicht leicht, das Symbol aus ihrem Raum zu stellen. Wenn sie ihren Finger auf diesen roten Würfel legt, spürt sie ganz frühen Trennungs-Schmerz, Einsamkeit und Trauer.
Diese Gefühle finden wir oft bei dem frühen Verlust eines Zwillings, etwa in der 8.-12. Schwangerschaftswoche, von dem Mutter und Klientin meist gar nichts wissen. Petra hat jedoch eine lebende Zwillingsschwester, mit der sie während der gesamten Schwangerschaft zwangsläufig eine sehr enge Verbindung hatte. Hypothese: Könnte es sein, dass es sein, dass es auch bei einem lebenden Zwilling ein frühes Trennungstrauma gibt? Sodass Petra – gefühlsmässig – immer noch in dieser engen, „verschmelzendem“ Verbindung mit dieser Schwester „stecken geblieben“ ist? Dass die – unvermeidbare Trennung nach der Geburt – für sie immer noch so schmerzhaft ist, dass sie das gar nicht „wahrhaben“ möchte?
Wie üblich erfolgt nun die Rekonstruktion der damaligen Überlebensstrategie, eine Kombination aus Selbst-Verleugnung und magisch-grandiosen Strategien: das Trauma-Konglomerat, unbewusst entstanden durch den „Anpassungsreflex“ an das Trauma. Fokus und KiS werden aus dem Traumakonglomerat herausgelöst und ersetzt durch Symbole für die Überlebensstrategien Selbstverleugnung und magisch-grandiose Tendenzen. Der Rest des Konglomerates ist inkompatibel mit dem wahren Selbst und kommt hinter eine Sichtblende. Die Annäherung an das eigene wahre Selbst erweist sich für ihr Gefühl als schwierig – obwohl Petra ihr Selbst und seine Bedeutung kognitiv bekannt ist. Die üblichen Widerstände werden überprüft und auf der symbolischen Ebene gelöst: • Starke Kontrolltendenzen („der Kontrolletti“), welche die Annäherung an etwas Unbekanntes blockieren. • Ein „Verklebtsein“ mit dem Zwilling und dem gemeinsamen Trennungstrauma. • Die Überlebensstrategie Selbst-Verleugnung – um sich zu schützen, oder um für andere wertvoll sein zu können. • Die verbreitete Einstellung Betroffener, sich selber die Schuld für ihre Probleme zu geben – statt diese Probleme als Folgen des Traumas und der damaligen unbewussten Anpassungs-Reflexe zu verstehen. Die Petra spürt immer noch eine Blockierung beim Versuch einer Verbindung zu ihrem wahren Selbst. Hypothese: Ist ihre Bindung an die Zwillingsschwester so stark, dass sie ihm den zentralen Platz in ihrer Mitte freihält, der eigentlich ihrem Selbst zusteht? Das überprüfen wir so: Petra hält das Symbol für die Zwillingsschwester an ihr Herz. Kann es sein dass sie immer noch diese verschmelzende Verbindung zu ihr spürt, die sie in den ersten 8 Monaten ihres Lebens im Uterus hatte? Petra ist sehr berührt, glücklich und traurig zugleich. Ihr wird bewusst, dass sie diese verschmelzende Beziehung immer noch sucht, so als hätte sie sich noch nicht von ihrer Zwillingsschwester verabschiedet. So als könne sie ohne sie – oder einen Ersatz – nicht vollständig sein. Diese Sehnsucht hatte offensichtlich bisher ihre Selbst-Verbindung blockiert. Petra sind auch vorbewusste Fantasien vertraut, als ob sie durch die Selbst-Verbindung den Zwilling verraten, oder für immer verlieren könnte.
Lösungsprozess In einem Dialog mit dem Zwillings-Symbol kann sie zunächst würdigen, dass sie 8 Monate lang eine so besondere Beziehung mit ihr haben durfte. Danach fällt es ihr leichter, sich von ihr zu verabschieden, sodass jeder von ihnen sich alleine vollständig fühlen kann, indem beide sich mit ihrem wahren selbst verbindet. Gefühlsmässig fällt ihr das immer noch sehr schwer, so als müsse sie auf etwas Vertrautes verzichten, und sich auf etwas Unbekanntes einlassen. Aber ihr Verstand bestärkt sie darin, dass das so richtig ist.
Nachdem Petra in dieser Weise bewusst sich von ihrer Schwester verabschiedet hat, spürt sie eine ganz andere selbstverständlichere Verbindung zu ihrem wahren Selbst. So verbunden mit ihrem Selbst kann sie sich jetzt auch ihrem kindlichen Selbst zuwenden. Sie hat es lange unterdrückt, jetzt kommt es schnell wieder zu seiner alten Kraft und Lebendigkeit zurück.
Kommentar Wir wissen, dass der frühe Verlust eines Zwillings ein Symbiosemuster bedingen kann. Und dass die Lösung durch die Bearbeitung dieses Verlusttraumas möglich ist. Auch lebende Zwillinge sind häufig noch sehr symbiotisch verbunden. Bisher war meine Vermutung, dass sie durch die Verbindung im Mutterleib einen „Zwillingsmodus“ entwickelt hatten: sie fühlten sich vollständig nur mit einem anderen Wesen, das ihnen gleich oder zumindest sehr ähnlich war.
Durch die Aufstellung mit Petra erkannte ich, dass auch lebende Zwillinge ein frühes Trennungstrauma haben. Mit ähnlicher Dynamik und ähnlichen Lösungsstrategien. Mit einem entscheidenden Unterschied: der verstorbene Zwilling muss entlassen werden ins „Licht“, der lebende Zwilling kann entlassen werden „in sein eigenes selbstbestimmtes Leben“. Da Petras Zwillingsschwester lebt ist auch weiter Kontakt mit ihr möglich. Nach diesem Trennungs-Prozess fühlen sich beide vollständig ohne den anderen, und können sich daher auf neue Weise begegnen. Sie müssen nicht sofort wieder in einen „Zwillingsmodus“ geraten. Ist das nicht eine bizarre Parallele zu „siamesischen Zwillingen“?! Die ja auch getrennt werden müssen damit sie sich begegnen können.
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II. Online Aufstellungen mit Symbolen (farbigen Holzklötzchen)
II.1. Covid-Pandemie und die Entwicklung der Online-Aufstellungen! Durch Covid waren Präsenz-Aufstellungen unmöglich geworden. Früher untersuchten wir belastende Beziehungen durch Aufstellungen in Präsenz, einzeln oder in Gruppen. Als Repräsentanten für Familienmitglieder und Selbst-Anteile verwendeten wir Teilnehmer, für ein Trauma nahmen wir einen Hocker, und Steine dienten als Symbol für ein übernommenes schweres Schicksal. In Einzelsitzungen vertraten Stühle die Personen und farbige Kissen die bisher abgespaltene Selbst-Anteile.
Bei Online-Aufstellungen (über Skype oder Zoom) erfolgen die Sitzungen einzeln – für die Betroffenen bedeutet das weniger Aufwand und weniger emotionale Belastung. Die farbigen Klötzchen aus Holz in unterschiedlichen Formen, die als Spielzeug für Kleinkinder überall erhältlich sind, haben sich hervorragend bewährt, da sie als Symbole für alle Elemente des Trauma-Geschehens geeignet sind. Sie bieten den Vorteil, den Klienten nicht zu irritieren durch eigene Emotionen, wie Personen als Stellvertreter in Präsenz-Aufstellungen. Sie eignen sich aber genauso wie diese als Projektionsfläche für Übertragungen des Klienten.
Die Umstellung auf Online-Aufstellungen mit Symbolen war verbunden mit einer Differenzierung der Aufstellungsmethode. Das ermöglichte unerwartete Einblicke in die Dynamiken früher Beziehungs-Traumen, sodass neue und wirksame Lösungsstrategien entstanden, welche das Konzept erweiterten.
II.2. Erweiterung des Konzeptes: Das SELBST und seine Differenzierung Das SELBST gehört zur Grundausstattung eines jeden Menschen. Unser Leben haben wir von unseren Eltern. Aber ist es nicht die Erde, die das Leben und damit auch uns hervorgebracht hat, die uns trägt und nährt – bedingungslos? Wenn wir uns dessen bewusst sind, auf diese Weise Teil zu sein eines größeren, schöpferischen Ganzen, dann gibt uns das einen Wert, eine Würde, die unverlierbar und unzerstörbar ist. Das Selbst ist zunächst angelegt als Potential. Wenn Eltern einem Kind ihre bedingungslose Liebe schenken, wenn es erlebt, dass es wert ist, geliebt zu werden – unabhängig von Leistung, dann wird das SELBST „geweckt. Dann kann es wirksam werden und dem Erwachsenen später Orientierung geben. Traumatisierte Eltern sind aufgrund ihres Traumas nicht „bei sich selbst“ und können daher ihrem Kind diese bedingungslose Liebe nicht geben. Im Gegenteil: sie neigen dazu, einzelne Aspekte des SELBST ihres Kindes zu ignorieren oder abzulehnen. Diese Ablehnung kann den kindlich-vitalen Teil des Kindes betreffen: seine Lebendigkeit und seine Bedürfnisse, wahrgenommen und geliebt zu werden. Oder den „erwachsenen“ Teil des Kindes: seine eigene Wahrnehmung und beginnende Fähigkeit, zu eigenem Urteil. Das kann dazu führen, dass das Kind selber diese jeweiligen Aspekte unterdrückt, bzw. abspaltet. Dem entsprechend unterscheiden wir ein Erwachsenes SELBST (ES) und ein kindlich-vitales SELBST (kiS). Bereits Winnicott beobachtete: Wenn das Kind erlebt, dass sein wahres Selbst abgelehnt wird, entwickelt es ein „falsches Selbst“ – orientiert an den Erwartungen der Eltern. Durch die Differenzierung in ES und kiS und deren Symbolisierung durch Klötzchen wurde deutlich, dass es sich bei dem falschen Selbst genauer um ein Überlebensprogramm handelt, um eine Kombination unbewusster, reflexhafter und stereotype Anpassungs-Strategien an die Eltern. Dieses Überlebensprogramm des Kindes kann in der Aufstellung durch Symbole rekonstruiert werden.
So symbolisieren wir Anteile des Kindes • den Fokus (das „Alltags-Ich“) durch einen roten Quader, • die eventuell abgespaltenen Selbst-Anteile: „wahres Selbst“ durch einen gelben, das kindlich-vitale Selbst durch einen grünen Quader, • eigene frühe belastende Erfahrung (Trauma) durch einen roten Würfel.
Dazu kommen weitere Symbole für die Anteile der Eltern: • für die beteiligten Bezugspersonen: blaue Quader, und • für deren Schicksale (deren Traumen): blaue Würfel. • Für das „wahre Selbst“ der Eltern ein schmaler gelber Quader.
II.3. Erweiterung des Aufstellungs-Settings um eine „dritte Dimension“ Mit Hilfe dieser Symbole konnten auch die Anpassungs-Strategien symbolisiert werden. Die Symbole können nicht nur zweidimensional, auf einer Ebene neben einander angeordnet werden. Sie können auch über einander gelegt werden, sodass ein „unten“ und ein „oben“ symbolisch dargestellt werden kann. Die Unterdrückung der vitalen Gefühle und Bedürfnisse durch eine Belastungserfahrung wird symbolisiert durch den liegenden grünen Quader des kiS, dem die Würfel für die eigenen Verletzungen (rot) und für ein Traum der Bezugsperson (blau) „aufgebürdet“ werden. Wenn das Ich (der „Fokus“) des Kindes die eigenen Gefühle verdrängt, und auf eine „höhere Ebene“ geht (Vernunft-Ebene, Parallelwelten), dann wird das Symbol für das Ich auf die beiden Würfel und das darunter liegende kiS gestellt. Der Klient kann die Bedeutung dieser Anordnung nachvollziehen – die Symbole und ihre Anordnung erscheinen als eine „averbale Sprache“! – und er erkennt seine Tendenz, sich für das eigene Trauma und für das der Bezugsperson zuständig zu fühlen, und gleichzeitig seine eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu unterdrücken. Die Position der „höheren Ebene“ kann unterschiedliche Tendenzen beinhalten: • die eigenen „Wahrnehmungsantennen“ nach aussen zu orientieren – statt nach innen. • Kontrolle und Perfektionismus. Damit ist verbunden • Selbst-Überforderung. Die unvermeidbare Erkenntnis dieser Illusion erzeugt • Selbst-Abwertung und Schuldgefühlen führt, sodass • ein brüchiges Selbstwertgefühl entsteht.
II.4. Online-Aufstellungen von bekannten Traumen Das Aufstellungsettings macht dem Klient bisher unbewussten Dynamiken sichtbar (diagnostische Funktion). Er erkennt, dass er das Trauma von damals als Introjektion in seinem inneren Raum so gespeichert hat, dass es heute noch seine Verbindung zum Selbst blockiert. Diese Erkenntnis weckt den Impuls, das Introjekt zu entfernen, um die Mitte des eigenen Raumes wieder frei zu machen für sein Selbst. Dabei lernt er sein bisher unbewusstes „Abgrenzungsverbot“ kennen. Wenn er es wagt, trotz innerer Verbote das Trauma-Introjekt zu entfernen und abzugrenzen, dann wird er „belohnt“ durch die bisher unbekannte Erfahrung von Freiheit durch Selbst-Verbindung. Das Trauma-Introjekt erweist sich als reversibel! Das Aufstellungssetting ermöglicht ihm ein „Probehandeln“. So kann er seine Autonomie durch gezielte Interventionen trainieren (therapeutische Funktion). Heftige Traumen wie Trennung oder Gewalterfahrung sind dem Klienten meist bekannt und können mit dieser Methode behandelt werden. Spürt der Klient nach der Bearbeitung eines bekannten Trauma´s keine Erleichterung, ist es möglich, eine oder mehrere weitere bekannte Traumen zu klären. Nicht immer löst sich dadurch sein Problem.
Daher entwickelten wir ein neues Format:
II.3. Das Format „blockierendes Element“ Ausgehend von unserer Erfahrung, dass ein Trauma-Introjekt die Selbstverbindung blockiert, sodass dadurch noch heute Probleme entstehen, nahmen wir an 1. Wenn der Klient mit seinem Selbst verbunden ist, kann es gar kein ernstes Problem geben. 2. Hat er jetzt ein ernstes Problem, kann das so verstanden werden, dass durch die aktuelle Situation ein ganz bestimmtes altes Trauma getriggert wird, das seine Selbst-Verbindung auf eine Weise blockiert, dass dieses Problem entstehen kann. 3. Gelingt es durch die Aufstellung, dieses blockierende Element zu erkennen und zu benennen, kann es anschließend auf die bewährte Art so bearbeitet werden, dass es nicht mehr getriggert wird: das Problem verschwindet Die Vorgehensweise ist einfach; • der Klient stellt mit Klötzchen sich und seine Selbstanteile auf und dazu einen roten Würfel für das, was seine Selbst-Verbindung gerade blockiert. Legt er jetzt einen Finger auf seinen „Fokus“, kann er spüren, „wie es ihm in dieser Konstellation geht“. • Er entfernt das „blockierende Element“ (BE) aus seinem Raum, grenzt es durch das Symbol einer Grenze ab, und positioniert das BE jenseits dieser Grenze. Legt er jetzt erneut einen Finger auf den „Fokus“, spürt er die Veränderung: meist eine Erleichterung. Gelegentlich aber auch Unsicherheit. Hatte er sich irrtümlich nach diesem Element orientiert? • Als nächstes versucht er mit einem Finger auf dem Würfel (BE) nachzuspüren: spürt er ein Körpergefühl (Schwere, Enge, Druck) oder ein anderes Gefühl? Taucht ein Bild, ein Glaubenssatz, oder eine Person auf? • Meist kommt dann ein eigenes, oder ein übernommenes fremdes Trauma ins Bewusstsein. Erstaunlicherweise ist es so fast immer möglich, das spezifische Trauma zu erkennen und zu benennen, welches für die aktuelle Problematik verantwortlich ist, und es in der gleichen Sitzung zu bearbeiten.
Dieses Format erwies sich als unerwartet hilfreich, da dadurch Traumen ins Bewusstsein geholt wurden, die dem Klienten gar nicht bewusst waren – oder die er nicht mit dem Problem in Verbindung gebracht hätte: zum Beispiel Geburtstraumen oder vorgeburtliche Traumen (Abtreibungsversuch oder Zwillingsverlust). Erstaunlich häufig werden durch dies Format die frühen Beziehungs-Traumen bewusst, zu einem Elternteil, oder – noch komplexer und verwirrender – zu beiden Eltern. Anscheinend werden diese frühen Traumen meist „vergessen“, vielleicht um die Illusion einer „glücklichen Kindheit“ aufrecht zu erhalten? Oder weil sie so verbreitet sind, dass sie für „normal“ gehalten werden? Bisweilen können auch Traumen einer geliebten Bezugsperson, z.B. einer Großmutter, übernommen und so verinnerlicht werden, dass sie die Selbst-Verbindung blockieren, sodass dadurch das Problem entsteht.
Verblüffend war immer wieder, wie die Symptomatik des Klienten, oder die Besonderheiten der aktuellen Situation den Aspekten des damaligen Traumas entsprachen. Wir verstehen das als eine indirekte Bestätigung dafür, dass dieses Trauma tatsächlich für das aktuelle Problem relevant war. Dazu kommt weiter, dass der Lösungsprozess häufig sehr emotional war. Die Wucht der bisher unterdrückten und nun befreiten Gefühle von Schmerz, Verzweiflung Scham, aber auch Wut und Hass war für den Klienten oft überraschend und für ihn – wie auch für uns – sehr bewegend. Dem Klienten ging es nach der Aufstellung meist deutlich besser. Auch im Autonomie-Diagramm zeigte sich eine Veränderung durch die Bearbeitung dieses Traumas. Aufstellungsbeispiel bei YT: Verena, Opa´s Trauma https://youtu.be/i_yrMEYwhYI
III Frühe Beziehungs-Traumen in Online-Aufstellungen
III.1. Psychische Probleme und frühkindliche Traumen Es gibt mehrere Untersuchungen, die nachweisen, dass bei bestimmten psychischen Störungen in der Anamnese statistisch gehäuft frühkindliche Traumen (Gewalt- und Missbrauchs-Erfahrungen) nachzuweisen sind. Für eine ätiologische (an den Ursachen) orientierte Psychotherapie sind diese Daten sehr wertvoll. Denn lange Zeit waren diese Zusammenhänge nicht bewusst, sodass Therapie sich nur an Symptomen bzw. an Diagnosen orientierte. Einmalige und sehr heftige Traumen, wie Trennung oder Erfahrung von Gewalt und sexuellem Missbrauch werden meist erinnert und können nach dem Format „bekanntes Trauma“ bearbeitet werden.
III.2. Subtilere Formen von Beziehungs-Störungen Weit verbreitet ist jedoch eine Belastung des Kindes durch Beziehungen die bestimmt sind von emotionaler Vernachlässigung, Abwertung, Überforderung und emotionalem Missbrauch auf seelischer Ebene. Bisweilen waren diese Belastungen zusätzlich verbunden mit Gewalt-Erfahrung. In der Regel waren die Bezugspersonen selber belastet durch familiäre Traumata („Kriegs-Kinder und -Enkel“). Als weitere Belastung kommt dazu ein immer noch verbreiteter autoritärer Erziehungsstil zu Gehorsam und Leistung. Aber auch ein „antiautoritärer“ Erziehungsstil kann Kinder dadurch überfordern, dass Eltern es nicht wagen, liebevoll klare Grenzen zu setzen, sondern glauben, ihnen alle Entscheidungen überlassen zu müssen. Diese Aspekte finden wir meist kombiniert. Ihre Auswirkungen (Traumafolgestörungen) sind weitgehend identisch, bzw. summieren sich.
Anfangs waren wir davon überrascht, wie häufig diese frühen „Beziehungstraumen“ sind. Die ursächliche Rolle dieser frühen Verletzungen für massive Probleme des Erwachsenen hat sich uns immer wieder bestätigt. Uns scheint, dass sie die Ursache fast aller Selbstwert- und Beziehungs-Probleme der Klienten sind. Auch vielen Klienten ist dieser Zusammenhang zwischen einem akuten Problem (z.B. Angst, Depression, Sucht oder Beziehungskonflikt) und den frühen Beziehungs-Traumata unbekannt. Daher neigen sie dazu, sich selber für die eigenen Probleme verantwortlich oder sogar schuldig zu fühlen. Dadurch wird ihre meist schon vorhandene Selbst-Abwertung noch verstärkt.
Daher erscheint es uns erforderlich, unsere Beobachtungen und Überlegungen zu den frühen Beziehungsstörungen so verständlich darzustellen, dass sie auch von den Betroffenen nachvollzogen werden können.
III.3. Angeborenes Potential – und kindliche Anpassungs-Strategien
Wie oben (II.2) ausgeführt: Das SELBST ist zunächst angelegt als Potential. Wenn Eltern einem Kind ihre bedingungslose Liebe schenken, dann erlebt das Kind, dass es wert ist, geliebt zu werden – unabhängig von Leistung. Wenn das SELBST eines Kindes derart „geweckt“ wird, dann kann es wirksam werden. Und dem Erwachsenen als Orientierung dienen: Selbst-Bestimmung (Autonomie) statt Fremdbestimmung.
In der Realität von heute sind Eltern selber oft belastet durch den Leistungsdruck unserer Gesellschaft, und zusätzlich durch eigene frühe traumatische Beziehungserfahrungen, so sehr, dass sie ihren Kindern nicht immer diese bedingungslose Liebe geben können – trotz bester Absichten. Dann erlebt ein Kind schon sehr früh, dass seine „spontanen Gesten“, seine authentischen Lebens-Äußerungen nicht empathisch wahrgenommen und erwidert werden. Das kann beim Kind Schmerz, Verzweiflung, aber auch Ärger und Wut auslösen. Auch diese „negativen“ Gefühle müssen vom Kind unterdrückt werden, da sie von den Bezugspersonen nicht verständnisvoll wahrgenommen, sondern ignoriert oder abgelehnt werden.
Machtgefälle und Anpassungs-Reflex Zwischen Eltern und Kind besteht ein extremes Machtgefälle. Ein Kind ist zunächst schwach und ohnmächtig. Angewiesen auf die körperliche Fürsorge und seelische Zuwendung der Eltern – lernt es schon früh, diese offensichtlich unerwünschten Lebensäußerungen zu unterdrücken – so als wären sie „falsch“. Stattdessen entwickelt es „Antennen“, um die Erwartungen und Bedürfnisse der Bezugspersonen wahrzunehmen und sich nach diesen zu orientieren. Dazu gehört zum Beispiel Gehorsam und die Bereitschaft, für andere nützlich zu sein. Wenn es auf diese Weise Anerkennung und Zuwendung von den Bezugspersonen bekommt, dann lernt es, sich mit diesen erfolgreichen Strategien zu identifizieren, um sich „richtig“ und wertvoll zu fühlen (extrinsischer Selbstwert). Dies Phänomen hatte bereits Winnikott beobachtet, und als „falsches Selbst“ bezeichnet – im Unterschied zu dem wahre authentischen Selbst, mit seinen „spontanen Gesten“. Offensichtlich handelt es sich bei dieser Anpassung an eine „unfreundliche“ Realität um angeborene unbewusste Strategien des Kindes. Da sie unbewusst erfolgen,und zudem stereotyp und unflexibel sind, können sie als reflexartige entstandene Anpassungs-Programme verstanden werden.
Die Bereitschaft eines Kindes, sich derart anzupassen ist sehr unterschiedlich. Manche sind sehr „sensibel“ – vielleicht bereits durch vorgeburtliche Belastungen geprägt? – andere sind „bockig“, und gelten dann als schwierig. Dann erleben sie bisweilen noch mehr Strenge, bisweilen auch seelische und körperliche Gewalt.
Kindliche Überanpassung – und Anpassungsstörungen des Erwachsenen Zusammenfassend können diese Anpassungs-Strategien beschrieben werden, als Tendenzen, • die eigene Lebendigkeit zu unterdrücken, um sich vor Verletzungen zu schützen, oder die Bezugspersonen zu schonen, oder um für andere wertvoll zu sein, und • und sich nach den Bedürfnissen und Erwartungen anderer zu orientieren, um sich als zugehörig oder sogar als wertvoll für die anderen fühlen zu können. Dies Anpassungsprogramm ist erstaunlich stereotyp und starr. Es ist für das Überleben des Kleinkindes existenziell notwendig. Man nimmt an, dass es daher gespeichert wird in einem Abschnitt des limbischen Systems, den Mandelkernen (Amygdala). Dieser entwicklungsgeschichtlich frühe Anteil des Gehirns steuert auch das instinktive Verhalten und ist dem Bewusstsein nicht zugänglich. Daher der Satz: „Die Amygdala vergisst nichts!“ Das ist der Grund, warum diese starren und stereotypen Überlebensstrategien des Kindes auch das Selbstbild und das Verhalten des Erwachsenen bestimmen, ohne dass ihm dieser Zusammenhang bewusst ist. Er bleibt verhaftet in der emotionalen Realität des hilflosen, abhängigen Kindes, und kann sich nicht auf die veränderte Realität des Erwachsenen einstellen. Diese fixierte Anpassung an die kindliche Realität verhindert eine angemessene Anpassung an die aktuelle Realität. Daher die Diagnose „Anpassungsstörungen“ („maladaptives Verhalten“).
Symbiosemuster Durch diesen fixierten Anpassungsreflex des Kindes neigt auch der Erwachsene zu vorauseilendem Gehorsam und Leistung. Er hat die Einstellung, dass die Ansichten und Bedürfnisse Anderer wichtiger sind, als die eigenen. Statt einer Orientierung am eigenen Selbst, orientiert er sich nach Anderen, nach den „Autoritäten“. Statt einer klaren Wahrnehmung für eigene und fremde Grenzen, nun Verwirrung hinsichtlich eigenem – und fremdem – Raum. Die fehlende Unterscheidung zwischen eigenem – und fremden – Zuständigkeitsbereich hat zur Folge, dass die Betroffenen sich benutzen lassen, für fremde Interessen. Ja sie bieten sich selber dazu an, benutzt zu werden, um sich dadurch wertvoller zu fühlen. Ohne Achtung für sich und für das Gegenüber, ohne Respekt für eigene und fremde Grenzen ist aber eine Ich-Du-Beziehung auf Augenhöhe gar nicht möglich. Stattdessen kennen die Betroffenen nur symbiotische Beziehungen. Bindung entsteht nicht durch gegenseitige Wertschätzung (wahre Liebe) sondern durch Anpassung und Abhängigkeit: sich benutzen lassen und/oder andere zu benutzen. Daher erscheint das Symbiosemuster als Traumafolge, als Kompensation bei einer verhinderten Autonomie-Entwicklung.
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I.1. Das Symbiosemuster Als junger Psychiater beobachtete ich bei meinen psychiatrischen Klienten, dass ihre Probleme mit sich und mit anderen verursacht waren unter anderem durch folgende Tendenzen: Sich mehr nach den Ansichten und Gefühlen von Anderen, eigenen Angehörigen oder fremden Autoritäten, zu orientieren, statt nach den eigenen > Überanpassung, Selbst-Unsicherheit, vorauseilender Gehorsam, Fremdbestimmung statt Selbst-Bestimmung.
Sich ungefragt für die Probleme und Bedürfnisse anderer verantwortlich zu fühlen – statt für die eigenen > „Helfersyndrom“, mangelnde Selbstfürsorge.
Die gesunde Aggression (Wut) zu unterdrücken und eher gegen sich selbst zu richten – statt sie konstruktiv einzusetzen, um sich gegen Verletzungen zu wehren, oder sich bei Konflikten besser vertreten zu können > Aggressionshemmung, Opferrolle, fehlende Konfliktfähigkeit. Sich selber abzuwerten und zu verstecken, und gleichzeitig (!) sich anderen überlegen zu fühlen, durch Perfektionismus und Kontrolle > Instabiles brüchiges Selbstwertgefühl, schwankend zwischen magisch-grandioser Selbst-Erhöhung und depressiver Selbst-Erniedrigung. Diese Tendenzen zeigten sich in unterschiedlicher Ausprägung und in vielen Variationen und Kombinationen, Sie waren so verbreitet, dass viele Betroffene sie für „normal“ hielten. Traditionelle „sprechende“ Therapieformen bewegen sich in einem „linearen Modus“. Sie machen dem Klienten seine eingeübten problematischen Verhaltensweisen bewusst und empfehlen ihm, andere Verhaltensweisen zu trainieren. Dieses „Extinctionslernen“ kann gewissen Erfolg haben. Es hilft, die problematischen spontanen Impulse zu unterdrücken, jedoch ohne sie aufzulösen. Daher sind diese Verahren „mental anstrengend“ und stressig.
Unzufrieden mit diesen Methoden suchte ich nach einem tieferen Verständnis dieser Phänomene, um andere wirksamere Vorgehensweisen zu erproben. Ich verstand die oben genannten verwirrende Aspekte als Symbiosemuster und konnte sie zurückführen auf eine doppelte Dynamik, die sich selbst verstärkte im Sinne eines Circulus vitiosus:
• die unbewusste Identifizierung mit Ich-Fremdem – statt mit dem Eigenen (dem Wesenskern, dem SELBST), • die unbewusste Distanz zum Eigenen – statt Abgrenzung gegenüber dem Fremden.
Diese doppelte Dynamik des Symbiosemusters verhinderte Selbst-Bestimmung und Autonomie der Betroffenen.
I.2. Aufstellungsmethode und die Einführung des SELBST Um den Zusammenhang zwischen Autonomie und Symbiose besser zu verstehen, und um alternative Lösungsstrategien entwickeln zu können, experimentierte ich mit der Aufstellungsmethode. Während die „sprechenden“ Therapien einen „linearen Modus“ verwenden, stellt die Aufstellungsmethode eine zweidimensionalen Fläche zu Verfügung und ermöglicht es, Repräsentanten oder Symbole für Personen und z.B. für Traumen einzusetzen. So können die komplexen Beziehungen zwischen diesen Elementen präziser verdeutlicht und untersucht werden. Wenn z.B. der Klient ein eigenes Trauma, oder eine verlorene Bezugsperson durch Symbole aufstellte, wurde ihm geradezu körperlich spürbar, wie räumlich nahe ihm diese belastenden Elemente waren. Ihm wurde bewusst wie sehr er sich bisher an Ich-Fremden Elementen orientierte: an Personen (Angehörigen, Autoritäten) oder belastenden Elementen (Traumata, Glaubenssätzen), so als gehörten sie zu seiner Identität. Diese Elemente bildeten ein „Introjekt, welches bisher seine Autonomie, eine Orientierung an eigenen Überzeugungen, Gefühlen und Bedürfnissen verhindert hatte, ohne dass ihm das bewusst war. Diese Erkenntnis war bereits befreiend, erklärte sie doch die Probleme, für die er sich bisher abgelehnt hatte. Aber es erwies sich als schwierig oder als verboten, sich von den bekannten Elementen zu distanzieren, die ihm bisher Zugehörigkeit zu seinem Kollektiv vermittelten und als Orientierung dienten. Um dem Klienten diese Distanzierung zu ermöglichen, bot ich ihm einen Repräsentanten für das Eigene, für den eigenen Wesenskern: das SELBST.
Exkurs Die Vorstellung von einem SELBST finden wir in den spirituellen Traditionen aller Weltreligionen. C.G. Jung (Individuation als Weg vom Ich zum Selbst) und die Vertreter der „Humanistischen Psychologie“ verwenden diesen Begriff auf ähnliche Weise. Das Recht auf Selbst-Bestimmung steht im Grundgesetz unserer Verfassung. Das Bewusstsein für die menschlichen Grundrechte wurden durch die Aufklärung geweckt und ermöglichte die Ablösung feudaler Machtstrukturen durch demokratische Verfassungen.
Überraschend war für mich, dass die bekannten theoretischen Konstrukte von Selbst und Selbst-Bestimmung in der emotionalen Realität meiner Klienten keine Rolle spielten. Obwohl dem Klienten durch die Aufstellung seine bisherige Verwirrung und Belastung durch Fremdes bewusst wurde, fühlte es sich für ihn verboten an, sich von dem Ich-Fremden zu distanzieren und stattdessen sich mit dem Eigenen zu identifizieren. So als würde er dadurch die Zugehörigkeit zu seiner Familie verlieren. Offensichtlich gibt es in traumatisierten Familien diese Bindung durch Leid. Diese Bindung war zwar belastend und verwirrend, aber dennoch gab sie die Illusion von Sicherheit. Eine alternative Orientierung an eigenen Überzeugungen, Gefühle und Bedürfnissen war dem Klienten fremd. Diese Elemente waren ihm kaum bekannt, oder erschienen ihm als vage, als wenig vertrauenswürdig oder sogar gefährlich. Diese emotionale Verwirrung durch ein verinnerlichtes „Abgrenzungsverbot“ war meist so „in Fleisch und Blut“ übergegangen, dass es durch rationale Belehrungsversuche alleine nicht aufgelöst werden konnte.
I.3. Systemisches Autonomie-Konzept und die Funktion einer Struktur
Die zweidimensionale Ebene der Aufstellung machte dem Klienten – und mir – möglich, zu unterscheiden zwischen einem eigenen Raum – und dem Raum eines Gegenübers. So wurde dem Klienten das Recht auf einen eigenen Raum bewusst, mit einer Grenze zum Gegenüber. Er konnte erkennen, dass die Ich-fremden Elemente die Mitte seines Raumes eingenommen hatten, als „Introjekt“, sodass das Eigene verdrängt wurde. War das der Grund dafür, dass ihm sein Eigenes – irrtümlich! – unbekannt und verboten bzw. gefährlich erschien? Konnte eine bessere Selbst-Verbindung dadurch erreicht werden, dass der Klient die Ich-fremden Elemente erkannte und aus seinem eigenen Raum mit Entschiedenheit entfernte? Sollte sich das als verboten anfühlen („Abgrenzungsverbot“), war es dann hilfreich sich nach seinem klaren Verstand zu orientieren – statt wie bisher nach einem „verwirrten Gefühl“?
I.4. Selbstverbindung durch Abgrenzung Es zeigte sich dass diese „Strategien“ hilfreich waren: Der Klient fühlte sich nach diesen Aktionen besser, seelisch aber auch körperlich. Er spürte die eigenen Füße und den Boden, er spürte eine innere Weite und Wärme. Er richtete sich auf, die bisherige Anspannung liess nach. Er fühlte sich frei und unbeschwert. Und oft erinnerte er sich daran, dass er sich immer gesehnt hatte nach dem Glück dieser Selbstverbindung, und dass er es in kostbaren Augenblicken auch schon früher erlebt hatte: in der Natur, fern von zuhause, oder in der Kunst. Die körperliche Erfahrung dieses Glücks der Selbst-Verbindung erleichterte es ihm, sich entschieden von allen Ich-fremden Elemente anzugrenzen, die ihm bisher dies Glück verhindert, und stattdessen nur Leid, Verwirrung und Erschöpfung gebracht haben. So wurde dank der Aufstellungsmethode die Dynamik von Autonomie und Symbiose sichtbar. Es entstand das Konzept der systemischen Selbst-Integration (SSI). Gezielte Interventionen, unter anderem ein Training der Abgrenzung bewirkten, dass der Klient eine Wahrnehmung für Struktur entwickelte. Die körperliche Erfahrung, seine Kraft wieder für sich – statt gegen sich – einzusetzen, vermittelt ihm sofort ein anderes Selbstwertgefühl. Auf diese Weise konnte er sich befreien aus der bisherigen Fremdbestimmung und Abhängigkeit und die Freiheit der Selbstbestimmung erleben.
I.5. Autonomie-Fragebogen und -Diagramm Durch einen Fragebogen wird die Einschränkung der Autonomie, und die dadurch entstehende Ausprägung des Symbiosemusters gemessen und im „Autonomie-Diagramm“ grafisch dargestellt. Die Einschränkung der • Autonomie-Aspekte: A Abgrenzung, B Selbst-Verbindung und C Integration aggressiver Impulse erzeugt die korrespondierenden • Symbiose-Aspekte: D Überabgrenzung, E Übergriffigkeit (sich mehr in fremden Räumen zuständig zu fühlen als im eigenen Raum) und F auto-aggressive Tendenzen auf seelischer und körperlicher Ebene. So lässt sich mit einem Blick die Ausprägung des Symbiosemusters erkennen, und damit das Ausmass der Traumatisierung. Veränderungen des Diagramms nach einer Aufstellung zeigen, ob die Aufstellung wirksam war, d.h. ob die Autonomiewerte zu- – und die Symbiosewerte abgenommen haben.
Wie dieses Konzept zur Klärung von Beziehungs-Problemen und zur Bearbeitung von Verlust- und Gewalt-Traumen angewendet werden kann, habe ich in meinem Buch "Symbiose in Systemaufstellungen" 2015 beschrieben.
Antwort auf Sylvie SCH. BEZIEHUNGSTRAUMA UND KRISE ÖFFENTLICHMACHEN VON AUFSTELLUNGEN
DISKUSSIONSBEITRÄGE ZU
Sylvia Sch.: Als Therapeutin weiss ich, daß ich Klienten hatte die, wenn ich solch eine Aussage gemacht hätte als Therapeutin, sie zugesagt hätten, weil ja quasi von mir suggeriert wurde, dass sie wenn sie nach einer dritten Sitzung "so weit wären" offener zu sein, nicht mehr unsichtbar, und mir dann auch noch einen Dienst erweisen könnten. Natürlich auch noch anderen helfen,die die Filme sehen. Damit würde ich indirekt meine Klienten formatieren, wie sie zu sein haben. ERO das ist ein wichtiger punkt, der unbedingt berücksichtigt werden muss. aber das leben ist komplexer, als wir es manchmal wahrhaben wollen. für mich geht es da um eine güterabwägung. und um die frage, für wessen freiheit sie sich da einsetzen!? jahrhunderte lang wurden persönliche beziehungstraumen als etwas "privates" angesehen, das mit der gesellschaft nichts zu tun hat. nur so war es möglich, dass die alltäglichen familiären beziehungskonflikte von der öffentlichkeit bewusst ignoriert wurden. das war auch im interesse der täter, die sich dadurch vor kritik oder anzeige schützen konnten. dadurch wurden aber die opfer im stich gelassen. nur so war es möglich, dass die auswirkungen dieser frühen beziehungstraumen auf das individuelle und auf das kollektive verhalten lange zeit nicht erkannt wurden. nur so war es möglich dass wir in diese globalen krisen hineingeschlittert sind, ohne uns der tieferen ursachen bewusst zu werden und diese beherzt anzugehen. haben sie gewagt, in den abgrund der drohenden globalen selbstzerstörung hinabzusehen? erst das gibt uns die entschlossenheit zu entschiedenem handeln. Es gibt dazu wenige möglichkeiten, aber immer hin diese zwei: 1. unser eigenes überlebensmuster , das zu dieser krise beigetragen hat, zu erkennen und zu löschen, 2. und diesen lösungsprozess anderen öffentlich (dem gemeinwohl) zu verfügung zu stellen, als anregung, ihr eigenes muster zu erkennen und zu löschen! es gilt, keine zeit zu verlieren. ich weiss, dass die eigenen traumen für viele mit scham behaftet sind. das können wir berücksichtigen durch austausch des namens durch weglassen individueller details - die für den lösungsprozess gar nicht relevant sind. andrerseits gehört es geradezu zur strategie dieser autoritären, patriarchalische traumatisierenden familien, die kinder zu verletzen und ihnen dann noch einzureden, sie seien schuld daran. mit dieser strategie schützten sich über jahrhunderte - wie bereis bemerkt - diese familien vor kritik und straf-anzeige. sind sie sich bewusst,dass sie diese strategie unerstützen? wollen sie das wirklich? und das noch mit dem zitat einer kommunistin, einer frau, einer jüdin, die ihr leben im kampf gegen diese autoritären strukturen verloren hat??? ist das nicht widersprüchlich? Es gibt einen weiteres argument für veröffentlichung – gerade für therapeutInnen. Ich selber habe als junger psychiater vor 45 jahren als klient an einer gruppentherapie teiilgenommen – auf vorschlag des therapeuten. Das war für mich damals nicht einfach, einmal, mich auf eine stufe zu stellen mit meinen klientInnen (ärzte fühlen sich ihren klientInnen gegenüber gerne überlegen, auch der damals übliche weisse kittel demonstrierte diese äussere distanz – wenn die innere abgrenzung unsicher ist) zum anderen fiel es mir nicht leicht, über meine probleme zu sprechen-in anwesenheit eigener klientInnen. Nachträglich erscheint es mir als eine sehr heilsame übung, um das – meist unbewusste – machtgefälle zwischen arzt und klientIn bewusst zu machen und zu überwinden. Aufgrund dieser eigenen Erfahrung von damals möchte ich auch heute den therapeutInnen unter meinen klienten, die sich scheuen, ihre aufstellung öffentlich zu machen, zu bedenken geben: verlierst du wirklich etwas wesentliches, wenn deine klientInnen sehen, dass auch du probleme hast und dir hilfe holst? Ist es nicht im gegenteil so, dass sie dann dich mehr achten, und der methode vertrauen, die dir selber geholfen hat? wenn eine klientIn darauf besteht, dass ihr video nicht veröffentlicht wird, werde ich das immer berücksichtigen. auch bei ihnen. es ist ihre dritte aufstellung, die beiden anderen sind nicht bei YT gespeichert. und ich mache ein video auch wieder nicht-öffentlich, wenn eine klientIn das wünscht. aber es kann sein, dass ich dann nicht mehr mit ihr arbeite. Danke sylvie, für ihre mail - sie hat mir geholfen, meinen standpunkt klarer zu formulieren! mit freundlichen grüssen ero langlotz Ihre Methode ist gut und wertvoll und ihr Einsatz für ihre Klienten ist exemplarisch! Ich bin sehr dankbar! Auch für ihre unkomplizierte Art und Weise direkte Antworten zu schreiben. Sie helfen sehr viel! Als Tiger, der die Sitzung nicht auf YT haben will, sage ich mit einem Zitat von Rosa Luxemburg: „'Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden‘. Herzliche Grüße Sylvie Sch.
Lieber Herr Langlotz, Wir haben nächste Woche einen Termin für eine Aufstellung und ich will nicht, daß es auf YT veröffentlicht wird. Ich möchte die Freiheit haben eine Privatsphäre zu haben und nicht auch noch damit anderen helfen zu können. Wann und wo ich "Tiger bin " und so gesehen werden will, das liegt bei mir. STOP! Das habe ich jetzt als Klientin gesagt.
Als Therapeutin weiss ich, daß ich Klienten hatte die, wenn ich solch eine Aussage gemacht hätte als Therapeutin, sie zugesagt hätten, weil ja quasi von mir suggeriert wurde, dass sie wenn sie nach einer dritten Sitzung "so weit wären" offener zu sein, nicht mehr unsichtbar, und mir dann auch noch einen Dienst erweisen könnten. Natürlich auch noch anderen helfen,die die Filme sehen. Damit würde ich indirekt meine Klienten formatieren, wie sie zu sein haben. Ihre Methode ist gut und wertvoll und ihr Einsatz für ihre Klienten ist exemplarisch! Ich bin sehr dankbar! Auch für ihre unkomplizierte Art und Weise direkte Antworten zu schreiben. Sie helfen sehr viel! Als Tiger, der die Sitzung nicht auf YT haben will, sage ich mit einem Zitat von Rosa Luxemburg: „'Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden‘. Herzliche Grüße Sylvie Sch
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NEWSLETTER NOVEMBER 2023
Globale Krisen als Folge früher Beziehungstraumata? Online-Aufstellungen nur noch für die, welche einer späteren Veröffentlichung bei YT zustimmen?
Lieber Freunde liebe Kolleginnen,
fünf Tage war meine Stimme erloschen. Dies ungeplante „Schweige-Retrait“ zeitigte in meinem 82-jährigen Gehirn einige (r)evolutionäre Ideen. Die erste knüpft an meinem jüngsten YT-Beitrag an: Überlebensprogramm als Stressorbasierte Prägung- im Unterschied zu einer artgerechten Prägung 16 11 23 . https://youtu.be/YFY7HC_kGhc
Globale Krisen als Folge früher Beziehungstraumata? Mir wird immer deutlicher, wie sehr die aktuell eskalierenden Krisen nur möglich waren, dadurch dass die meisten von uns schon früh belastende Erfahrungen machen mussten, die sie dazu zwangen, Überlebensstrategien zu entwickeln, die so abgespeichert wurden, dass sie noch heute ihr Selbstbild, ihr Erleben und Verhalten bestimmen – OHNE DASS IHNEN DIESER ZUSAMMENHANG BEWUSST IST. Zu den belastenden Erfahrungen gehören: emotionales Verlassen werden, oder Benutzt werden, Erfahrungen von Ablehnung und Abwertung, von seelischer und körperlicher Gewalt. Vielen erscheint bereits das Erinnern und Aussprechen der damaligen Erfahrungen als verboten. So als würden sie die geliebten Eltern dadurch verraten, oder als würden sie die Zugehörigkeit zu dieser Familie verlieren. Wenn diese Erfahrungen überhaupt erinnert werden – dann erscheinen sie den meisten so verbreitet, dass sie das für „normal“ halten. Bei den Überlebensstrategien geht es um • Tendenzen, eigene Bedürfnisse zurück zustellen, um sich für die Interessen anderer einspannen („benutzen“) zu lassen, • Tendenzen, eigene Verletzungen zu ignorieren, und die eigene gesunde Wut zu unterdrücken, stattdessen sich selber schuldig zu fühlen und dadurch den – oder die – „Täter“ zu entlasten. • Tendenz zu einem vorauseilendem Gehorsam gegenüber Autoritäten. Damit verbunden ein • Verbot die eigene natürliche Intelligenz zu benutzen, wenn dadurch diese Autoritäten infrage gestellt werden könnten. Diese Überlebensstrategien eines hilflosen den Eltern ausgelieferten Kindes scheinen die meisten Erwachsenen unter uns noch zu bestimmen. Ihnen selber ist der Zusammenhang mit frühen belastenden Erfahrungen meistens unbekannt. Durch dies seit Jahrtausende antrainierte kollektive Anpassungs- und Unterwerfungs-Programm geben wir – und die Politiker die wir selber gewählt haben – den Macht-Systemen freie Hand, ihre angemasste Macht zu missbrauchen, um ihre eigene Macht zu stärken – auf Kosten der anderen. Ohne das in Frage zu stellen. Auch in der Natur gibt es das Phänomen der individuellen Macht: Leittiere in Herden und Rudel. Sie werden von der Gruppe respektiert. Und da sie besonders erfahren sind hinsichtlich Gefahren und Futterplätzen, sind sie für das Überleben der Gruppe und der Spezies hilfreich. Diese Variante von individueller Macht ist am Gemeinwohl orientiert. Auch bei homo sapiens gab und gibt es eine individuelle Macht, welche das Gemeinwohl berücksichtigt. Aber homo sapiens ist die einzige spezies, die ihre Intelligenz dazu benutzt hat, ihresgleichen wie Haustiere zu benutzen. Das heisst, die eigene Macht auf Kosten anderer zu vergrössern. Den Mächtigen gelang es schon früh, diese „Macht des Stärkeren“ als naturgegeben und als legal und “gottgewollt“ zu bezeichnen. Nur durch den Machtmissbrauch einer Minderheit auf Kosten der Mehrheit konnten diese Krisen entstehen. Wenn wir es wagen, unserer natürlichen Intelligenz zu vertrauen, dann erkennen wir, wie verbreitet dieses Muster ist, und wie raffiniert es arbeitet. Dafür nur zwei Beispiele – ihr werdet selber weitere Beispiele erkennen: Die drohende Klimakrise ist seit ca. 40 Jahren wissenschaftlich beschrieben. Ölkonzerne missbrauchten ihr Kapital, um „Thinktanks“ zu finanzieren, die diese Tatsachen mit pseudowissenschaftlichen Argumenten zu entkräften versuchten, und gezielt Ängste vor Jobverlust und Wirtschaftskrise schürten. Die letzte deutsche Regierung hat bei der EU Einschränkungen der Luftbelastungen durch CO2 erfolgreich torpediert – und dafür Spenden- Gelder der Autofirmen erhalten. Dieser Machtmissbrauch auf Kosten anderer entspricht dem Muster einer Krebsgeschwulst das wächst und wächst, und nach und nach alle Organe zerstört, bis am Schluss der ganze Organismus stirbt. Das Krebsgeschwulst (Die „Elite“) verbucht es als illusorischen Gewinn, „bis zum Schluss noch zu wachsen“. JEDOCH: Solange der Organismus noch lebt, kann er „Immunkräfte“ gegen einen Tumor entwickeln. Je mehr Betroffenen diese Zusammenhänge bewusst werden, je mehr von ihnen durch „Schattensegeln“ ihre eigenen Muster erkennen und lösen, desto früher könnten sie sich ihrer „Tigernatur“ erinnern. Dann erkennen sie, dass es nichts mit Liebe oder (christlicher) Tugend zu tun hat, wenn man sich klein macht, und Unrecht schweigend erträgt, wie ein Opferlamm, das sich geradezu anbietet, für einen „höheren Zweck“ geopfert zu werden. Dann können sie es wagen, Unrecht als Unrecht zu erkennen, und als solches zu benennen und sich erfolgreich dagegen zu wehren. Diese Transformation scheint notwendig – und zugleich auch unmöglich. Erinnern wir uns an das Motto des islamisch-sufistischen Gelehrten IBN ARABI aus dem 14. JH!: „Es gibt nur zwei Dinge zu tun, das Notwendige – und das Unmögliche!“ IBN ARABI ist ein vertrauenswürdiger Gewehrsmann. Es gelang ihm, sich und seine Anhänger vor der Versuchung des Machtmissbrauchs monotheistischer Religionen zu schützen durch den Glaubenssatz: Gott und die Natur sind physisch eins.
Online-Aufstellungen nur für die, welche einer späteren Veröffentlichung bei YT zustimmen?
Um gegen diese verbreitete KOLLEKTIVE Unwissenheit und Verwirrung erfolgreich anzugehen, scheint es mir wichtig, möglichst viele dieser Aufstellungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – auch wenn es hier vorwiegend um individuelle Traumen geht. Ich verstehe das als inneren Auftrag, einen Beitrag dazu zu leisten, die Öffentlichkeit über diese Zusamenhänge durch viele berührende Aufstellungs-Videos zu informieren. Die Krisen eskalieren, meine Lebenszeit ist begrenzt, mit 82 Jahren muss ich mit meiner Zeit und meiner Kraft haushalten. Daher teilte ich einer Klientin, welcher der Veröffentlichung nicht zustimmte, meine Überlegungen dazu mit und schloss mit folgendem Satz: „Ich werde in Zukunft nur noch mit den KlientInnen arbeiten, die nicht grundsätzlich ausschliessen, ihre Aufstellungen öffentlich zu machen.“ Hier ihre Antwort – sie gab mir die Erlaubnis zur Veröffentlichung!: Dass es für sie in Zukunft ein Kriterium ist, nur noch mit den Menschen zu arbeiten, die einer Veröffentlichung zustimmen, kann ich verstehen. Ja, es ist so wichtig, das Wissen um Trauma in der Welt zu verbreiten. Gleichzeitig fände ich es persönlich wirklich sehr sehr schade und sehe diesen Umstand - Warum es einige nicht möchten, – genau in den "nicht erkannten Hintergründen" verortet. In den frühen Traumatisierungen auf Bindungs- und Beziehungsebene.
Wie wir wissen, braucht Autonomie und eine gelungene Entwicklung von Autonomie eine von Geborgenheit geprägte und angst-/stressfreie Umgebung sowie Bezugspersonen die dies wertschätzend fördern. Das "sichtbar-werden-dürfen" und "selbständig -werden -dürfen", ohne, dass es in irgendeiner Form als Bedrohung erlebt wird und es zu Konsequenzen kommt. Gleichzeitig erleben viele Menschen die Erfahrung, dass "Kontakt" nur durch Verschmelzung möglich ist, also dann, wenn ich mich selbst ausblende und "verschwinde". Hier liegen meiner Meinung nach die sensiblen Punkte. Ich könnte mir vorstellen, dass diese tief verwurzelte Angst der "Sichtbarkeit" damit zu tun hat, warum es einigen Menschen so schwerfällt, einer Veröffentlichung zuzustimmen. Erst durch kluge und durchdachte Methoden wie Ihre, können betroffene Menschen aber überhaupt erstmals "sichtbar" werden. Weil sie sich durch Ihre Unterstützung sicher fühlen und sich trauen. Diese zarte neu entdeckte Sichtbarkeit dann aber gleich "der ganzen Welt zu zeigen" ist für manche vielleicht aber erst einmal ein viel zu großer Schritt..es braucht vielleicht mehr Zeit und Entwicklung..für mich trifft dies auf jeden Fall zu. Vielen Dank nochmal und alles Gute.“ Darauf meine Antwort Danke für ihr mutige Antwort! Volltreffer! ich werde ihren Standpunkt berücksichtigen. es wird beides möglich sein: • Das Angebot für einen völlig geschützten Raum für die noch sehr verunsicherten. • Und für diejenigen, die schon stabiler sind (ca. ab der 3. Aufstellung) und daher einer Veröffentlichung evtl. zustimmen, auf Wunsch ein relativer Schutz durch anonymisierende Massnahmen (anderer Namen, keine persönlichen Details im Video). Ich denke durch diese "Zumutung" einer Veröffentlichung gebe ich den KlientInnen die Anregung, sich nicht nur als hilfloses Kleinkind von damals zu sehen, wieder ausgeliefert einem bedrohlichen Erwachsenen, sondern aufzuwachen und sich als Teil einer bisher schweigenden Mehrheit junger TigerInnen wahrzunehmen, denen eingeredet wurde, sie hätten hilflose "Lämmer" zu sein, um wertvoll und liebenswert zu sein – so als hätte das etwas mit Liebe oder (christlicher) Tugend zu tun. Wenn die Betroffenen nach ein bis zwei Sitzungen ihre Tigernatur entdeckt und verkörperlicht haben, dann können sie sich tatsächlich leichter zu diesem Schritt der Veröffentlichung entscheiden - mit oder ohne Einschränkungen. Diese Zumutung kann ihnen helfen, zu wachsen.
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Intelligenz wird definiert als geistige Leistungsfähigkeit, speziell im Problemlösen. Natürliche Intelligenz gehört zur Grundausstattung der – daher auch so bezeichneten – Gattung homo sapiens.
Ein Blick auf die Gegenwart mit ihren eskalierenden Krisen: Wirtschaft, Umwelt, Klima, Kriege macht deutlich, dass das Potential der natürlichen Intelligenz weitgehend nicht benutzt wird.
Manche hoffen daher auf die „künstliche Intelligenz“. Ich habe mich mit dem KI ChatGBT darüber unterhalten (https://youtu.be/U784izYNWV8), und erkannt: KI hat mit Intelligenz („Problemlösung“) nichts zu tun. KI kann in kürzester Zeit eine monströse Masse an Informationen zu Verfügung stellen, deren Verlässlichkeit aber nicht berücksichtigt wird. Das kann die Verwirrung verstärken.
Warum benutzen wir unsere natürliche Intelligenz so wenig? Was kann die Traumatherapie zu dieser Frage beitragen?
1. „Erlernte Denkverbote“ als Folge früher Beziehungs-Traumata Als Psychiater habe ich mit der Methode der Selbst-integrierenden Stressorauflösung (SITA) die Beobachtung gemacht, dass als Folge früher Beziehungstraumata die Betroffenen gelernt haben, sich mehr nach den Ansichten und Bedürfnissen Anderer zu orientieren – als nach den eigenen. Damit verbunden ist so etwas wie ein Verbot, seine eigene Intelligenz zu benutzen, um eigene Überzeugungen zu entwickeln und danach das eigenes Verhalten zu orientieren. Diese erlernten Denkverbote können in einer Aufstellung als Folge eines frühen Beziehungstraumas erkannt und aufgelöst werden. Wenn die Betroffenen erkennen, dass sie ihr aktuelles Problem nicht lösen können, solange sie sich nach ihrem verwirrten Gefühl orientieren, sind sie bereit, sich nach ihrem Verstand (Intelligenz) zu orientieren. Dann können sie schon heute aus ihrer Verwirrung aussteigen. Meist löst sich dann das „Problem“ von selbst. Auf meinem YT-Kanal gibt es dafür viele konkrete Beispiele.
Lassen sich diese Beobachtungen auch auf unser Verhalten in den aktuellen Krisen anwenden? Wenn sich eine Wahrnehmung oder eine Entscheidung verboten anfühlt, dann nimm dir 5 Minuten Zeit um dich zu fragen: was würde mein Verstand dazu sagen? Du hast das Recht, authentisch zu sein, das heisst, dich nach deinem Verstand zu orientieren – statt nach den Ansichten anderer! Vielleicht spürst du dann in deiner vertrauten Umgebung Widerstand. Um dir selber treu zu bleiben, musst du vielleicht zu manchen auf Distanz zu gehen. So wirst du anziehend für andere, die auch auf dem Weg sind zu einem authentischeren Leben.
2. Kollektive Wahrnehmungs- und Denk-Verbote Bei meiner Erforschung kollektiver Traumata bin ich unter anderem auf die Rolle der kirchlichen Doktrin gestossen. Aufgewachsen in einer christlichen Familie lernte ich die eigenen Denk- und Wahrnehmungs-Verbote zu erkennen, die mich daran gehindert hatten, die inneren Widersprüche dieser Doktrin zu durchschauen. Vertraue auch du auf deinen Verstand und wage es, zu erkennen:
Jesus ging zu den Verstossenen, den Armen und „Sündern“ und predigte ihnen: „Ihr seid Gottes Kinder!“ Jesus verkündete ihnen – und uns – eine „Erbwürde“. Er vertrieb die Händler aus dem Tempel, und stellte sich gegen die Priester, welche für die römische Besatzungsmacht von der verarmten Bevölkerung die Steuern eintrieb. Deswegen wurde er von der römischen Besatzungsmacht als Aufrührer gefangen genommen und am Kreuz zu Tode gefoltert. Für seine Jünger war das eine doppelte Enttäuschung. Hatte er ihnen nicht „Gottes Reich auf Erden“ versprochen? Und jetzt wurden sie selber verfolgt, als Anhänger eines Aufrührers. Es war der Schriftgelehrte Paulus, der durch eine geniale Geschichtsverfälschung eine Lösung fand, die der Kirche Christi nicht nur das Überleben ermöglichte. Als anerkannte römische Staatsreligion teilte sie über Jahrhunderte mit Kaisern und Königen die Macht.
Möglich wurde das durch eine verfälschende Umdeutung, die auch noch als „frohe Botschaft“ bezeichnet wurde um so den Verstand noch mehr zu verwirren.
Demnach war es Gottes Entscheidung, seinen einzigen Sohn zu opfern, um so die Menschen von ihrer durch Adam verursachten „Erbsünde“ zu befreien. Statt Erb-Würde also nun Erb-Sünde. Wir alle seien von Geburt an „verderbt“ und benötigten die Heilsmittel der Kirche. Diese Doktrin erwies sich als ein sehr wirksames „Rezept“, um Menschen abhängig zu machen, bereit, sich für die Interessen anderer mit Freuden zu Verfügung zu stellen. Über Jahrhunderte durften nur die „Herren“ – der Adel und der Klerus – Land besitzen, dass eigentlich von Mutter Erde uns allen zugedacht ist!? 90% unserer Vorfahren waren Leibeigene, die fremdes Land bewirtschaften mussten, aber selber keine Rechte hatten. Und die „Herren“ – Kaiser, Könige, der Adel – konnten ihre Macht legitimieren als „von Gottes Gnaden“. Diese „unheilige“ Allianz von Adel und Klerus gab es auch in anderen Regionen mit monotheistischen Religionen. Sie ist bei uns schon lange abgelöst worden durch eine andere Allianz der Mächtigen, in Wirtschaft und Politik. Diese Mächtigen missbrauchen ihre Intelligenz, um die Realität zu verdrehen, um auf diese Weise Menschen durch Angst und Schuldgefühle abhängig zu machen.
Fazit: Wenn wir es wagen, uns nach unsere natürlichen Intelligenz zu orientieren, dann erkennen wir eine (beabsichtigte?) Schwächung der natürlichen Intelligenz seit Jahrhunderten! Durch eine traditionelle Erziehung, die nicht Selbstwert stärkt, sondern Ängste und Schuldgefühle erweckt, um (vorauseilenden) Gehorsam und Leistungsbereitschaft zu erzielen. Diese Erkenntnis kann uns die Kraft geben, unsere natürlichen Intelligenz wieder – oder endlich zu vertrauen.
Mutter Erde Es gibt eine natürliche Religiosität. Unser Leben kommt zwar durch unsere Eltern zu uns. Aber eigentlich verdanken wir unsere Existenz „Mutter Erde“, die uns trägt und nährt, bedingungslos. In der Natur können wir daher das Glück erleben, dass wir uns als Teil eines grösseren schöpferischen Ganzen erkennen. Das gibt uns unsere Würde, unverlierbar. Umso mehr, wenn wir von Menschen enttäuscht wurden.
Die Fackel des Lebens Das Leben kommt von weit her zu uns. Auch wenn die einzelnen Generationen vor uns (die Fackelträger) mit Leid oder Schuld behaftet waren, das Licht der Fackel ist immer rein. Wenn wir uns dessen bewusst sind, können wir getrost das Leid und die Schuld bei den früheren Generationen (Fackelträgern) belassen, und uns an dem reine Licht erfreuen. Und wir können dankbar achten, dass die früheren Generationen nicht „die Fackel haben fallen lassen“, bevor sie das Licht an die nächste Generation weiter gegeben haben.
Der allmächtige (männliche!) Schöpfergott – eine Fiktion der Machthaber? Wenn wir erkannt haben, wie Mächtige – Adel und Klerus – das Bild von einem männlichen Schöpfergott über Jahrtausende dazu missbraucht haben, um andere zu schwächen und ihren Macht-Missbrauch zu legitimieren, ist es dann nicht an der Zeit – trotz erlernter Verbote – dies Gottesbild grundsätzlich in Frage zu stellen? Um so mehr wenn wir erkennen, dass immer wieder fanatische Gottes-Krieger – unterschiedlicher Religionen – unsägliches Leid an Unschuldigen verüben. „Man mordet nie so leicht, wie wenn man „im Namen Gottes“ mordet.“
Der Mensch ist eine sehr verwirrte Spezies. Er behauptet, an einen allmächtigen Gott zu glauben, der die Erde erschaffen hat – und zerstört zugleich diese Erde, die ihn trägt und nährt. Autor unbekannt
3. Autoritätsgehorsam. Stanley Milgram und seine Experimente Der bekannte amerikanische Psychologe Stanley Milgram hat bereits vor 60 Jahren das Phänomen des Autoritätsgehorsams durch Experimente untersucht – veranlasst durch den damaligen Prozess gegen Eichmann. Der hatte sich zu seiner Verteidigung auf seine Pflicht zu Gehorsam berufen. Milgram war – wie die meisten seiner Berufskollegen – der Überzeugung, Autoritätsgehorsam sei ein deutsches Problem – verantwortlich u.a. für den Holocaust. Und er hatte den Mut, diese Überzeugung durch ein Experiment zu überprüfen. Er war entsetzt, als seine Experimente ihm bewiesen, dass dies Phänomen auch bei 2/3 seiner US-amerikanischen Probanden vorliegt. Obwohl seine Fachkollegen ihn und seine Experimente deswegen heftig kritisierten, vertiefte er seine Experimente – mit dem gleichen Ergebnis. Er selbst konnte sich das damals nicht erklären. Er hielt es aber für notwendig, seine Fachkollegen aufzufordern, dies Phänomen zu erforschen. Er hatte die Überzeugung gewonnen: „Damit hat die Natur uns Menschen etwas mitgegeben, das für die Zukunft der Menschheit existenziell gefährlich werden könnte!“ Heute, 60 Jahre später, erkennen wir, wie Recht Milgram mit seiner Warnung hatte. Milgram selbst zeigte durch sein Verhalten das Gegenteil eines Autoritätsgehorsams. Aber er wurde dafür nicht anerkannt, sondern im Gegenteil abgelehnt. Er verlor seine Anstellung bei der Stanford-University und starb früh an Herzinfarkt.
Meditation Milgram hatte • den Mut, eine allgemeine Überzeugung in Frage zustellen, indem er sie durch ein Experiment überprüfte. Das ist die Vorgehensweise der Wissenschaft, um zu Erkenntnissen zu kommen, die unabhängig sind von den Interessen der Wirtschaft oder der Politik. Und er hatte weiter • den Mut, diese wissenschaftliche Erkenntnis auch dann zu vertreten, als er dadurch Nachteile in Kauf nehmen musste. Er hat seine natürliche Intelligenz benutzt, trotz innerer und äusserer Verbote. Auch andere Wissenschaftler haben Erkenntnisse zu Klima, Umwelt und Wirtschaft zusammen getragen. Je mehr wir – und die Politiker, die wir wählen – uns an diesen Erkenntnissen orientieren, gegen inneren UND äusseren Widerstand, um so mehr wird es gelingen, die Krisen unserer Zeit zu bewältigen.
Autoritätsgehorsam ist erlernt Heute wissen wir besser als Milgram, was frühe Beziehungstraumata sind, wie verbreitet sie sind, und wie sich sich auf Selbstbild, Erleben und Verhalten der Betroffenen auswirken. Das bedeutet, unsere Wahrnehmungs- und Denkverbote, und deren Folge, ein vorauseilender Autoritätsgehorsam sind nicht angeboren, sondern erlernt, als Teil eines Überlebensprogramms! Diese Einsicht ermöglicht es dem Einzelnen, sein „Überlebens-Programm“ zu löschen, um Probleme und Konflikte zu lösen.
Kann nicht ein kollektiver Bewusstseinswandel auch etwas zur Lösung kollektiver Konflikte beitragen?
Kollektive Verwirrung Sebrenica und das Modell Blutrache Früher hatten Menschen noch kein Bewusstsein einer eigenen Identität, sie identifizierten sich mit ihrer Familie. Das war auch die Ursache für das Phänomen der Blutrache bei Familien-Fehden: Der älteste in der Familie eines Ermordeten hatte die Pflicht, den Mörder zu töten, um die Ehre der Familie wieder herzustellen. Diese kollektive Verwirrung trug dazu bei, dass Leid und Schuld die betroffenen Familien über Generationen belastete. Diese Identifikation mit dem Schicksal eines Vorfahren ist Ausdruck einer kollektiven Symbiose. Das wirkte über Generationen, bisweilen über 500 Jahre hinweg. Der Massenmord von Serben an Muslimen in Sebrenica wurde von den Serben verstanden als „Rache“ der Serben für ihre Unterwerfung durch osmanische Muslime im 16. Jahrhundert.
Israel und Palestina Ein aktuelles Beispiel ist der eskalierende Konflikt zwischen Israel und den Palestinensern. Das abscheuliche Morden der Hamas ist verbrecherisch und zu verurteilen. Gerade von uns Deutschen, da der Holocaust an den Juden durch Deutsche verursacht wurde. Aber systemisch gesehen gibt es keine kollektive Schuld. Es gibt nur individuelle Schuld. Und die muss gesühnt werden vom Täter. Das heisst, die monströsen Verbrechen des Holocaust belasten die Täter und ihre Helfer. Ich sehe immer wieder: wenn Täter – und deren Familien – eine Bestrafung verhindern, dann sühnen unbewusst Kinder und Enkel an Stelle der Täter. In der Aufstellung zeigt sich, dass sie - unbewusst – mit dem Täter, nicht selten aber auch mit dessen Opfer(n), identifiziert sind. Dieses „toxische Introjekt“ kann zu Leid, zu Depression und Scheitern führen. Bisweilen ist ein Nachkomme auch mit beiden, mit Täter und Opfer zugleich identifiziert. So als müsse es diesen mörderischen Konflikt in seinem Inneren austragen. Das überfordert oft die Integrationsfähigkeit der Betroffen und sie dekompensieren und werden psychotisch.
Die Lösung für eine so belasteten KlientIn besteht auch hier wieder in der Abgrenzung, gleichzeitig zu Täter UND zu Opfer. „Ich achte euer Schicksal, deine Schuld (zum Täter) und dein Leid (zum Opfer). Ich bin da ganz ohnmächtig. Es steht mir nicht zu, zu urteilen, zu rechtfertigen, oder für etwas zu sühnen.“ Wenn der Einzelne – und ein Kollektiv – in dieser Weise das Geschehen achten können – ohne den illusionären Anspruch, da etwas wieder gut machen zu können – dann wird Versöhnung möglich. Mit sich selbst – aber auch mit den Betroffenen der Gegenseite.
Angemessen angesichts dieser Verbrechen des Holocaust ist der Schmerz und die Trauer darüber, dass das überhaupt möglich war. Darüber, dass Menschen dazu fähig sind, anderen unschuldigen Menschen so unermessliches Unrecht und Leid an tuen können. Und die Entscheidung, die Wiederholung eines solchen Verbrechens zu verhindern.
Für uns Deutsche bedeutet das, den bedrohten Israelis beiseite zu stehen, und sie zu unterstützen, wenn ihre Integrität von aussen durch islamische Fanatiker – aber auch von innen durch jüdische Fundamentalisten bedroht werden. Das heisst, wir sind nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet zu einer konstruktive Kritik, auch dann, wenn israelischer Fundamentalismus die demokratischen Grundrechte in Israel – oder im besetzten Palestina missachtet. Um so mehr da wir aus vielen Beispielen wissen, wie schnell eine Teufelsspirale aus gegenseitigen Verletzungen und Hass eskalieren kann und den ganzen Globus in Brand setzen kann. Gerade erleben wir, wie beide Seiten durch – nicht überprüfbare – Schilderungen der Gräueltaten der anderen Seite versuchen, die Weltöffentlichkeit für ihre Sache zu gewinnen. Auch hier müssen wir es wagen, uns nach unserer natürlichen Intelligenz zu orientieren. Dabei könnten uns Schuldgefühle hindern, die zusätzlich noch von einer israelischen Regierung getriggert werden, mit dem Ziel, jede Kritik an der Politik Israels als „antisemitisch“ abzulehnen und zu unterbinden. Um so eine bedingungslose Unterstützung Israels zu erzwingen.
Natürliche Intelligenz erfordert es, die Existenzrechte beider Seiten zu beachten. Nur dann, wenn wir auf beide Seiten einwirken, um Entspannung und letztendlich Versöhnung zu ermöglichen, kann es eine friedliche Zukunft geben für alle. Diese Haltung in der aktuell aufgeheizten Situation zu vertreten, ist nicht leicht. Man riskiert, von den Fanatikern beider Seiten gleichzeitig attackiert zu werden.
Thema von ero langlotz im Forum Therapeuten-Austausch...
Die aktuelle Eskalation eines Teufelskreises von Hass und Gewalt veranlasst mich, mit Euch über diese Themen zu meditieren.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Mit diesem Satz beginnt unsere Verfassung.
In meiner therapeutischen Arbeit mit frühen Beziehungstraumen wird mir täglich bewusst, welche tiefe Bedeutung dieser Satz für die Qualität menschlicher Beziehungen und für die Lösung der unvermeidbaren Konflikte hat.
1. Selbstwert, Selbst-Achtung Jeder Mensch hat ein existenzielles Bedürfnis danach, sich wertvoll zu fühlen. Sich wert zu fühlen, geachtet und geliebt zu werden, bedingungslos, einfach weil er da ist, weil er so ist, wie er ist. Das nennen wir das intrinsische Selbstwertgefühl. Dieses Selbstwertgefühl ermöglicht dem Menschen eine eigene, authentische Orientierung. Er kann Liebe empfangen und selber Liebe schenken. Er kann seine gesunde Kraft für sich einsetzen, um sich zu schützen, oder um eigene Visionen zu verwirklichen. Das ist die Voraussetzung dafür, um sich glücklich zu fühlen.
2. Frühe Beziehungstraumen und der Verlust der Selbst-Achtung Häufig allerdings vermitteln die wichtigste Beziehungspersonen, die Eltern, ihrem Kind etwas ganz anderes. Aufgrund eigener Erfahrungen von Abwertung und Benutzt-werden konnten sie selber kein Selbstwert-Gefühl entwickeln. Daher konnten sie ihrem Kind diese bedingungslose Liebe nicht geben, sondern tendierten dazu, ihr eigenes Kind abzuwerten und emotional für sich zu benutzen. In dieser „Realität“ lernte das Kind, sich mehr nach den Bedürfnissen und Erwartungen dieser Eltern zu orientieren, als nach den eigenen, um die lebensnotwendige Zuwendung der Eltern nicht zu verlieren. Um wenigstens diesen „extrinsischen“ Selbstwert zu haben, lernte es, sein Eigenstes zu verstecken, oder sein wahres Selbst abzulehnen. Statt dessen identifizierte es sich nun mit einem „falschen“ Selbst und dem dazugehörigen „Programm“. Ohne intrinsischen Selbstwert aber können die Betroffenen bedingungslose Liebe nicht annehmen oder selber schenken. Sie vermuten, wieder benutzt zu werden, bzw. versuchen, andere durch „Liebe“ zu manipulieren. Wenn sie dann den Verlust ihrer Liebesfähigkeit, den Verlust ihrer Glücksfähigkeit erkennen, werden sie bitter und böse, auf sich selbst und auf die Eltern. Das belastet ihre Beziehungen zu den Eltern. Wenn das Grundbedürfnis eines Kindes nach Achtung und bedingungsloser Wertschätzung nicht erfüllt wird, kann das bei ihm massive Wut und Hass auslösen. In seiner Hilflosigkeit und Ohnmacht muss es jedoch diese gesunde Wut unterdrücken, sodass sie sich staut und zu einer „Wutbombe“ entwickelte. Diese Bombe begleitet die Betroffenen ihr ganzes Leben – ohne dass ihnen der Zusammenhang mit den früheren Verletzungen immer bewusst ist. Getriggert durch „banale“ Anlässe kann sich diese Bombe immer wieder entladen, als Hass-Attacken nach aussen – oder auch gegen das eigene Selbst als Depression, als seelische und körperliche Destruktion. Das belastet alle ihre Beziehungen, ohne dass ihnen die Zusammenhänge bewusst sind. Zumal Wut und Hass „blind“ machen und die eigene natürliche Intelligenz blockieren können. Auch das Phänomen Amok, der Mord an Lehrern und Mitschülern, der meist mit Selbstmord des Täters verbunden ist, hat hier seine tiefere Wurzel. Die Betroffenen fühlten sich von den Anderen in ihrer würde und Selbstachtung verletzt.
3. Der Hass. Die „Wutbombe“ und wie sie „entschärft“ werden kann.
Die Aufstellungsvideos auf unserem YT-Kanal zeigen, welchen Ausweg aus diesem Dilemma wir in unserer Arbeit mit frühen Beziehungstraumen gefunden haben. Folgende Schritte sind erforderlich:
Das eigene Selbst entdecken und achten Sich des eigenen intrinsischen Selbstwertes bewusst werden, der unabhängig von der Zuwendung der Eltern als Potential existiert. Selbst dann, wenn dies Potential von den eigenen belasteten Eltern nicht „geweckt“ werden konnte. Hilfreich ist dafür die Überlegung: das Leben kommt zwar durch die Eltern zu uns. Aber es ist der Kosmos, oder „Mutter Erde“, die uns (durch die Eltern) hervorbringt, trägt und nährt – bedingungslos. Das Bewusstsein, auf diese Weise Teil eines grösseren, schöpferischen Ganzen zu sein, gibt uns eine Würde, die unabhängig ist von Leistung und Gehorsam.
Das Selbst der Eltern entdecken und achten Natürlich haben auch die Eltern ihr angeborene Würde, ihr wahres Selbst – auch wenn sie mit ihm – aufgrund der eigenen Traumen – nicht verbunden sein konnten. Wenn ein Kind dies wahre Selbst der Eltern erkennen und achten kann, dann kann es davon unterscheiden das Trauma-bedingte „falsches Selbst“, von dem es so tief verletzt wurde. Erst diese Unterscheidung ermöglicht es, das eigene verwirrende Gemisch ambivalenter Gefühle zu klären. Wenn die gesunde Wut gegen das „falsche Selbst“ der Eltern gerichtet werden kann – ohne Schuldgefühle! – dann wird auch der „Kanal“ für die wahre Liebe wieder frei. Zu den Eltern und zu den heutigen Bezugspersonen.
Liebe und Achtung – statt Hass Dann kann ein Kind den Eltern für das Leben danken, dass es durch sie erhalten hat. Das Feuer des Lebens ist immer rein – daher kann es Leid und Schuld bei den Eltern lassen. Und sie dafür achten, dass sie nicht gestürzt sind, sondern diese „Fackel des Lebens“ weiter gegeben haben.
Diese Verbindung mit der eigenen unverlierbaren Würde ist erforderlich, um eigene Grenzen wahrnehmen und schützen zu können, und um fremde Grenzen wahrnehmen und respektieren zu können. Das bezeichnen wir als Struktur. Dann öffnen sich wieder die „Kanäle“ für die gesunde Kraft/Wut und für das Empfangen und Geben von wahrer Liebe.
Verletzungen der Würde und Hass bei politischen Konflikten Geschult durch diese Beobachtungen bei familiären Konflikten, richten wir jetzt unseren Blick auf den politischen Konflikt zwischen Israel und Palestina, dann erkennen wir Parallelen. Könnte dies tiefere Verständnis auch hier Lösungen ermöglichen?
Die Juden, seit Jahrtausenden verfolgt und vernichtet – zuletzt durch den von Deutschen verursachten Holocaust – hatten den verständlichen Wunsch nach einer Heimat, nach einem Land, wo sie sich zuhause und sicher fühlen können. Daher wurde ihnen 1945 das Land Palestina von den damaligen Besatzungsmächten zugewiesen. In dieser Region, die in der Antike von Juden bewohnt wurde, war der jüdische Bevölkerungsanteil 1945 nur noch eine kleine Minderheit. Die Mehrheit, ca. 90% waren arabische Palestinenser, für die Palestina ihre Heimat war. Für sie war der Verlust der Heimatrechte – erzwungen durch die Übermacht von Israel und seinen Verbündeten (unter anderen vor allem die USA) – eine tiefe Verletzung ihrer Würde. Dieser Konflikt verschärfte sich über die Jahrzehnte, • durch den Zuzug vieler Juden nach Israel, die in anderen Ländern unterdrückt wurden. • Durch die ständigen Demütigungen der (islamischen) Ölstaaten durch Wirtschaftsimperialismus der USA. So kam es zu einer Solidarisierung zwischen den islamischen Staaten einerseits gegenüber der USA und ihrem Schützling Israel andrerseits. Der über Jahrzehnte angestaute Hass fand sein Ventil in Al Qaida. So kam es zur Terroraktion gegen die Twin-Towers.
Eskalation des Hasses Offensichtlich wurde 1945 von Israel und seien Unterstützung die Brisanz dieses Konfliktes nicht oder zuwenig erkannt. Das oben zitierte Grundrecht auch der palestinensichen Bevölkerung auf Würde wurde damals nicht respektiert, sondern grob verletzt. Wenn Palestinenser sich dagegen zur Wehr setzten, wurden sie wie Verbrecher verfolgt und getötet. So eskalierte der Teufelskreis von Verletzungen und Hass immer mehr. Gestern sah ich einen Fernsehbericht: palestinensische Kinder identifizieren sie mit dem Hass gegen die jüdischen Unterdrücker, und halten das selber für Liebe gegenüber ihren ermordeten Vorfahren. Ja ihre eigenen Mütter fordern von ihnen diese Haltung als Beweis ihrer „Liebe“. Wenn die wahre Liebe verschüttet wurde durch Leid und Verletzung, dann bleibt nur noch dieser Hass – als verwirrte Liebe – übrig.
Das Ausmass an Gewalt und Menschenverachtung auf beiden Seiten schockiert. Überwältigt von Mitgefühl – für die eine oder für die andere Seite – wird der Verstand gelähmt. Der zunächst lokale Konflikt ergreift auch andere, die nicht betroffen sind und droht zum globalen Flächenbrand zu werden. Und das zu einem Zeitpunkt, da bereits andere Krisen der Kontrolle entgleiten.
Daher mein Appell: Erinnerung an die unverlierbare Würde des Menschen, auf beiden Seiten!
Nur wenn wir selber bewusst sind unserer eigenen unverlierbaren Würde, können wir auch die Würde des Anderen erkennen und achten, selbst dann, wenn er durch Schmerz und Wut verwirrt ist. Diese Unterscheidung ist auch hier erforderlich. Der Terror kann nur dann erfolgreich bekämpft werden, wenn gleichzeitig die Würde der Unschuldigen geachtet wird, die Würde, die früher durch Macht-Missbrauch verletzt wurde.
So sieht es auch Daniel Barenboim. Dieser israelische Musiker hat sich schon immer für Verständigung eingesetzt. So hat er ein Orchester gegründet, in dem arabische und israelische Musiker nebeneinander am gleichen Notenpult sitzen. Seine kürzlich veröffentlichte Friedensbotschaft schliesst er mit de Worten:1) „Ich bin überzeugt: Die Israelis werden erst dann Sicherheit haben, wenn die Palästinenser Hoffnung spüren können, also Gerechtigkeit. Beide Seiten müssen ihre Feinde als Menschen erkennen und versuchen, ihre Sichtweise, ihren Schmerz und ihre Not nachzuempfinden.“
Missbrauch der Macht als Urtrauma Auch hier sehen wir das Urphänomen von Trauma wirksam: der Machtmissbrauch. Das Prinzip ist einfach und daher sehr wirksam. Die Mächtigen haben früher einmal ihre Überlegenheit benutzt, um die Macht des Stärkeren - also ihre eigene Macht - für legal zu erklären.
Diese eigene „Propaganda“ wurde aufrecht erhalten, und das damalige eigene Unrecht verschleiert und vergessen. Das war verwirrend für sie selber - und für die Anderen. Wenn die anderen dann Hass und Wut entwickeln und sich dagegen wehren, dann wurde ihnen eingeredet, sie seien im Unrecht. Die Mächtigen sind in dem (Irr-)Glauben, sie hätten das Recht, diesen Widerstand als Terror zu bezeichnen und mit drastischen Strafen zu unterdrücken.
Diese Verwirrung könnte man als Urtrauma bezeichnen, das verantwortlich ist für alle Konflikte und Krisen unserer Welt.
Das bisher ungenutzte Potential unserer natürlichen Intelligenz Wie klein sind wir angesichts der überwältigenden Grösse des Universums: https://youtu.be/OQrXakW1-JI?si=md9s6LXP5XHeuE9m Aber wieviel Intelligenz haben wir, um das zu erkennen und auf diese Weise anderen nahe zu bringen! Ist es nicht erschreckend, dass wir diese Intelligenz nicht dazu benützen, um kleinere und grössere Konflikte gerecht zu lösen? Offensichtlich ist bei diesen Themen unsere natürliche Intelligenz blockiert, durch ein ein erlerntes Wahrnehmungsverbot. Die Folge ist das, was wir als „vorauseilenden Gehorsam“ bezeichnen. Milgram hat durch seine bekannten Experimente gezeigt, dass von diesem Autoritätsgehorsam 2/3 der Bevölkerung betroffen ist.
Ist das der Grund dafür, dass wir uns nicht gegen den alltäglichen Missbrauch der Macht wehren? Nur wenn wir es wagen, unsere "natürliche Intelligenz" zu benutzen, können wir diese Verwirrung durchschauen. Dann können wir erkennen, wie überall die Mächtigen die gemeinsamen Ressourcen an sich reissen, um selber zu wachsen – auch wenn dabei andere zugrunde gehen, auch wenn die Zukunft des Planeten – und damit auch ihre eigene Zukunft! - gefährdet ist. Noch im allgemeinen Untergang glauben sie, Profite machen zu können. Ist das nicht die selbstzerstörerische Dynamik einer Krebsgeschwulst? Erst wenn wir unsere natürliche Intelligenz dazu benutzen, um diese schmarotzerhafte Strategien zu erkennen – bei anderen, aber auch bei uns selber – und als Macht-Missbrauch zu benennen, erst dann können wir diese Selbst-Zerstörung beenden, und die daran Beteiligten ächten als Verbrecher. Auch wenn sie ihr Verhalten verschleiern und behaupten, es nur gut mit uns zu meinen. Oder wenn sie uns einreden wollen, wir würden ja auch davon profitieren.
Vielleicht sind die aktuellen Krisen für dieses schmerzliche Erwachen erforderlich? Es gibt jetzt schon Gruppen, die sich für eine am Gemeinwohl orientierte Wirtschaft einsetzen.
Maika antwortet auf diesen Text am 6.10.24 Lieber Ero,
Das freut mich und es ehrt mich sehr, dass ich dazu inspirieren konnte. :-) Die ausgeführten Erläuterungen sind sehr anschaulich, nachvollziehbar und ermutigend für alle Betroffenen. Herzlichen Dank dafür, ich habe es auch schon auf dem YouTube Kanal gesehen.
Für mich (und sicher für viele andere Menschen) ist es ungemein wichtig: 1. Die Zusammenhänge in ihrer Entstehung und Dynamik zu erkennen und zu verstehen und 2. zu erfahren, dass und wie sich maladaptiv gespeicherte Trauma-Introjekte / "Programme" tatsächlich löschen lassen; und so eine wirkliche Änderung möglich ist, ohne immer wieder in alte leidvolle Schleifen zu geraten. Und dass jeder Mensch die Macht hat, es selbst zu tun, sich damit sozusagen selbst ermächtigt. Ein richtig gutes und würdevolles Gefühl! Das ist genau das Gegenteil von dem, was ich überall, auf fast jedem Gebiet, in der Gesellschaft beobachte - ein rigides Gehaltenwerden in Abhängigkeiten, was selbstverständlich und normal erscheint. Das fällt mir jetzt immer mehr auf...
Mein ganzes Leben habe ich nach diesen Zusammenhängen gesucht - ich wollte verstehen, was es ist und warum es so ist und wie ich es verändern kann. Und das auf eine möglichst wenig belastende und nachhaltige Weise. Schon früh habe ich mich umgeschaut in Märchen und Mythen, in der Philosophie, der Medizin, der Psychologie, der Spiritualität und einigem mehr. Ich habe zwei Therapien gemacht, darunter eine 4,5 jährige Psychoanalyse. Das hat mir zwar viele wichtige Erkenntnisse gebracht, aber keine brauchbare Lösung. Bei diesen frühen, komplexen und transgenerationalen Bindungsstörungen mit Erfahrungen von Missbrauch jeder Art, ist die innere Verwirrung zu groß und alles sehr mit dem eigenen Identitätsgefühl "verbacken" und durch entsprechende Folgeerfahrungen in dem Muster verstärkt, als dass man da alleine rausfinden könnte. Das Konzept SSI und schließlich die eigene gemeinsame Sitzung hat mir den Schlüssel in die Hand gegeben. Es war das Puzzlestück, das fehlte.
Jetzt fühle ich mich in der Lage, eine andere Sicht einzunehmen und die Dinge unterscheiden zu können (und mit Eigenerlaubnis zu dürfen!). Die Arbeit hört natürlich nie auf, doch jetzt habe ich andere Handlungsmöglichkeiten durch eine gute Orientierung in, mit oder besser aus mir selbst heraus. Ich bin glücklich darüber, einen eigenen psychischen Raum wirklich zu spüren, der klare und intakte Grenzen hat und sich dennoch flexibel anfühlt. Ihn "in Besitz" zu nehmen. Das ist ein Gefühl von PRÄSENZ im eigenen Körper, das gibt Kraft, vermittelt Stärke und es ist ein ruhiges, freudiges Empfinden - es fühlt sich an wie tiefer Frieden. Jetzt schäme ich mich nicht mehr für mein Sein und vermeintliches Versagen und fühle Dankbarkeit für und Freude an jedem Tag meines Lebens hier auf der Erde. Es ist sehr erleichternd, Kompensationsmechanismen nach und nach einstellen zu können, es fällt sogar recht leicht (manchmal braucht es etwas Übung und Dranbleiben). Die Motivation: Es wird Energie frei, die dann zur Verfügung steht.
Das alles ist natürlich noch neu - der Raum, der von wesensfremden Introjekten besetzt war, fühlt sich an, wie ein unbekanntes "weißes Land" - einerseits Abenteuer, andererseits verunsichert das auch erst einmal. Das ist der Preis, damit muss man rechnen, es ist für mich auch vollkommen logisch. Dieser freigewordene Platz will mit der eigenen Präsenz ausgefüllt werden. Da es neu für mich ist und ich keine Vergleichsvorstellung dafür habe, muss ich wohl vertrauen. Mir selbst, meiner Vitalität und meinem WAHREN SELBST, dass ich als eine Art "Bodenstation" für das HÖHERE SELBST verstehe. Jetzt ist mir auch klar, warum man sich nicht wirklich weiterentwickeln kann, bevor die mitgebrachte "Grundausstattung" nicht gesund "verkörpert" ist. Einfach genial!
Thema von ero langlotz im Forum Therapeuten-Austausch...
ZUR DYNAMIK FRÜHER BEZIEHUNGSSTÖRUNGEN Das Konzept der Selbst-integrierenden Stressorauflösung Ero Langlotz, 1.10.2023
I. EINFÜHRUNG I.1. Psychische Probleme und frühkindliche Traumen Es gibt inzwischen mehrere Untersuchungen, die nachweisen, dass bei bestimmten psychischen Störungen in der Anamnese statistisch gehäuft frühkindlichen Traumen zu verzeichnen sind.1 Für eine an den Ursachen orientierte Psychotherapie sind diese Daten sehr wertvoll. Denn lange Zeit waren diese Zusammenhänge den Therapeuten nicht bewusst, sodass nur eine Symptom-, bzw. Diagnosen-orientierte Therapie möglich war. Auch vielen Klient*innen ist dieser Zusammenhang zwischen einem akuten Problem (z.B. Angst, Depression, Sucht oder Beziehungskonflikt) und dem frühen Traumata auch heute noch unbekannt. Daher neigen sie dazu, sich selber für die eigenen Probleme verantwortlich oder sogar schuldig zu fühlen. Dadurch wird ihre meist schon vorhandene Selbst-Abwertung noch verstärkt, im Sinne eines Teufelskreis.
I.2. Systemische Selbst-Integration (SSI) und frühkindliche Traumen Die von uns entwickelte Aufstellungs-Methode der SSI basiert auf einem systemischen Konzept, welches das Symbiosemuster versteht als eine Blockade der gesunden Autonomie-Entwicklung durch ein Trauma.2 Demnach erfordert Autonomie (Selbst-Bestimmung) eine klare Unterscheidung zwischen Ich und Nicht-Ich, als Folge die Fähigkeit eigene Grenzen wahrzunehmen und zu schützen, aber auch fremde Grenzen wahrzunehmen und zu respektieren. So kann ein eigener geschützter Raum entstehen, der offensichtlich erforderlich ist, um mit dem Eigensten, dem wahren Selbst verbunden zu sein. Damit geht einher das Bewusstsein von einem intrinsischen Selbstwert – im Unterschied zu einem extrinsischen Selbstwert, der durch Leistung oder Anerkennung von aussen entsteht. Dann kann sich die eigene Kraft auf gesunde Weise entfalten, um den eigenen Raum zu schützen, um eigene Ziele zu vertreten. Das Bewusstsein des eigenen Wertes macht es auch möglich, die bedingungslose Liebe eines Gegenübers anzunehmen – und zu erwidern. Dieses Selbst und die Entwicklung der eigenen Autonomie ist dem Kind als Potential mitgegeben. Um dies Potential zu aktivieren ist es allerdings erforderlich, dass Eltern sich liebevoll ihrem Kind zuwenden, dass sie ihrem Kind vermittel, dass es wert ist, wahrgenommen und geliebt zu werden, so wie es ist. Wenn das damals nicht möglich war, dann kann es heute durch den Prozess der SSI nachgeholt werden.
In der Realität von heute sind Eltern selber oft so belastet durch den Leistungsdruck unserer Gesellschaft, und zusätzlich durch eigene belastende Beziehungserfahrungen der Kindheit, dass sie ihren Kindern diese liebevolle Zuwendung nicht immer geben können – trotz bester Absichten. Dann erlebt ein Kind, dass seine „spontanen Gesten“, seine gesunden Lebensbewegungen abgelehnt werden, als habe es nicht das Recht, so zu sein, wie es ist. Durch rigide Erziehung zu vorauseilendem Gehorsam und Leistung wird die Entwicklung von Selbstwert und Abgrenzungsfähigkeit und damit auch die Autonomie-Entwicklung blockiert. Ein Kind – angewiesen auf die körperliche und seelische Fürsorge der Eltern – entwickelt dann Anpassungsstrategien, um überleben zu können. Es tendiert dazu, • die eigene Lebendigkeit zu unterdrücken – um sich vor Verletzungen zu schützen, oder um für andere wertvoll zu sein - • und sich nach den Ansichten, Bedürfnissen und Erwartungen anderer zu orientieren, um sich als zugehörig oder sogar als wertvoll für die anderen fühlen zu können.
Wenn sich Selbstwertgefühl und das Bewusstsein, eigene Grenze wahrzunehmen und zu schützen, nicht entwickeln können, dann bleibt den Betroffenen – als Kompensation – nur das Symbiosemuster: Anpassung, sich benutzen lassen – oder andere zu benutzen. Mit Hilfe des Aufstellung-Settings können der Klient*in diese bisher unbewussten Zusammenhänge sichtbar gemacht werden (diagnostische Funktion). Sie erkennt, dass sie das Trauma von damals als Introjektion in ihrem inneren Raum so gespeichert hat, dass es heute noch ihre Verbindung zum Selbst blockiert. Diese Erkenntnis weckt den Impuls, die Introjekt zu entfernen, um die Mitte des eigenen Raumes wieder frei zu machen für ihr Selbst. Wenn sie es wagt, trotz innerer Verbote das Trauma-Introjekt zu entfernen und abzugrenzen, dann wird sie dafür „belohnt“ durch die bisher unbekannte Erfahrung von Freiheit durch Selbst-Verbindung. Das Trauma-Introjekt erweist sich als reversibel! Das Aufstellungs-Setting ermöglicht ein „Probehandeln“. So kann eine Klient*in ihre Autonomie durch gezielte Interventionen trainieren (therapeutische Funktion).
I.3. Das Format „blockierendes Element“ Wenn eine Klient*in ein Problem (Anliegen) hat, und einen Zusammenhang mit einem frühen Trauma vermutet, dann kann durch die Aufstellung dieses bekannte Trauma aufgestellt und bearbeitet werden. Wenn die Klient*in danach keine Erleichterung spürt, ist es möglich, eine weitere, oder mehrere Belastungserfahrungen zu klären – nicht immer mit der erwünschten Wirkung.
Daher entwickelten wir ein neues Format: das „Aufstellen des blockierenden Elements“. Ausgehend von unserer Erfahrung, dass ein Trauma-Introjekt die Selbstverbindung blockiert, sodass dadurch noch heute Probleme entstehen, nahmen wir an 1. Wenn die Klient*in mit ihrem Selbst verbunden ist, kann es gar kein ernstes Problem geben. 2. Wenn sie jetzt ein ernstes Problem hat, dann kann das so verstanden werden, dass durch die aktuelle Situation ein ganz bestimmtes altes Trauma so getriggert wurde, dass es ihre Selbstverbindung so blockiert, dass dieses Problem auftritt. 3. Wenn es durch die Aufstellung gelingt, dies konkrete Trauma zu erkennen und zu benennen, dann kann dies Introjekt anschliessend auf die bewährte Art so entfernt und abgegrenzt werden, dass es nicht mehr getriggert werden kann und das Problem verschwindet.
Die Vorgehensweise ist einfach; • die Klient*in stellt mit Klötzchen sich und ihre Selbstanteile auf und dazu einen Würfel für das, was ihre Selbst-Verbindung gerade blockiert. • Sie entfernt das „blockierende Element“ (BE) aus ihrem Raum, grenzt diesen durch das Symbol einer Grenze ab, und legt das BE jenseits dieser Grenze. • Sie legt einen Finger auf den Würfel (BE), und spürt, ob ein Gefühl, ein Bild, eine Person oder eine Situation auftaucht. Erstaunlicherweise ist es so fast immer möglich, das spezifische Trauma zu erkennen und zu benennen, das für die aktuelle Problematik verantwortlich ist, und es in der gleichen Sitzung zu bearbeiten.
Dieses Format erwies sich als unerwartet hilfreich, • da dadurch Traumen ins Bewusstsein geholt wurden, die der Klient*in vorher gar nicht präsent waren: Erfahrungen von Abwertung – auch in der Schule! – und Gewalt, frühe Verluste. • Auch Geburtstraumen oder vorgeburtliche Traumen (Abtreibungsversuch oder Zwillingsverlust) tauchten auf. • Bisweilen waren es auch übernommene Traumen einer geliebten Bezugsperson, z.B. einer Grossmutter.
Verblüffend war immer wieder, wie die Symptomatik der Klient*in, oder die Besonderheit der aktuellen Situation den Aspekten des damaligen Traumas entsprachen. Wir verstehen das als eine indirekte Bestätigung dafür, dass dies Trauma tatsächlich für das aktuelle Problem relevant war. Der Lösungsprozess war häufig sehr emotional war. Die Wucht der bisher unterdrückten und nun befreiten Gefühle von Schmerz, Verzweiflung Scham, aber auch Wut und Hass war für uns sehr bewegend. Der Klient*in ging es nach der Aufstellung meist deutlich besser. Auch im Autonomie-Diagramm zeigte sich die Entlastung durch die Bearbeitung dieses Traumas.
II.Trauma-Aufstellungen mit Symbolen (farbige Klötzchen)
II.1. Covid-Pandemie – eine Chance! Durch Covid waren Präsenz-Aufstellungen unmöglich geworden. Früher untersuchten wir belastende Beziehungen durch Aufstellungen in Präsenz, einzeln oder in Gruppen.3 Als Repräsentanten für Familienmitglieder und Selbst-Anteile verwendeten wir Teilnehmer und Steine für ein übernommenes schweres Schicksal. In Einzelsitzungen vertraten Stühle die Personen und farbige Kissen die bisher abgespaltene Selbst-Anteile.
Online erfolgen die Sitzungen einzeln – für die Betroffenen bedeutet das weniger Aufwand und weniger emotionale Belastung. Und farbige Spielzeug-Klötzchen aus Holz in unterschiedlichen Formen haben sich hervorragend bewährt, da sie als Symbole für alle Elemente des Trauma-Geschehens geeignet sind.
So symbolisieren wir • den Fokus (das „Alltags-Ich“) durch einen roten Quader, • die eventuell abgespaltene Selbst-Anteile: „wahres Selbst“ durch einen gelben, das kindlich-vitale Selbst durch einen grünen Quader, • eigene frühe belastende Erfahrung (Trauma) durch einen roten Würfel.
Bei der symbolischen Rekonstruktion des Überlebensprogramms kommen weitere Symbole dazu: • für die beteiligten Bezugspersonen: blaue Quader, und für deren Schicksale (deren Traumen): blaue Würfel.
Die durch Covid erzwungene Umstellung auf Online-Aufstellungen mit Symbolen ermöglichte ungeahnte Einblicke in die Dynamik dieser Phänomene, sodass neue und rasch wirksame Lösungsstrategien entstanden. Gleichzeitig hatten wir immer mehr Klient*innen mit massiven aktuellen Problemen. Über das Format „Blockierendes Element“ zeigten sich dann frühe Beziehungsstörungen: unter anderem emotionale Vernachlässigung, Abwertung, emotionaler Missbrauchs und seelischer und körperlicher – auch sexueller – Gewalt. Meist handelt es sich um Folgen eines immer noch sehr verbreiteten autoritären Erziehungsstils zu Gehorsam und Leistung, kombiniert mit den Auswirkungen familärer Traumata („Kriegs-Kinder und -Enkel“). Diese beiden Aspekte finden wir meist kombiniert. Ihre Auswirkungen (Traumafolgestörungen) sind weitgehend identisch, bzw. summieren sich.
Anfangs waren wir davon überrascht, wie häufig diese frühen „Beziehungstraumen“ sind. Die ursächliche Rolle dieser frühen Verletzungen für massive Probleme des Erwachsenen hat sich uns immer wieder bestätigt. Uns scheint, dass sie die Ursache fast aller Selbstwert- und Beziehungs-Probleme der Klient*innen sind – und dass den Betroffenen dieser Zusammenhang bis vor Kurzem nicht bewusst war.
Diese Erfahrungen veranlassen mich, unsere Beobachtungen und Überlegungen zu den frühen Beziehungsstörungen zusammenfassend darzustellen.
II.2. Das Aufstellungsbild Eine Klient*in benennt ein Trauma und stellt dazu spontan die Symbole auf: den Fokus und ihre Selbstanteile und das Trauma – nach ihrem inneren Gefühl. Das so entstandene Aufstellungsbild macht eine innere Befindlichkeit sichtbar, die den Betroffenen bisher unbewusst war, und die sie daher auch nicht mit Worten benennen konnten. Dies Bild zeigt fast immer, dass ein eigenes Trauma die Mitte des eigenen Raumes einnimmt, sodass dadurch die Verbindung zwischen dem Fokus und den eigenen Selbstanteile („wahres“ und „kindlich-vitales“ Selbst) mehr oder weniger beeinträchtigt wird. Dieses Aufstellungsbild macht eindrucksvoll sichtbar, wie ein frühes Trauma damals als Introjektion4 , das heisst maladaptiv gespeichert wurde, sodass es heute noch die Verbindung zwischen Fokus und Selbstanteilen – und damit deren Zusammenspiel – mehr oder weniger blockiert. So wird der Klient*in bewusst, dass sie (ihr Fokus) sich mehr nach dem Trauma von damals orientiert, als nach den eigenen Selbst-Anteilen. Das ist für sie eine plausible Erklärung für ihre aktuellen Probleme.
II.3. Maladaptiv gespeichert Das bedeutet, dass das Trauma zusammen mit dem damals entwickelte Anpassungsprogramm so gespeichert wurde, dass es dem Bewusstsein nicht zugänglich ist. Ja mehr noch: es wurde so gespeichert, dass bereits das Bewusstwerden dieses Programm, noch mehr dessen Veränderung als gefährlich und daher als verboten erlebt werden. Gespeichert wird das Trauma im limbischen System – einem entwicklungsgeschichtlich frühen Gehirnabschnitt. Daher kann man das Trauma-Programm verstehen als ein sehr archaisches und daher starres Schutz-Programm – damals ausgelöst durch eine existentielle Bedrohung des Kindes – um es vor einer erneuten Belastung zu schützen. Sobald dies Programm heute durch äussere Reize – die an das damalige Trauma erinnern – getriggert wird, werden existentielle Ängste ausgelöst. Diese bewirken eine Vermeidung solcher Situationen, um eine Wiederholung der damaligen Belastungserfahrung zu vermeiden. Starr ist dies Programm, weil dadurch der Klient*in noch heute ein Verhaltensprogramm der frühen Kindheit aufgezwungen wird, obwohl sie schon lange nicht mehr das hilflose und schwache Kind von damals ist. So bleibt die Klient*in in einem emotionalen Zustand von Angst, Schwäche und Hilflosigkeit gefangen, der zugleich die Folge ihres Überlebensprogramm ist, und zugleich der Grund dafür, warum bisweilen panische Ängste entstehen, wenn sie versucht, sich NICHT nach diesem Programm zu orientieren. Viele Klient*innen schämen sich für ihr als inneren Zwang erlebtes unangepasstes (maladaptive) Verhalten, werten sich selber dafür ab und entwickeln kompensatorische Strategien, um es zu verbergen – vor anderen und auch vor sich selber – um zumindest den Anschein zu erwecken, erwachsen und selbstbewusst zu sein.
II.4 Komplexe Dynamik Nach unseren Beobachtungen wird die damals erlebte Belastung zusammen mit den dazugehörigen Gefühlen (Ohnmacht, Angst, Wut) einer existentiellen Bedrohung abgespeichert. Einerseits werden diese Gefühle verdrängt, um sie nicht ständig spüren zu müssen. Andrerseits sind sie aber latent präsent – und können ja auch durch aktuelle „Reize“ getriggert werden. Daher erlebt die Klient*in diese Belastungen von damals auch heute noch als wirksam, als latent bedrohlich – obwohl sie in der Realität schon lange vorbei sind und sie selber inzwischen erwachsen ist. Sie erlebt das Trauma von damals als Teil ihrer Identität von heute. Wichtig: Dadurch ist die Orientierung der Klient*in hinsichtlich Unterscheidung zwischen damals und heute massiv gestört, das sichere Gefühl für eine Grenze zur Vergangenheit ist verloren gegangen. Daher gehört es zum Programm der SSI, die Wahrnehmung für die Grenze zur Vergangenheit gezielt zu trainieren durch die „Gegenabgrenzung“. Diese illusionäre Präsenz des Traumas und das damit verbundene Gefühl einer Bedrohung auch heute noch, zwingt die Betroffenen dazu, unbewusst an den alten Überlebensstrategien von damals festzuhalten. Zumal sie sich so daran gewöhnt hat, dass sie überzeugt ist, auch sie wären ein Teil ihrer Identität. Diese beiden illusionären Überzeugungen, das Trauma und die Überlebensstrategien seien Teil ihrer Identität, bedingen sich gegenseitig und verstärken sich noch.
II.5. Lässt sich dies maladaptive „Zwangs“-Programm löschen? Aus den gerade genannten Gründen erscheint es den meisten Betroffenen – und den eventuell selber traumatisierten Therapeut*innen? – unmöglich, diese alten Traumata zu löschen – getreu dem Motto: „Die Amygdala vergisst nicht!“ Dann kann Traumatherapie nur als „Extinctionslernen“ praktiziert werden, d.h. d.h. dass eine neue Erfahrungsspur kreiert wird, neben der die alte weiterbesteht und in Konkurrenz zu ihr. .5 Thomas Hensel beschreibt demgegenüber in seinem gerade zitierten Buch ein neues Prinzip der Traumatherapie, welche die neueren Beobachtungen der Gedächtnisforschung zur Rekonsolidierung berücksichtigt, der angeborenen Fähigkeit des Gehirns, gespeicherte Trauma-Inhalte („Stressoren“) zu löschen. Allerdings muss dieses Potential durch eine spezielle Abfolge von Interventionen aktiviert werden. Das nennt er den Lösungs-Algorithmus.
Hensel selbst verwendet EMDR, in seinem Buch erwähnt er weitere Verfahren, welche die Fähigkeit zur Rekonsolidierung einbeziehen. Für mich war sein Konzept eine Bestätigung unseres Konzeptes. Obwohl unabhängig von Hensel entstanden, zeigt es erstaunliche Parallelen zur „Stressorbasierten Psychotherapie“. Daher hat auch unser Konzept in der 2. Auflage seines Buches einen Platz gefunden unter der Überschrift:
II.6. Trauma als reversible Introjektion Nach unseren Erfahrungen aus der Aufstellungsarbeit mit Beziehungsstörung war uns bekannt, dass eine solche Introjektion eines eigenen Traumas die Selbstverbindung blockiert. Und dass diese Introjektion reversibel ist.
Wir nahmen daher an, dass auch ein frühes Beziehungstrauma, das zusammen mit den Überlebensstrategien als Introjektion gespeichert wurde, als Ich-fremd erkannt und entfernt werden kann, sodass die Mitte des eigenen Raumes wieder frei wird für den eigenen Wesenskern, das eigene Selbst. Dann wird eine Orientierung an dem eigenen Wesenskern wieder möglich, durch das angeborene Selbstheilungspotential der Rekonsolidierung.
III. Innere Widerstände bei der Entfernung des Trauma-Introjektes
Allerdings zeigten sich sowohl bei der Entfernung des Trauma-Introjektes, als auch bei der anschliessenden Selbst-Verbindung typische emotionale Hindernisse in Form von Verboten, die wir als Auswirkungen des maladaptiv gespeicherten Überlebensprogramms verstehen. Sie werden im Folgenden genauer beschrieben. Erst das Verständnis und die Berücksichtigung dieser Hindernisse ermöglichte rasch wirksame Lösungsstrategien.
III.1. Maladaptiv gespeichertes Trauma und Trauma-Programm wird sichtbar Eine wesentliche Voraussetzung für die Entfernung dieses Trauma-Introjektes ist, dass die Klient*in durch die Aufstellung den Zusammenhang zwischen einem frühen Beziehungstrauma von damals – bzw. dem damals unbewusst entwickelten Überlebensprogramm – und ihren aktuellen Problemen von heute erkennt. Nicht selten spürt sie dabei bereits den Impuls, das blockierende Trauma-Introjekt von damals aus der Mitte ihres Raumes zu entfernen – trotz der immer noch vorhandenen Verbotsgefühle!
III.2 Entfernung des Trauma-Introjektes Wenn die Klient*in das Trauma-Introjekt aus der Mitte ihres Raumes herausstellt und durch das Symbol einer Grenze (Lineal) abgrenzt, spürt sie bereits eine Erleichterung - nicht selten jedoch gleichzeitig ein inneres Verbot. Bei genauerer Befragung kann sie dabei unterschiedliche Verbots-Aspekte wahrnehmen und benennen.
III.3. Abschied vom Leid fühlt sich verboten an Das eigene erlittene Leid verbindet die Klient*in emotional mit der beteiligten Bezugsperson – selbst dann wenn es von Gefühlen wie Angst, Wut oder Hass begleitet war. Diese unbewusste Bindung durch erfahrenes Leid kann sehr stark sein – „wie Pattex“. Wenn durch die kollektiven Traumata das Selbstwertgefühl – und damit die Fähigkeit, bedingungslose Liebe zu geben und zu empfangen – beeinträchtigt ist, dann ist eine Bindung durch gegenseitige bedingungslose Liebe oft gar nicht möglich. Dann wird dies Teilen des Leids oft als „Liebe“ missverstanden und sogar eingefordert. Das Distanzieren vom damals erlittenen Leid kann sich dann als egoistisch anfühlen, als Verrat an der Familie und deren Leid. Das kann heftige Schuldgefühle auslösen. Oder es entstehen Verlustängste, so als hätte man dann nicht mehr das Recht, dazu zu gehören.
III.4. Verlust der vertrauten Orientierung – so stressig sie auch war. Der Verzicht auf das eigene Trauma, um ein neues, am Selbst orientiertes Programm zu installieren, kann Menschen, die bereits unsicher sind, noch weiter verunsichern. Zahlreiche erlittene Enttäuschungen erzeugen oft eine Haltung von Skepsis und Abwehr gegen allem Unbekannte und Neue, bzw. eine Angst, die bisherige vertraute Orientierung zu verlieren, mit der man immerhin bisher sein Leben bewältigt hat – wenn auch mehr schlecht als recht. Hilfreich kann dann ein Appell sein, sich nicht nach dem verwirrten Gefühl zu orientieren, sondern an dem gesunden Verstand.
III.5. Rekonstruktion des damaligen Überlebensprogramm Als nächstes gibt das Aufstellungs-Setting der Klient*in die Möglichkeit, den Kontext zu ihrem damaligen Trauma zu symbolisieren: Dazu stellt sie neben ihren roten Trauma-Würfel einen blauen Quader für die beteiligte Bezugsperson und dazu einen blauen Würfel für deren meist sehr schweren Traumata. Diese Symbolisierung macht der Klient*in ihre emotionale Realität von damals bewusst. Und eine andere Realität kannte sie ja meist nicht. In dieser Realität – ohne Anerkennung und Wertschätzung – war es ihr unmöglich, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Aber sie wollte überleben, und dazu musste sie sich an diese verletzende Realität anpassen. Diese Anpassung erfolgt nach einem stereotypen Muster. Dabei übernehmen die beiden Selbstanteile – das kindlich-vitale Selbst (symbolisiert durch einen grünen Quader) und das Alltags-Ich den Fokus (roter Quader) – unterschiedliche Strategien.
Unterdrückung und Leugnung der eigenen Lebendigkeit Wenn eine Klient*in als Kind Verletzungen des Selbstwertes erlebt, dann belastet das seine Lebendigkeit. Wenn ihre Spontaneität und Lebendigkeit von der Bezugsperson wiederholt abgewertet oder unterdrückt wurde, dann tendiert eine Klient*in dazu, ihre Lebendigkeit, ihr kindlich-vitales Selbst vorauseilend zu unterdrücken und zu verleugnen – um sich vor weiteren Verletzungen zu schützen. Bzw. um die bereits belastete Bezugsperson zu schonen. Um das zu überprüfen, legt sie ihr kindlich-vitales Selbst vor den eigenen roten Traumawürfel und packt dann diesen Traumawürfel auf das liegende vitale Selbst drauf. Wenn sich das für sie bekannt anfühlt, dann kann sie auch noch das Trauma der Bezugsperson (blauer Würfel) auf das eigene Trauma legen, und nachspüren, ob ihr vertraut ist, dass auch das Schicksal der Bezugsperson ihre Lebendigkeit belastet hat? Selbst wenn die Bezugsperson ihr Trauma nie benannt hat, ein Kind ahnt das Trauma der Bezugsperson aufgrund deren emotionaler Überreaktionen, wenn es unbeabsichtigt durch sein eigenes Verhalten dieses Trauma getriggert hat. So lernt es seine eigenen spontanen Impulse zu kontrollieren und zu unterdrücken, um sich vor solchen Reaktionen zu schützen, oder auch um diese belastete Bezugsperson zu schonen.
Magisch-Grandiose Überlebensstrategie Als nächstes stellt die Klient*in ihren Fokus auf den Turm aus Vitalem Selbst und den beiden Würfel, die das eigene und das fremde Trauma symbolisieren. Die Klient*in fühlt sich meist erleichtert. Sie hat die Illusion von Überlegenheit. Dieses symbolische Konstrukt bezeichnen wir als Trauma-Konglomerat. Es hat mehrere Bedeutungsebenen. Indem sie ihre eigene Vitalität verleugnet, und das eigene und das fremde Trauma zur Grundlage ihres Selbstbildes macht, geht sie auf eine höhere Ebene (rationale oder spirituelle Ebene, Fantasiewelten oder auch Dissoziation) um die eigenen Gefühle und Bedürfnisse, den eigenen Schmerz, Verzweiflung und Wut nicht mehr zu spüren. Statt ihre Wahrnehmung nach innen zu richten, tendiert sie dazu, ihre Wahrnehmung einseitig nach aussen zu richten, um die Gefühle und Bedürfnisse der Bezugsperson besser wahrnehmen zu können, um sich so wertvoll zu fühlen für diese Bezugsperson. Damit verbunden ist eine Tendenz zu Perfektionismus. Meist ist der Klient*in auch das vertraut. Das heisst, ihr Fokus geht damit in eine magisch-grandiose Haltung, Das damit verbundene illusionäre Selbstwertgefühl ist jedoch brüchig, schwankend zwischen Selbst-Überhöhung und Selbst-Abwertung. Wenn sie realisiert, dass sie die selbst gesteckten Ziele gar nicht erreichen kann, fühlt sie sich schlecht und wertet sich ab. Die durch das Trauma-Introjekt bedingte fehlende Verbindung und Zusammenarbeit von Fokus und vitalem Selbst wurde bereits im Aufstellungsbild deutlich. Jetzt wird sichtbar, wie diese beiden Selbstanteile im Überlebensprogramm gegeneinander arbeiten. Das erklärt der Klient*in ihre bisherige innere Zerrissenheit, ihren inneren Stress.
III. 6. Widerstände bei Löschung der Überlebensprogramme Auch bei der Distanzierung zu den noch heute wirksamen Überlebensstrategien von damals spürt eine Klient*in regelmässig mehr oder weniger ausgeprägte innere Widerstände. Die Abgrenzung gegenüber der Haltung der Selbstverleugnung, vor allem die Abgrenzung zu der magisch-grandiosen Haltung fällt bisweilen sehr schwer. Wenn die Klient*in achtet, dass diese Haltung für ihr Überleben als Kind wirksam war, und dass sie dadurch auch im Beruf Anerkennung bekam, dann kann sie mit mehr Überzeugung das Symbol für diese grandiose Strategie stoppen. Umso mehr, wenn sie realisiert, dass die Anerkennung auf sie wie eine Droge wirkt, die nicht satt macht, aber süchtig macht nach mehr. Da der erforderliche Energie-Aufwand durch das meist kärgliche Honorar nicht ausgeglichen wurde, musste sie nicht selten für diese Droge noch bezahlen mit Erschöpfung und Burnout.
IV.1. Innere Widerstände bei der Verbindung mit dem wahren Selbst Nachdem sich die Klient*in von Trauma und Überlebensstrategien abgegrenzt hat, ist die Mitte ihres Raumes nun frei für ihr wahres Selbst. Obwohl wir bei allen Klient*innen eine tiefe Sehnsucht zu diesem wahren Selbst erleben – das ja erst die Selbst-Verbindung ein Gefühl von Selbstwert geben kann – gibt es gleichzeitig teilweise massive innere Widerstände gegen diese Verbindung mit ihrem Selbst. Für den Prozess ist es daher wichtig, dass die Klient*in und ihre Begleiter*in diese Widerstände kennen und verstehen um die Selbstverbindung zu ermöglichen.
IV.2. Abwertung oder Ablehnung durch die Bezugsperson Wenn bereits die Bezugsperson die Klient*in als Kind abgewertet oder abgelehnt hat, da unerwünscht, oder zu früh, oder vom „falschen“ Partner, oder verbunden mit einem Geburtstrauma, dann übernimmt die Klient*in oft diese abwertende Sichtweise der Bezugsperson, um bei dieser überleben zu können. Als Lösung hilft oft eine einfache symbolische Handlung: Die Klient*in streift die negativen Projektionen der Bezugsperson – deren „Brille“ – die sie übernommen hatte, und blickt nun mit ihren eigenen Augen zu ihrem wahren Selbst. Dabei erkennt sie, dass es an ihm „nichts auszusetzen gibt“.
IV.3 Selbstverleugnung als Überlebensstrategie Wenn die Klient*in sich im Lösungsprozess bewusst wird, dass sie ihr Selbst unterdrückt und verleugnet hat, dann spürt sie den damit verbundenen Schmerz, und kann das in einem symbolischen Dialog ihrem Selbst mitteilen.
IV.4 Irrtümliche Selbst-Beschuldigung Wir verstehen die Probleme einer Klient*in als Folge des damaligen Traumas, bzw. als Folge der damals entwickelten Überlebensstrategien. Der Klient*in selber sind diese Zusammenhänge oft unbekannt. Nicht selten hat sie jahrelange Therapien macht, die ihr zwar helfen, das eigene „maladaptive Verhalten“ deutlicher zu erkennen, als zuvor. Aber wenn die eigentlichen Ursachen – ihrer frühe Beziehungstraumen – gar nicht berücksichtigt und bearbeitet wurden, dann konnte sie ihr Verhalten gar nicht ändern. Häufig schämt sie sich für dies eigene „Versagen“, bzw. beschuldigt sich selbst, als wäre nur sie Schuld an ihren Problemen – zumal ihr das ja seit ihrer Kindheit eingeredet wurde. Für die Löschung des Trauma-bedingten Überlebensprogramm ist das jedoch fatal, da die einzige Alternative, ein Selbst-orientiertes Lebensprogramm ja dann unmöglich wird, wenn sie selber dies Selbst irrtümlich für ihre Probleme verantwortlich gemacht hat. Dann wird das maladaptive Überlebensprogramm zu einer lebenslangen „Falle“. Die Einsicht in diese Zusammenhänge ist sehr schmerzlich. Bisweilen wollen Betroffene diesen Schmerz nicht ertragen – das Festhalten an ihrem bisherigen Stressprogramm erscheint ihnen dann weniger schmerzlich. Aber erst das Zulassen dieses Schmerzes öffnet die Türe zu dem eigenen wahren Selbst. Wenn die Klient*in ihrem Selbst in einem Dialog diesen Irrtum und ihr Bedauern ausspricht, dann kann sie selber spüren, dass ihr Selbst sie deswegen nicht ablehnt, sondern im Gegenteil, dass es eine bedingungslose Liebe zu ihr hat. Unabhängig davon, was sie leistet oder was andere von ihr denken. Sie muss noch nicht einmal brav oder gehorsam sein!
Wenn die Klient*in das erkennt, dann bedarf es nur noch einer symbolischen Verneigung vor ihrem wahres Selbst – als Ausdruck der Achtung – um danach die Verbindung mit diesem Selbst zu spüren. Manche haben früher schon das Glück dieser Selbstverbindung geahnt oder erlebt – in der Natur, im Ausland, fern von daheim, oder in der Meditation. Es ist ihnen also nicht ganz unbekannt – aber es ging immer wieder verloren.
V. Endlich am Ziel: Die Verbindung mit dem Selbst Für die meisten ist diese Verbindung sehr befreiend und beglückend. Bisweilen hat es sogar einen quasi religiösen Charakter. C.G. Jung nannte ja das Selbst den göttlichen Funken in uns“!
Um diese neu gewonnene Verbindung aufrecht zu halten bedarf es jetzt der genauen Unterscheidung zwischen dem, was zu diesem Selbst passt – und dem was inkompatibel ist, und daher abgegrenzt werden muss. Diesem Unterscheidungsprozess (Differenzierung! Bowen!) werden daher im weiteren Prozessverlauf alle Elemente des Überlebensprogramms unterzogen. Mit dieser Wahrnehmungs-Schulung für Grenzen stabilisiert sich die eigene Struktur. Die Verwirrung lässt nach. Die Resilienz gegenüber neuen Belastungen wächst messbar. Und vor allem: mit der wachsenden Selbst-Verbindung stellt sich wieder ein gesundes Selbstwertgefühl ein. Und damit das Bewusstsein, seine Kraft gesund für sich selber einzusetzen. Und die Betroffene kann wieder Liebe annehmen – und selber verschenken. Das Herz, dass durch die vielen Verletzungen verschlossen hat, kann sich wieder öffnen.
Anliegen: Maika möchte sich selbständig machen, spürt dabei innere Hemmungen.
Aufstellung: Als "blockierende Elemente" wird das Beziehungstrauma der kleinen Maika sichtbar und dann ein noch früheres Verlusttrauma: der verlorene Zwilling. Ein sehr bewegender und fröhlicher Befreiungsprozess. Die vital-emotionale Maika kann überholte Überlebensprogramme entdecken und löschen, bis sie zu ihrer alten - neuen - Kraft findet.
27.9.23 Rückmeldung Maika Drei Wochen sind nun vergangen seit der Sitzung und ich möchte gern eine Rückmeldung dazu geben. Es war eine Erfahrung, wie ich sie in dieser Weise vorher noch nicht gemacht hatte. Direkt nach der Sitzung hatte ich ein inneres Wohlgefühl, Energie und einen Klarblick - an diesem Tag habe ich viel Aufgeschobenes ganz leicht erledigen können. Habe beobachtet, dass ich wie von alleine gerade sitze und gerade laufe und hatte tagelang den Drang, in der Natur barfuß zu laufen - als würde sich mein Nervensystem neu konfigurieren wollen. Habe ich auch gemacht, hat sehr gut getan, behalte ich bei. 2)
Dann, in den nächsten Tagen, kam eine Kurve nach unten, danach pendelte es noch hin und her. Enorm viele Szenen aus meinem Leben tauchten auf, die ich vergessen hatte - ich kam an Gefühle der Traurigkeit und Wut und noch einiges mehr, die ich dann versucht habe, einfach zu beobachten und durchlaufen zu lassen, in dem Vertrauen, dass sie auch wieder vergehen. Was auch so war. 3)
Dabei fiel mir auf, dass eine Gefühls-Konglomerat fehlte: Gefühle, die mich unterschwellig mein ganzes Leben begleitet haben bisher. Gefühle der „inneren Verwahrlosung und Obdachlosigkeit“, das Gefühl mich aufzulösen, nicht vorhanden zu sein (was ich ständig kompensieren musste) war weg! Ich erkannte, dass dieses nicht meine eigenen Gefühle waren, sondern die von meiner Mutter übernommenen (aus ihren schweren traumatischen Erfahrungen als kleines Kind durch Flucht, Vertreibung und massiven Verlust.)
Das alles ist enorm erleichternd! Ich habe mich immer gewundert, warum ich durchgängig diese Grundgefühle hatte, da ich solch eine Vernachlässigung nicht selbst erlebt habe. Jetzt kann ich es mir erklären. Wichtig dafür war die Erlaubnis in der Sitzung, alles Wesensfremde Loslassen zu dürfen. Ebenso der Satz: „Du hast die Kraft und das Recht dazu“ war enorm wichtig! Vermutlich hängt damit auch zusammen, dass sich mein ewig begleitender Ganzkörper-Schmerz sehr vermindert hat und immer mehr abnimmt. Mein Schlaf ist ebenfalls ruhiger geworden. 4)
Auch wurde mir bewusst, dass ich nicht sehr wohlwollend und gütig mit mir umgegangen bin, sogar Selbsthass-Tendenzen hatte. Das war mir bis dahin auch nicht klar. Damit kann ich jetzt arbeiten. Alles in allem fühle ich mich lebendiger, präsenter und übe mich im gesunden Abgrenzen und Gefühlen der Verbundenheit. 5)
Das ist herausfordernd, da mein (familiäres) Umfeld irritiert reagiert, aber ich bleibe da jetzt dran und sorge für mich. Authentizität fühlt sich viel besser und richtiger als dieser ewige „Eiertanz“ der symbiotischen Verstrickung und die ungute Loyalität mit dem Leid anderer. 6)
Die ganzen Sätze aus der Aufstellung kommen mir in den verschiedenen Situationen direkt in den Sinn und bestärken mich dabei. Es ist, als würde ich eine neue Maika kennenlernen und bin gespannt, was sich da in der nächsten Zeit so zeigt. Mein Grundspannungspegel und die unterschwellige Dauerangst sind jedenfalls weniger gewordenen, mein Leben fühlt sich leichter an. Manchmal bin ich noch etwas ungläubig, dem Ganzen gegenüber und dann mache ich eine tiefe Verbeugung vor meinem WAHREN SELBST, muss lächeln und gehe weiter… 7)
Kommentar Ero Langlotz 28.9.23 Maika kann die subtilen Veränderungen ihrer Befindlichkeit sehr präzise wahrnehmen, und – was gar nicht selbstverständlich ist! - auch sehr gut in Worte fassen. Hier meine Kommentare zu den einzelnen Abschnitten:
1) Das Autonomie-Diagramm zeigt vor der Aufstellung eine erhebliche Einschränkung der Autonomie. Diese eingeschränkte Selbst-Verbindung ist die Folge unverarbeiteter Belastungen. Das positiven Veränderungen des Autonomie-Diagramms bereits 3 Wochen nach der Aufstellung zeigen, dass die damaligen Belastungen nun so verarbeitet sind, dass die Selbst-Verbindung der Kientin weniger eingeschränkt ist.
2) Maika beschreibt hier die beglückenden Aspekte einer besseren Selbst-Verbindung, die sie unmittelbar nach der Aufstellung erlebt hat. Diese neue Selbst-Verbindung ermöglicht ihr eine Unterscheidung zwischen dem Eigenen und den fremden, ja toxischen Trauma-Aspekten von damals, die sie bisher irrtümlich als zu ihrer Identität gehörig abgespeichert hatte.
3) Als nächstes beschreibt Maika eine Phase, die wir als „Erst-Verschlimmerung“ bezeichnen. Dass nun die damals unterdrückten und abgespeicherten Gefühle von Angst, Schmerz und Wut noch einmal gespürt werden können ist zwar nicht angenehm, aber es zeigt, dass das damalige Überlebensprogramm – Unterdrückung und Verleugnung der eigenen Gefühle und Bedürfnisse – erfolgreich gelöscht wurde.
Wir empfehlen den Klient*innen in dieser Situation, „drei Schritte zurück zu gehen, in eine Beobachter-Position“. Im Bewusstsein, dass sich diese bisher unbewusst gespeicherten Trauma-Aspekte – „die Gespenster von damals“ - verabschieden, ohne dass dabei etwas Wesentliches verloren geht.
4) Bemerkenswert wie Maika hier ein von der Mutter übernommenes Trauma mit den dazu gehörigen Gefühlen beschreibt, das sie jetzt als ich-fremd erkennt, sodass sie sich davon abgrenzen kann.
Wir beobachten in traumatisierten Familien sehr häufig, dass eine emotionale Bindung zu den Bezugspersonen durch das Übernehmen („teilen“) von deren Leid geschieht, und häufig als „Liebe“ missverstanden wird. Das kann als Kompensationsversuch verstanden werden, da eine Bindung durch die bedingungslose (“wahre“) Liebe oft nicht möglich ist, da die (erworbene) Selbstabwertung der Betroffenen deren Liebesfähigkeit blockiert.
5) Hier erkennt Maika ihre eigene Selbstabwertung, die sich bis zum Selbsthass steigern kann.
Das damalige Überlebensprogramm mit den beiden Aspekten Selbstverleugnung und z.T. grandioser Selbst-Überforderung wird so gespeichert, dass den Betroffenen der Zusammenhang mit den damaligen Belastungen nicht bewusst ist. Daher neigen sie dazu, sich selbst für die Folge-Probleme schuldig zu fühlen und abzuwerten – zumal ihnen das auch von der Umwelt suggeriert wird. Eine bessere Alternative zu diesem Trauma-bestimmten Programm wäre ein Selbst-bestimmtes Programm, das sich orientiert am eigenen Selbst. Wenn nun die Betroffenen – irrtümlich – sich selbst, ihr eigenes Selbst für die Probleme verurteilen, dann ist diese Lösung blockiert. „Die Falle klappt zu“.
6) Indem Maika beginnt, ihr Symbiosemuster zu erkennen und zu lösen, bemerkt sie, wie sich ihre Beziehungen zu den Familienangehörigen verändern, die bisher durch dies Symbiosemuster geprägt waren. Das kann kann diesen Veränderungsprozess sehr schmerzhaft machen. Abschied – in jeder Hinsicht, nicht nur von alten Mustern – ist immer sehr schmerzlich. Aber der Schmerz ist ein „gesunder Schmerz“, und er wird gelindert durch die Chance, nun selbstverbundener und authentischer sein zu können. Das Überlebensprogramm bestimmt nicht nur Selbstbild, Erleben und Verhalten der Betroffenen. Es bestimmt auch Partnerwahl und die späteren Beziehungen, da die Betroffenen das Beziehungsmuster ihrer Kindheit anwenden – emotionales Benutzt-werden und benutzen.
7) Diese Neue Lebendigkeit ist jedoch noch unbekannt, sie ist nicht kontrollierbar. Vertraut war bisher die Erstarrung im Symbiosemuster mit der Illusion von Harmonie und Berechenbarkeit. Da kann dann die neu erworbene Freiheit und Unberechenbarkeit zunächst auch Angst machen – daher der berechtigte Slogan: „Das Leben ist nichts für Feiglinge“.
Thema von ero langlotz im Forum Therapeuten-Austausch...
Eine kurze Einführung in die Systemische Selbstintegration nach Langlotz
Dr. phil. Philipp Kutzelmann Einleitung: Eine systemische Therapie für das innere System des Menschen Die Systemische Selbstintegration nach Langlotz ist ein lösungsorientiertes Kurzzeitverfahren, das Elemente aus den systemischen Aufstellungen, der Gestalttherapie und verschiedenen Abgrenzungs- und Ablösungsrituale kombiniert, um die Autonomieentwicklung des Klienten zu unterstützen und um mehr Selbstbestimmung zu initiieren. Im Kern der Methode liegt die Beobachtung, dass jeder Mensch stets in zwei grundlegende Beziehungen eingebettet ist: Die Beziehung zu seiner Außenwelt und seine Beziehung zu sich Selbst. Gelingt es uns diese beiden Pole in Balance zu halten, dann besitzen wir eine gutes Gespür für die Offenheit unseres eigenen Raumes und wir haben einen klaren Kontakt zu den eigenen Ressourcen und Bedürfnissen sowie der Fähigkeit für diese auch im Angesicht schwieriger Umstände einzustehen. Wenn wir eine Beziehung oder Situation jedoch als Problematisch erleben, dann hängt dies dagegen oft damit zusammen, dass wir den Zugang zum eigenen Selbst und die gesunde Distanz zu Aussenwelt zeitweilig verloren haben. Wir erleben uns dann so, als wären wir mit anderen Personen, Umständen und Meinungen „verschmolzen“ (Symbiose). An diesem Punkt setzt der Prozess der Systemischen Selbstintegration an. Der symbolische Rahmen der Aufstellungsarbeit wird dazu genutzt um gesunde Grenzen wieder besser wahrnehmen zu können und um klarer zwischen eigenen und fremden Räumen zu unterscheiden. Schritt für Schritt lernen wir wieder für unsere eigene Wahrnehmung einzustehen und uns wieder mit unserem Selbst zu verbinden. So gewinnen das Gefühl für unseren inneren Freiraum zurück und unsere persönliche Kraft – die wir verloren geglaubt hatten – kommt wieder an den richtigen Platz und kann uns fortan dabei helfen, bewusst für unsere eigenen tiefen Bedürfnisse einzustehen, anstatt sich unbewusst gegen uns selbst und andere zu richten. Die ursprüngliche Balance zwischen Selbstbeziehung und Fremdbeziehung wir so wieder ins Gleichgewicht gebracht.
Durch die starke Fokussierung auf das „innere System“ eines Menschen setzt der Selbstintegrationsprozess genau dort an, wo Veränderung möglich und auch gewünscht ist: bei uns Selbst. Ganze gemäß des Ratschlages des buddhistischen Philosophen Shantideva: Die ganze Welt mit Leder abzudecken – wie soll man so viele Häute denn gewinnen? Umwickel einfach deinen Fuß mit Leder, und es ist, als wär‘ die ganze Welt bedeckt! Dieser Artikel möchte den LeserInnen einen kleinen Überblick über die Hintergründe und Grundprinzipien dieser Arbeit vermitteln. Zum Abschluss zeigt er zudem einen Weg auf, wie sie den eigenen „Autonomie-Index“ anhand eines Fragebogens kennenlernen und besser einschätzen lernen können. Der Ausgangspunkt: Das Familienstellen von Bert Hellinger und die Systemische Therapie in den späten 1990ern Die Systemische Selbstintegration hat ihren Ursprung in einer kritischen Auseinandersetzung mit Bert Hellingers Familienstellen. Hellinger kombinierte in seinem Ansatz seine eigenen Beobachtungen zur systemischen Therapie mit Methoden szenischer Darstellungen aus der Skulpturarbeit und ermöglichte es so, die Verwerfungen innerhalb eines Familiensystems sichtbar zu machen, zu untersuchen und zu deuten. Als Ursache für die Probleme seiner KlientInnen nahm Hellinger eine unbewusste Identifizierung mit einem schweren, bzw. ausgeklammerten Schicksal in deren Familiensystem an. Er interpretierte diese Identifizierung als die Wirkung eines unterbewussten Sippengewissens, welches dafür verantwortlich sei, dass das Schicksal eines ausgeschlossenen Familienmitglieds von einem Späteren nachgeahmt wird. Um diese Identifikation zu lösen, empfahl er seinen KlientInnen, sich vor dem ausgeschlossenen Familienmitglied zu verneigen und dieser Würdigung durch das sprechen von rituellen Sätzen – wie „Ich gebe dir einen Platz in meinem Herzen“ – Ausdruck zu verleihen. So sollte das ausgeschlossene Schicksal wieder in das Familiensystem integriert und dessen „Ordnung“ wieder hergestellt werden. Wenn es der KlientIn danach nicht besser ging, dann wurde die AufstellungsleiterIn angehalten, nach weiteren schweren Schicksalen im System zu suchen um auch dieses Schicksale – stellvertretend für das ganze System – „ins Herz zu nehmen„. Hellingers Konzept erlebte während der späten 1990er und frühen 2000er Jahre einen extrem Popularitätsschub und wurde gleichermaßen zum Anlass für viel fundierte Auseinandersetzung wie auch blinder Nachahmung. Dabei sorgten sein Vorgehen und seine Haltung zunehmend für Kontroversen. Es wurde deutlich, dass viele der Grundannahmen des Familienstellens langfristig nicht haltbar waren und – mit mangelndem Sorgfalt und Verständnis ausgeübt – sogar potentiell gefährlich sein konnten. Für die Entstehung der Systemischen Selbstintegration war insbesondere die kritische Auseinandersetzung mit Hellingers Konzept der Identifikation zentral: • Was passiert überhaupt bei einer Person, die sich mit einer Anderen und deren Schicksal „identifiziert“? • Welchen Einfluss nimmt diese Identifikation auf ihr Leben? Abseits von den kollektiven Zwängen und Mustern ihres Familiensystems. • Wie wirkt sich die Identifikation auf die Selbstbeziehung und das Beziehungserleben einer betroffenen Person aus? • Wie kann sich die Person aus dieser Identifikation lösen? Für den Münchner Psychiater Ernst Robert Langlotz wurden diese Fragestellungen zum Grundsatzproramm eines mehr als zwanzig Jahre andauernden Prozesses des Forschens und Beobachtens. Den passenden Rahmen für ein solches Unterfangen lieferten ihm die täglichen Herausforderungen seiner psychiatrischen Praxis. So kristallisierte sich – Schritt für Schritt – das Bild einer Fülle von verwirrenden Dynamiken und ihnen entsprechenden Lösungsinterventionen heraus, die zusammen wie Puzzlesteine ein erstaunlich klares Bild ergaben: ein systemisches Modell von Autonomie, Autonomiehemmung und symbiotischen Verhalten – die Systemische Selbstintegration nach Langlotz. Ein systemisches Verständnis von Autonomie Im Zentrum der Systemischen Selbstintegration steht die Erkenntnis, dass sich die Autonomie einer Person aus der Wechselwirkung von drei, sich gegenseitig bedingenden, Aspekten beschreiben lässt: • Die Fähigkeit, zwischen dem Eigenen und dem Fremden zu differenzieren d.h. die Fähigkeit zwischen dem eigenen, seelischen Raum und fremden Räumen zu unterscheiden und mit ihnen in Beziehung zu treten. (RAUM) • Ein starker Selbstkontakt d.h. ein klarer Zugang und eine Verbindung mit den eigenen Bedürfnissen, Gefühlen und Überzeugungen (SELBST) • Die Fähigkeit, die eigene gesunde Aggression konstruktiv für den eigenen Selbstausdruck und zum Schutz des eigenen Raumes zu nutzen, anstatt sie destruktiv gegen sich selbst und andere zu richten. (ABGRENZUNG) RAUM entsteht dort, wo es eine Grenze gibt, die klar zwischen zwei Zuständen differenziert, d.h. diese voneinander trennt und verbindet. Man kann sich diesen Zusammenhang an einem simplen Beispiel verdeutlichen: Wenn man auf einem weissen Hintergrund einen Kreis zeichnet, dann wird dadurch der Raum im Kreis klar von dem Raum um den Kreis herum unterschieden. Wo zuvor ein undifferenzierter Raum war, gibt es plötzlich zwei Räume, die klar voneinander unterschieden sind. Der gezeichnete Kreis fungiert hier als eine Grenze, weil es unmöglich ist, von einem der beiden Zustände zum Anderen überzugehen, ohne die Linie des Kreises zu überschreiten. Doch damit ist der Kreis nicht nur das, was die beiden Zustände voneinander trennt, er ist gleichzeitig auch das, was die beiden Zustände miteinander verbindet, da jeder Kontakt zwischen dem Raum im Inneren des Kreises und dem Raum um den Kreis, nur über die Grenze laufen kann. Wir haben es hier mit einem universellen Merkmal aller lebendigen Prozesse zu tun. Durch eine Grenze entsteht ein individueller und autonomer Lebensraum, der sich von seiner Umwelt unterscheidet aber gleichzeitig auch mit ihr in Beziehung treten kann. Das lässt sich schon auf der Ebene der kleinsten Lebensformen beobachten: den Zellen. Um die eigenen lebenserhaltenden Prozesse erhalten zu können, schafft die Zelle eine semipermeable Membran, die das Innere der Zelle klar von ihrer Umwelt abtrennt. Dadurch differenziert sich die Zelle von ihrer Umwelt. Sie ist aber deswegen nicht isoliert. Die Membran ist gleichzeitig die Zone, in der die Zelle sich mit ihrer Umwelt austauschen kann. Die Grenze der Zelle erhält so ihr Leben und ermöglicht es ihr mit anderen Zellen und dem großen Ganzen jenseits ihrer Grenzen in Beziehung zu treten.
Ein Kreis als Beispiel für das Prinzip der Abgrenzung zweier Räume und das Entstehen von RAUM Dieses Prinzip trifft – in weitaus subtilerer und komplexerer Art und Weise – auch auf die psychischen und emotionalen Grenzen in menschlichen Beziehungen zu. Grenzen werden in der Alltagssprache ja gerne mit Zäunen oder Mauern verwechselt. Doch bei einem Zaun oder einer Mauer geht es eher darum, ein bestimmtes Territorium vom Rest der Welt zu isolieren und zu schützen. Seelische Grenzen hingegen, ermöglichen uns nicht nur des Eigene vom Fremden zu unterscheiden und zu schützen; sie ermöglichen es auch das Eigen mit dem Fremden in Beziehung treten zu lassen ohne das wir das Eigene dabei zu verlieren. Damit wird eine Balance zwischen Eigenständigkeit (Autonomie) und Zugehörigkeit (Heteronomie) möglich. Wer gesunde Grenzen hat ist klar differenziert und kann gleichzeitig mit sich selbst und mit Anderen in Kontakt sein, ohne sich selbst dabei zu verlieren. Damit der persönliche RAUM und seine Grenze diesen Zweck erfüllen können, ist es aber wichtig, dass sie sich auf etwas Konkretes beziehen. Der RAUM ist kein Selbstzweck. Er ist Raum für das „Eigene“. Erst durch den Bezug auf das „Eigene“ hat der RAUM eine Funktion. Diese „Eigene“ ist beim Menschen das SELBST. Das SELBST ist einzigartig, unverlierbar und unzerstörbar. Es ist das Geburtsrecht eines Menschen – ein Geschenk der Natur. Es ist das innere Potential, das jeder in dieses Leben mitgebracht hat. Von daher hat das SELBST eine transzendente Würde, einen Wert in sich selbst, unabhängig von Geschlecht und Hautfarbe, unabhängig auch davon, ob man etwas leisten oder ob man von jemandem gebraucht wird. Wie eine duftende Rose, deren Schönheit allein darin besteht, dass sie ist:
SELBST Unser SELBST ist das, was uns zum In-dividuum macht. Es ist die Grund-Natur unserer Persönlichkeit, die dafür sorgt, dass wir unsere Identität auch dann nicht verlieren, wenn wir mit anderen Menschen oder Gruppen in Berührung kommen. Es ist das, was den Peter zum Peter macht und die Marie zur Marie – aber eben nicht zu irgendeinem Peter oder irgendeiner Marie, sondern zu genau der unverwechselbaren Persönlichkeit als die wir sie erleben. Es ist der Teil von uns, der es uns ermöglicht zu sagen, dass wir Körper, Gefühle und Gedanken haben, während wir intuitiv wissen, dass wir mehr sind als die Instrumente durch die wir uns ausdrücken. Das SELBST gibt uns die Fähigkeit, zwischen den oberflächlichen und den tieferen Teilen unser Persönlichkeit zu Unterscheiden und uns mit diesen auseinanderzusetzen. Es ist aber auch das, was bewirkt, das die verschiedenen Schichten und Aspekte unserer Persönlichkeit eine Einheit zu bilden und um ein gemeinsames Zentrum organisiert sind. Es ist der tiefe Ort in uns, mit dem wir Kontakt suchen, wenn wir eine lebensbestimmende Entscheidung treffen müssen die eine existentielle Bedeutung für unsere Zukunft hat. Und es ist – last but not least – der Teil von uns der es uns ermöglicht, über uns hinauszuwachsen und unser Leben auf einen umfassenderen, größeren Sinn auszurichten. Diese Annahme gründet sich aber nicht etwa in luftiger Esoterik – sie hat einen ganz erdigen, immanenten Anspruch. Sie entspricht im Kern dem Grundrecht auf Menschenwürde und auf Selbstbestimmung, das auch in unserem Grundgesetz verankert ist. Das SELBST ist in uns zunächst nur als Potential angelegt. Damit es sich entwickeln und in der Welt in Erscheinung treten kann – dass Selbst-Verbindung möglich wird – braucht es einen eigenen, geschützten Raum. D.h. ein Kind muss die Möglichkeit haben, nein! sagen zu dürfen, sich abzugrenzen, um seinen eigenen Raum zu schaffen:
Der RAUM und seine Grenze existieren für das SELBST Wenn man diesen RAUM bewusst in Besitz nimmt, dann wird er frei für das Eigene, das SELBST. Das ist die Voraussetzung für Selbst-Bewusstsein, Selbst-Vertrauen und Selbst-Bestimmung. Dadurch, dass wir den eigenen seelischen Raum für unsere Selbst frei machen und in Besitz nehmen, nehmen wir aber nicht nur Raum, wir geben gleichzeitig auch anderen Raum, so zu sein wie sie sind. So wird ein Selbstbewusstsein ohne Egoismus möglich. RAUM und SELBST alleine genügen aber nicht um ein autonomes Leben führen zu können. Alles Leben ist Prozess und der Ausdruck eines Wechselspieles von vielen unterschiedlichen und sich oft widersprechenden Kräften. Um in diesem Spiel der Kräfte einen RAUM zu haben und um als SELBST in Erscheinung zu treten brauchen wir ABGRENZUNG. Die Abgrenzung ist die aktive Kraft, die dabei hilft die Grenze aufrecht zu erhalten und Raum für des eigene Selbst zu schaffen. Sie dient aber nicht nur zum Schutz, sie ist auch die Kraft die dabei hilft, dem eigenen in der Welt Ausdruck zu verleihen. Im Leben des Menschen findet diese Kraft ihren Ausdruck in der Fähigkeit des Erwachsenen, sein Leben SELBST-bestimmt zu leben – auch oder gerade bei unerwarteten Herausforderungen und Enttäuschungen. Denn das Leben ist niemals statisch. Es genügt nicht, wenn einmal zwischen einem „ICH“ und einem „DU“ unterschieden wurde. Es ist ein Prozess der sich ständig wiederholen, erneuert und angepasst werden muss. Also braucht es die ABGRENZUNG eine Kraft, um die Unterscheidung stabil halten zu können.
Die ABGRENZUNG ist auch die gesunde Aggression. Sie sorgt dafür, dass die Grenze stabil bleibt, so dass es einen RAUM für das SELBST geben kann. Wird diese Kraft in den Dienst des SELBST gestellt, dann haben wir die Fähigkeit für unser Selbst in der Welt einzustehen. Sie ist die Kraft, die es braucht um Widerständen zu trotzen und diese nicht als Angriff oder Zumutung sondern als Herausforderung und Gelegenheit zum Wachstum zu erfahren. Gemeinsam bilden diese drei Aspekte – RAUM, SELBST, ABGRENZUNG – eine systemisches Modell von Autonomie. Die drei Aspekte definieren und bestimmen sich gegenseitig. Sie bilden zusammen ein größeres Ganzes, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Versucht man einen dieser Aspekte aus diesem größeren Gesamtzusammenhang herauszulösen, dann verliert auch das Ganze seine Sinn. Der RAUM ist ohne SELBST und ABGRENZUNG nur eine leblose Struktur – so wie ein Haus, das zwar gebaut wurde, in das aber nie jemand eingezogen ist und in dem niemals Leben stattgefunden hat. Das SELBST ist ohne den RAUM und ohne die Kraft der ABGRENZUNG nur ein Potential, das niemals im Leben in Erscheinung tritt. Und die ABGRENZUNG verkommt ohne RAUM und SELBST zu einer blinden und destruktive Kraft, die keinen konstruktiven Zweck hat, in dessen Dienst sie sich stellen kann. Autonomieentwicklung, Autonomiehemmung und Symbiose Anhand der frühen Autonomieentwicklung lässt sich beobachten, wie wichtig die drei Autonomie-Aspekte – RAUM, SELBST und GRENZE – für das Leben eines Menschen sind. Zu Beginn des Lebens ist ein Embryo noch ganz zart und vollkommen abhängig. Es ist buchstäblich noch ein Teil der Mutter – es lebt in Symbiose. Das Kind befindet sich vollkommen im RAUM der Mutter, ganz ohne eigene Grenze. Sein SELBST ist noch nicht in Erscheinung getreten und die vital Kraft der ABGRENZUNG existiert nur rudimentär auf der Basis lebenserhaltender Funktionen. Sie dient noch nicht dazu, die eigene Identität von der, der Mutter zu unterscheiden. Das Kind ist in einem Zustand der vollkommenen Identifikation mit der Mutter.
Mutter-Kind Symbiose. Das SELBST und RAUM des Kindes sind als Potential angelegt Nach der Geburt ist es für die gesunde Entwicklung des Kindes erforderlich, dass auch die Mutter in diesen „Symbiose-Modus“ geht. Sie orientiert sich für eine gewisse Zeit mehr nach ihrem Kind, als nach ihrem eigenen SELBST. Die Mutter versucht, sich „empathisch“ in ihr Kind hinein zu versetzen, seine Bedürfnisse zu erfassen und zu befriedigen. Dabei stellt sie die eigene Bedürfnisse und negative Gefühle (Ärger, Wut) zurück. Doch bereits mit der Geburt – der Abnabelung und dem ersten Atemzug – beginnt auch der Prozess in dem das Kind sich langsam vom Zustand der Symbiose mit der Mutter löst und in ein eigenes autonomes Leben hinein entwickelt. Schon früh erwacht im Kind ein Grundbedürfnis nach Autonomie, welches es über die engen Grenzen seines Bedürfnisses nach Zugehörigkeit hinaustreibt. Nach und nach werden dadurch die Grenzen des eigenen Raumes und damit auch der eigenen Identität klarer. Mit dem Raum wächst das Gespür für das eigene Selbst und der Ausdruck der vitalen Kraft der Abgrenzung wandelt sich von einem unbewussten Schrei nach der Zuwendung der Mutter in ein erstes klares „Nein“, in dem das Kind seinen eigenen Standpunkt in der Welt entdeckt. Beim Menschen dauert dieser Prozess sehr lange und ist – im günstigen Fall – mit der Pubertät vollständig abgeschlossen. Dann sind RAUM, SELBST und ABGRENZUNG genug in Erscheinung getreten, dass das eigenständige Leben des Kindes gewährleistet werden kann.
Symbiotische Phase nach der Geburt: Das Kind entdeckt langsam den eigenen RAUM und das Potential seines SELBST tritt in Erscheinung Dabei ist es wichtig, dass das Kind sich in der Gegenwart von Menschen befindet, die diesen Prozess selber in einer natürlichen Art und Weise durchlaufen konnten. Eine Mutter, welche die Möglichkeit hatte, die eigene Autonomie zu entwickeln, versteht und unterstützt wohlwollend die Abgrenzungsbewegungen ihres Kindes. Gleichzeitig findet das Kind in ihr ein Gegenüber mit der Fähigkeit, einen eigenen Standpunkt beziehen zu können. So kommt das Kind in den Kontakt mit einem lebendigen SELBST und erlebt diesen als Einladung, sich auch abzugrenzen und fremde Grenzen zu respektieren.
Durch die Möglichkeit zur ABGRENZUNG stabilisiert sich der RAUM das Kindes und es kann sein SELBST zum Ausdruck binden. Diese Autonomie-Entwicklung des Kindes ist ein sensibler Prozess und extrem störanfällig. Sie kann beeinträchtigt, verwirrt oder ganz blockiert werden. Dabei haben sich drei Einflussfaktoren als besonders Störend für die Autonomieentwicklung herausgestellt: 1. Der frühe Verlust einer nahen Bezugsperson 2. Körperliche und seelische Gewalt 3. Ein stark traumatisiertes Umfeld Diese Erfahrungen beeinflussen das Gespür für den eigenen RAUM, blockieren den Kontakt zum eigenen SELBST und wirken sich hemmend auf die Fähigkeit zu ABGRENZUNG aus. Sind diese nachhaltig gestört, kommt es zu einer Hemmung der Autonomie und – Schritt für Schritt – zur Herausbildung ein Symbiosemusters, welches auch das Leben des Erwachsenen beeinflusst und alle seine Beziehungen beeinträchtigt. Der Verlust von nahen Bezugspersonen Selbst nach der engen Symbiose mit der Mutter während der Säuglingszeit, ist ein Kind noch lange Zeit mit einem oder mehreren nahen Angehörigen (Bezugsperson, Geschwister) identifiziert. Wird es von diesen Bezugspersonen getrennt – durch Tod, Trennung, Vertreibung etc. – bevor es gelernt hat die eigene Identität zu differenzieren (Pubertät), neigt es dazu, weiter mit diesem Angehörigen identifiziert zu bleiben. Das blockiert seine Abgrenzungsfähigkeit gegenüber dieser Bezugsperson, aber auch gegenüber anderen.
Beim Verlust nimmt das Kind das Selbst der Bezugsperson (imaginär) in den eigenen Raum , dessen Grenzen noch nicht klar ausgebildet sind. Dadurch kann sich das Selbst des Kindes nicht entfalten. Auch die Fähigkeit zur Abgrenzung und Differenzierung des eigenen Raumes bleibt blockiert. Das Kind kann sich vor der Pubertät noch nicht von einer verlorenen Person verabschieden. Dabei kann es das Positive, was es mit dieser Person erlebt hat, noch nicht einem eigenen Selbst zuordnen. Das Kind orientiert sich noch stark an seinem Gegenüber. Um bei Verlust der Person nicht auch das gemeinsam Erlebte zu verlieren bleibt es mit der Person identifiziert. Doch diese Identifikation beeinträchtigt auch in Zukunft die klare Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremden. Es blockiert die Abgrenzung, auch zu anderen Personen, da dies zu einem Verlust des Identifikationsobjektes führen würde – verbunden mit Gefühlen des Verlassenwerdens, Gefühlen von Schuld oder Verrat. Das wirkt – unbewusst und lebenslang – wie ein Verbot, wie eine emotionale Konditionierung: es blockiert den entsprechenden Abgrenzungs-Impuls – noch bevor er bewusst werden kann. Seelische und/oder körperliche Gewalt Die frühe Erfahrung von seelischer und/oder körperlicher Gewalt führt zunächst zu einer Überschwemmung durch heftige, bedrohliche Gefühle: Hilflosigkeit, das Gefühl unwert zu sein, Todesangst, Schmerz, Wut, Verlust von Vertrauen und Verrat. Gleichzeitig muss das Kind diese Gefühle unterdrücken um zu überleben – insbesondere wenn der Täter zur Familie gehört.
Die Erfahrung von Gewalt verletzt die Grenzen des Opfers, welches die Identität des Täters in seinen Raum aufnimmt. Dadurch wird sein Selbst – zusammen mit den aggressiven Impulsen zur Abgrenzung – abgespalten Der seelische Schmerz wird abgespalten (Dissoziation) und auch die Schutzimpulse der gesunden Abgrenzung werden unterdrückt um den überlegenen Täter nicht zu reizen. Oft muss sogar ein beschwichtigendes Verhalten dem Täter gegenüber an den Tag gelegt werden. Das Kind identifiziert sich dann mehr mit dem Täter; im illusionären Versuch ihn so zu kontrollieren, und orientiert sich mehr nach ihm, als am eigenen Selbst. So wird das eigene Selbst (unterbewusst) massiv abgewertet um zu überleben. Stark traumatisiertes Umfeld Extreme und ungelöste Erfahrungen von Verlust oder Gewalt wirken sich nicht nur im Leben der Betroffenen aus, sondern können auch über mehrere Generationen hinweg noch wirken. Dabei wird das Leid innerhalb eines Familiensystems durch das Aufeinandertreffen mehrere traumatisierter Person oft noch potenziert. So wachsen Kinder in einem Umfeld auf, dass von Traumareaktionen und den zugehörigen Überlebensstrategien geprägt ist. Dies wirkt sich nachhaltig auf die Autonomieentwicklung eines Kindes aus, da dessen Impulse zur Autonomie nicht wahrgenommen, unterdrückt oder – im Extremfall – sogar bekämpft und bestraft werden. Das Kind passt sich so immer stärker an die Erwartungen der traumatisierten Bezugsperson an und lernt sich mehr an ihren Erwartungen zu orientieren als an den eigenen Bedürfnissen. Es internalisiert die Erwartungen des Anderen. Darüber hinaus erwarten Eltern oder Familienmitglieder, die durch eigene Verluste traumatisiert sind, häufig (unbewusst) von ihren Kindern, dass sie ihnen fehlende Bezugsperson ersetzen („Projektionen“). Sie fühlen sich dann durch das Autonomie-Bedürfnis des Kindes bedroht und reagieren darauf mit Liebes-Entzug, Manipulation oder Ablehnung. Um zu überleben unterdrückt das Kind die eigenen Autonomie-Bedürfnisse, und identifiziert sich mit den Bedürfnissen der Eltern. Es gibt sich so, wie es sich der Andere wünschen würde – erschafft sich im Blick des Anderen neu – und legt sich ein „falsches Selbst“ zu. So trennt es sich vom Eigenen ab und entfremdet sich von seinem eigenen Selbst. Es orientiert sich mehr nach dem Elternteil und den Dingen, die in dessen Zuständigkeitsbereich fallen. Auch hier internalisiert das Kind das Elternteil. So wird das Elternteil zum Introjekt.
Das Kind übernimmt im Raum des vom Verlust betroffenen Elternteils verschiedene Rollen: z.B. von einem verlorenen Elternteil (1), einem nicht präsenten Partner (2), oder sogar dessen Selbst (3)
Dadurch verschwimmt die Trennung zwischen dem Raum des Kindes und dem Raum des Elternteils und das Kind nimmt Fremdpsychisches als „Introjekt“ in seine eigene Identität auf Das Symbiosemuster beim erwachsenen Menschen Wird die Autonomieentwicklung durch die Erfahrung von Verlust, Gewalt oder einem traumatisierten Umfeld gehemmt oder gar gestoppt, entwickelt sich im Denken, Fühlen und Handeln der betroffenen Person ein Symbiosemuster. Bei diesem ist das Gespür für den eigenen seelischen Raum, der Kontakt zum eigenen Selbst und die Fähigkeit zur aktiven Schutz des eigenen Raumes – die eigentlich dabei helfen sollten sich aus den symbiotischen Beziehungen der Säuglings und Kinderzeit zu lösen – gehemmt oder gestört. Die Aspekte des Symbiosemusters sind dabei ebenso wechselseitig miteinander Verflochten, wie die der oben besprochenen Autonomieaspekte. Für jeden der drei Autonomieaspekte lassen sich spezifische Merkmale der Autonomiehemmung und eines zugehörigen kompensatorischen Verhaltens benennen: 1. RAUM: Durch mangelnde Differenzierung zwischen dem „eigenen Raum“ und „fremden Räumen“ verfügt die betroffene Person nur über sehr schwach ausgebildete Grenzen und kann nicht sicher unterscheiden zwischen „Ich“ und „Du“ – zwischen dem Eigenen und einem fremden Zuständigkeitsbereich. Sie neigt daher eher dazu, im fremden Raum Rollen zu übernehmen, bzw. dem Gegenüber im eigenen Raum eine Rolle zu zuschreiben. Das ist verbunden mit einem enormen Verlust an Energie und einem unterschiedlichen Grad der Verwirrung. 2. SELBST: Die mangelnde Differenzierung stört die Fähigkeit des Betroffenen einen klaren Kontakt mit dem eigenen Selbst aufzubauen. Sie entfremden sich zunehmend von ihrem eigenen Selbst – ihren tiefen Bedürfnissen und Überzeugungen – und orientieren sich mehr an den Bedürfnissen und Überzeugungen anderen Personen, die sie wie ein Introjekt verinnerlichen. 3. ABGRENZUNG – Durch das fehlen klarer Grenzen zwischen dem „Eigenen“ und dem „Fremden“ kann sich das natürliche Aggressionspotential der Betroffenen nicht entfalten. Es fehlt ein gesunder Kanal, durch den die Aggression Identität-stiftend und –erhaltend wirken kann. Das natürliche Aggressionspotential wird von der bewussten Identität der Betroffenen abgespalten und sucht sich andere Kanäle: Selbst- und Fremdschädigung. Das Symbiosemuster kann als eine Überlebensstrategie des Kindes in einer Autonomie-feindlichen Umgebung verstanden werden. Diese Überlebensstrategie wird unbewusst gespeichert, im Sinne einer tiefsitzenden Konditionierung. Diese Konditionierung bestimmt auch später noch das Beziehungserleben sowie die Selbst- und Fremd-Wahrnehmung des Erwachsenen. Es führt zu Energieverlust (Erschöpfung, Depression), zu einem Verlust der Selbstachtung und zu Desorientiertheit. Das Symbiosemuster kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. In einer leichteren Form ist es sehr verbreitet, und verursacht Beziehungsstörungen: zu den Eltern, den Geschwistern, zu einem Partner und zu den eigenen Kindern, und zur Arbeit (Burnout). Bei stärkerer Ausprägung kann es auch psychische Störungen verursachen, einschliesslich Depression, Borderline-Störung und Psychose. Dies Muster ist so weit verbreitet, dass viele Menschen symbiotisches Verhalten für „normal“ erachten. Es wird sogar oft fälschlich rationalisiert und romantisiert, so als wäre es ein Ausdruck von reiner „selbstloser“ Liebe, während es im Kern eher eine individuelle Überlebensstrategie darstellt. Im Gegensatz zu echter Liebe und Wertschätzung ist im Symbiosemuster nämlich weder Platz für Selbstwahrnehmung, noch für eine echte Wahrnehmung des Anderen. Deshalb werden Autonomiebemühungen (Abgrezung) in einer symbiotischen Beziehung auch oft als verletzend, egoistisch oder Beziehungsfeindlich erlebt. Das Symbiosemuster im erwachsenen Beziehungserleben Ein früh erlerntes Symbiosemuster bestimmt auch im Erwachsenenalter noch das gesamte Beziehungserleben einer Person. Das lässt sich besonders innerhalb von Paarbeziehungen beobachten: Ohne klar differenzierte Grenzen erlebt A die Bedürfnisse und Schwierigkeit von B so als wären es die eigenen. A orientiert sich deshalb eher nach B und hält diese Verhalten für „Liebe“. Dieselbe „Liebe“ erwartet er von B. Aber diese „Liebe“ ist gegenseitige Abhängigkeit – das Gegenteil von Autonomie.
Die symbiotische Liebesbeziehung So entsteht eine Bindung durch Abhängigkeit. Gleichzeitig ist die symbiotische Nähe zwischen A und B so groß, dass in der Beziehung weder für das Selbst von A noch für das Selbst von B Platz ist. Für beide fungiert die symbiotische Nähe als ein Ersatz für das eigene Selbst, so dass sie weder sich selbst noch den Anderen als die Person wahrnehmen könne, der er oder sie eigentlich ist. Diese Form von Selbstverleugnung und Abhängigkeit in der Beziehung geht meist eine Zeit lang gut – letztendlich sorgt sie aber für Wut. Diese Wut ist nichts andere als ein Ausdruck der gesunden Aggression, die eigentlich für die Abgrenzung und die Begegnung von A und B notwendig wäre. Doch da keine Grenzen existieren hat die Aggression in der Beziehung keinen Platz. Deshalb richten die Betroffenen die Wut oft gegen sich selbst. Sie bekommen Schuldgefühle, Ängste, Depression, Krankheit – um so den Anderen nicht zu verletzen oder zu verlieren. Oder die Wut „entlädt“ sich an einer unpassenden Stelle. So kommt es zu Streitereien, beziehungsschädigendem Verhalten und – im Extremfall – zu seelischen und körperlichen Verletzungen. Oft werden diese Beziehungen als „Schicksalshaft“ erlebt. Man kann nicht Miteinander und auch nicht Ohneeinander und es kann zu einer Trennung kommen. Gegenseitige Verletzungen und symbiotische Nähe wechseln sich in immer häufigeren Phasen ab, bis die Beziehung am Ende zerbricht, ohne das die Betroffenen sich danach noch in die Augen sehen können. In einer autonomen Liebesbeziehung ist es dagegen für beide Partner möglich, dem eigenen Selbst Ausdruck zu verleihen. Auch und gerade im Kontakt oder Konflikt mit den Partner. Das sorgt für einen echten und authentischen Austausch zwischen den beiden Partnern. Der Partner wird als ein unabhängiges Selbstvwahrgenommen und wirkt gerade wegen seinem Selbst anziehend:
Die autonome Liebesbeziehung Solch eine Bindung durch Anziehung hat eine ganz andere Qualität als die symbiotische Bindung durch Abhängigkeit, in der für das eigene Selbst und das Selbst des Partner keinen Platz ist. Als Abschluss: Den eigenen Autonomie-Index kennenleren Alle bis zu diesem Punkt beschriebenen Erkenntnisse über Autonomieentwicklung, Autonomiehemmung und Symbiosemuster lassen sich in einem einfachen Diagramm zusammenfassen:
Das Autonomie-Diagramm Durch dieses Diagramm und den zugehörigen Fragebogen – Bezugsquellen finden sich am Ende des Artikels – wird es möglich den eigenen „Autonomie-Index“ besser einzuschätzen. Die drei Aspekte der Autonomie: RAUM, SELBST und ABGRENZUNG entsprechen im sechsstrahligen Stern des Diagramms den drei Punkte A, B und C in der oberen Hälfte des Diagramms: Abgrenzung gegenüber Fremdem (A) entspricht dem Aspekt des RAUMS, die Verbindung mit dem Eigenen (B) dem SELBST, und die Integration aggressiver Impulse (C) entspricht der ABGRENZUNG: RAUM SELBST ABGRENZUNG A B C Abgrenzung gegenüber Fremdem Verbindung mit dem Eigenen Integration aggressiver Impulse
Das Symbiosemuster wird als Überlebensstrategie bei einer Beeinträchtigung der Autonomie verstanden. Deshalb kann jeder Aspekt des Symbiosemusters auch auf eine Einschränkung von einem der drei Aspekte der Autonomie (A bis C) zurückgeführt werden. Gleichzeitig führt jede Einschränkung eines der Autonomie-Aspekte zur Ausbildung eines zusätzlichen kompensatorischen Verhaltensmusters. Daraus ergeben sich die Punkte F bis D in der unteren Hälfte des Diagramms:
RAUM SELBST GRENZE
A B C Autonomie Abgrenzung gegenüber Fremdem Verbindung mit dem Eigenen Integration aggressiver Imulse Autonomiehemmung Überabgrenzung Dominanz Destruktion (Abspaltung aggressiver Impulse)
D E F
Kann eine Person nicht klar zwischen dem eigenen Raum und fremden Räumen differenzieren, dann verfügt sie nur über schwache persönliche Grenzen. Ihre Fähigkeit zur Abgrenzung (A) ist gehemmt. Sie spürt mehr die Erwartungen und Bedürfnisse des Gegenübers als die eigenen und ist mit diesen wie verschmolzen Um sich nicht gänzlich im Fremden zu verlieren und um nicht manipuliert und benutzt zu werden, kompensiert sie die mangelnde Abgrenzung durch Überabgrenzung (D): sie zieht sich z.B. emotional zurück, geht auf Distanz oder bricht den Kontakt abrupt ab. Ist die Selbst-Verbindung (B) – und damit das Selbstwertgefühl – gehemmt, versucht die betroffene Person, den eigenen Selbstwert zu verbessern, indem sie in fremden Räumen aktiv wird und sich in diesen zuständig fühlt. Dabei entwickelt sie ein kompensatorisches Verhalten, das von Übergriffigkeit und Dominanz (E) geprägt ist. Sie kann fremde Grenzen und die Zuständigkeit Anderer für sich selbst, nicht wahrnehmen und sieht es als ihre Aufgabe an, deren Verantwortlichkeiten zu übernehmen. Ist dann, last but not least, die Fähigkeit zur aktiven Abgrenzung – Integration der eigenen Aggression (C) – gehemmt, dann „staut“ sich das ungenutzte aggressive Potential und entlädt sich über andere Wege. Sie wird destruktiv und richtet sich gegen sich selbst oder gegen andere: Selbst-– und/oder Fremd– Destruktion (F). Um die persönliche Ausprägung innerhalb des Spektrums des Autonomie-Diagramms besser einschätzen zu können, wurde von Ernst Robert Langlotz ein 36 Fragen umfassender Fragebogen entwickelt. Dieser Fragebogen kann keine verbindliche Darstellung über die Autonomie einer Person leisten, aber er liefert in der Praxis – zusammen mit der üblichen Anamnese – eine sehr gute und verlässliche Annäherung an das Autonomie-Profil eines Klienten. Er zeigt der TherapeutIn – aber auch der KlientIn – das Ausmaß des Symbiosemusters und die Veränderungen durch Therapie.
Dieses Diagramm spiegelt die Struktur einer Klient*in zu verschieden Punkten des Therapieverlaufes wieder: vor (rot) und 2 (grün) bzw. 4 (blau) Monate nach Beginn einer Therapie. Die im Fragebogen ermittelten Werte werden in das Autonomie-Diagramm eingetragen. Dabei ist zu beachten, dass im oberen Autonomie-Bereich, die Skalierung von unten/innen nach oben/außen zunimmt und die Skalierung im unteren Bereich umgekehrt – von außen/unten nach innen/oben – verläuft. Bei dieser Anordnung ergibt sich bei niedrigen Autonomie-Werten und hohen Kompensations-Werten ein kleiner Kreis. Je größer der Kreis desto ausgeprägter ist die Autonomie. Die Hemmung der Autonomie kann man am Grad der Einschränkung der Autonomie-Aspekte A, B und C und der Erhöhung der Werte D, E und F ablesen. Die ermittelten Werte ermöglichen es, eine ungefähre Ausprägung – oder Einschränkung – der Autonomie einzuschätzen und als „Autonomie-Index“ bzw. „Hemmungs-Index“ zu formulieren. Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, jetzt neugierig geworden sind, den eigenen „Autonomie-Index“ besser kennenzulernen, dann können sie den Fragebogen und das zugehörige Diagramm kostenlos auf der Homepage von Dr. Langlotz herunterladen, und zwar unter: https://www.e-r-langlotz.de/selbst-diagn...elbst-diagnose/